Caldera. V. S. Gerling. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: V. S. Gerling
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783956691614
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ihm hatte ich damals, kurz bevor sie ihn erschossen hatten, eine Menge Infos erhalten. Informationen, die mir zeigten, in welche Richtung meine Nachforschungen würden gehen müssen. Nämlich zu ganz bestimmten, global tätigen Unternehmen. Und eben so eines hatte für den militärischen Geheimdienst als externer Dienstleister gearbeitet.

      Als mir die Leiter der Behörde erklärte, dass der Dienstleister selbstverständlich eine Vertraulichkeitserklärung unterschrieben hatte, waren bei mir die Sicherungen durchgebrannt.

      Natürlich hatte der Präsident des BAMAD nicht gewusst, wen er sich da ins Haus geholt hatte. Zumal der Auftrag damals ja eh aus dem Kanzleramt gekommen war.

      Selbstverständlich in Kooperation mit dem Ministerium für Verteidigung.

      Das machte mich neugierig.

      Ich holte mir von Kanzler Schranz das Okay, um hier tiefer zu graben.

      Anschließend versendete meine Sekretärin an alle Ministerien die Aufforderung, mir binnen zwei Wochen eine detaillierte Aufstellung aller Beraterkosten zukommen zu lassen.

      Das Ergebnis war zum Fürchten.

      Im letzten Halbjahr des vergangenen Jahres gaben die einzelnen Ministerien weit über zweihundertfünfzig Millionen Euro für externe Berater aus.

      Spitzenreiter waren das Verteidigungs- und das Innenministerium gewesen.

      Jetzt wollte ich wissen, in welchen Bereichen hier beraten worden war.

      Das Innenministerium antwortete sehr schnell.

      Das Verteidigungsministerium gar nicht.

      Ich schüttelte benommen den Kopf.

      Wo zum Teufel war ich hier bloß reingeraten?

      2

      »Sobald wir im Flugzeug sitzen, sind wir Diplomaten.«

      Außenminister Köhler

      Bundeskanzler Schranz fand, es wäre eine gute Idee, mich, nachdem ich die ersten sieben Monate meiner neuen Tätigkeit überstanden hatte, ohne dass es zur Katastrophe gekommen war, endlich auf internationaler Bühne zu präsentieren. Als Feuertaufe hatte er dafür die anstehende Sicherheitskonferenz in München auserkoren. Ein Thema, das behandelt werden sollte, war der internationale Terrorismus.

      Der Außenminister fand den Einfall ziemlich blöd und das sagte er dem Kanzler auch. Aber wenn Schranz sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war es sehr schwer, ihn davon wieder abzubringen.

      Ich drückte dem Außenminister für seinen Versuch, den Kanzler umzustimmen, alle Daumen, aber es brachte nichts.

      So saß ich also mit ihm und diversen Assistenten und Personenschützern in einem Flugzeug der Regierung auf dem Weg nach München.

      Ich fühlte mich nicht wohl bei dem Gedanken, in Kürze den führenden Köpfen der Weltmächte gegenüberzusitzen. Vor allem eine mögliche Begegnung mit einem der Vollpfosten der aktuellen US-Regierung bereitete mir echte Kopfschmerzen.

      Seit dieser merkwürdige Mensch im Weißen Haus saß, war die Welt nicht mehr dieselbe.

      Man war von amerikanischen Regierungen im Allgemeinen und Präsidenten im Besonderen einiges gewöhnt. Illegale Waffendeals, Blowjobs im Oval Office.

      Alles passiert und irgendwie nicht schlimm.

      Aber dieser Typ … der log, dass sich die Balken bogen, beschuldigte ständig andere der Lüge, hielt sich für den großartigsten Präsidenten aller Zeiten und versuchte, jeden fertig zu machen, der anderer Meinung war. Anfangs versuchten die moderaten Mitglieder seiner Regierung noch zu retten, was zu retten war. Aber sie mussten schnell einsehen, dass das nicht funktionierte. Einer nach dem anderen kündigte, oder wurde öffentlichkeitswirksam gefeuert. Am Ende blieben nur geistige Zombies übrig, die dem Präsidenten jeden Tag aufs Neue versicherten, wie toll er war.

      Und genau das war es, was er hören wollte.

      Er war der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, dementsprechend entsprach das, was er sagte, der Wahrheit. Wenn er behauptete, der Mond bestehe aus gelbem Käse, dann war das Fakt. Sollten etablierte Wissenschaftler mit Beweisen auffahren, die aussagten, dass es sich bei dem Erdtrabanten um einen Gesteinsklumpen handelte, dann behauptete er, diese Beweise seien gefälscht.

      Ein ganz simples Prinzip.

      Und es funktionierte.

      Dann gab es da noch die Hardliner.

      Diejenigen, die sehr gern in den Krieg ziehen würden, um der Geschichte ihren Stempel aufzudrücken. Zu diesen gefährlichen Leuten zählten der Außenminister der Vereinigten Staaten und der Nationale Sicherheitsberater des US-Präsidenten.

      Beide würden an der Konferenz teilnehmen.

      Schranz wusste genau, was ich von diesen Leuten hielt.

      Und dennoch schickte er mich dahin.

      Vollkommen irre …

      Und mein Reisebegleiter schien meine Befürchtungen zu teilen.

      Der Außenminister, ein wirklich netter Kerl, versuchte, mich auf das bevorstehende Treffen vorzubereiten. Ich denke, es war der Versuch, einen diplomatischen Eklat zu vermeiden.

      »Das Wichtigste in der Diplomatie sind Höflichkeit, Geschicklichkeit und der feste Wille, mit anderen zusammenzuarbeiten«, erklärte der Außenminister mir, während er seinen Tomatensaft schlürfte.

      »Aha«, sagte ich. »Interessant. Und was ist, wenn die anderen nicht mit einem zusammenarbeiten wollen?«

      »Deshalb die Geschicklichkeit. Sie müssen immer wissen, was der andere will oder braucht. Und wenn er sich querstellt, geben sie ihm, was er will oder braucht. Diplomatie ist ein ständiges Tauschgeschäft.«

      »Und wenn ich das, was der andere will, nicht habe?«

      »Dann kennen sie jemanden, der es hat.«

      »Und wenn der es nicht weggeben will?«

      Ich weiß, ich konnte nervige Fragen stellen wie ein Sechsjähriger. Aber ich war schließlich hier, um zu lernen.

      Der Minister seufzte. »Herr Eichborn, jeder, der im diplomatischen Dienst ist, verfügt über ein weitreichendes Netzwerk. Es gibt immer jemanden, der etwas braucht, und es gibt ebenfalls immer jemanden, der es hat und der bereit ist, es zu geben.«

      Klang toll.

      Aber wenn dem so war, warum krachte es dann überall auf diesem Planeten?

      »In meiner Funktion als nationaler Sicherheitsberater des Bundeskanzlers bin ich nicht im diplomatischen Dienst«, wagte ich mich vor. Das war übrigens mein Hauptargument gewesen, um Schranz davon abzubringen, mir diesen Posten zu geben. Meine Unfähigkeit, diplomatisch zu sein.

      Minister Köhler lächelte. »Sobald wir im Flugzeug sitzen, sind wir Diplomaten. Egal was wir eigentlich tun.«

      »Oh …«

      Außenminister Köhler schmunzelte. »Beunruhigt?«

      »Na ja, meine Frau ist der Meinung, ich besitze das diplomatische Geschick einer Abrissbirne.«

      Er lachte laut. »Sie müssen mir Ihre Frau unbedingt mal vorstellen. Aber im Ernst, der Bundekanzler hält sehr viel von Ihnen. Und er vertraut Ihnen. Das reicht mir. Überlassen Sie mir zumindest am ersten Tag das Reden. Beobachten Sie. Hören Sie zu. Am Abend tauschen wir uns dann aus, einverstanden?«

      Ich nickte zustimmend. »Klingt nach einem guten Plan.«

      »Und nicht vergessen: Ein Diplomat ist ein Mensch, der offen ausspricht, was er nicht denkt«, erklärte mir der Außenminister mit einem Augenzwinkern.

      »Äh …«

      »Herr Eichborn, die große Kunst der Diplomatie besteht darin, sein persönliches Empfinden hintanzustellen.