»Wen?« Shaddon hatte die Zähne zusammengebissen und stieß die beide Worte gallig durch die Lücken: »Wyatt Earp!«
Der Wirt schrak förmlich zusammen. »Aber Mister, ich weiß nicht, weshalb Sie sich aufregen. Was haben Sie mit Wyatt Earp zu tun? Sie leben Ihr Leben, ich lebe mein Leben, und der Marshal lebt sein Leben.«
Da ballte Shaddon seine Faust, hieb sie auf die Theke, daß der Würfelbecher umfiel und drei Sechsen zum Vorschein kamen.
Während der Wirt verblüfft auf die Würfel blickte, die einen goldenen Ring, das heißt, drei Lagen erforderten, starrte Shaddon ihn gallig an.
»Ich habe gesagt, Sie sitzen auf dem falschen Roß, Mr. Flegger!«
Diesmal klang es schon richtig feindselig.
Es wäre dem Salooner lieber gewesen, wenn der Gast seine Freidrinks zu sich genommen hätte und dann gegangen wäre.
Aber Steve Shaddon war nicht gewillt, so leicht aufzustecken. Er schien offenbar bei seinem Lieblingsthema zu sein. Aus haßerfüllter Seele keuchte er: »Es ist schon richtig, was Ike Clanton getan hat und was er immer tun wollte. Leute wie Wyatt Earp müssen vernichtet werden. Wir brauchen keine Disteln hier in unserem Feld. Wir brauchen Ruhe und wollen in Frieden leben können. Und wer das nicht versteht, der hat kein Recht auf dieses Leben hier in unserem Lande. Soll er doch hinaufgehen in sein verdammtes Kansas, wo er hingehört.«
Der Salooner stützte sich mit beiden Händen auf die Thekenkante und döste vor sich hin. Die Worte Shaddons prallten von ihm wie stumpfe Pfeile ab. John Flegger besaß eine ausgesprochene Fähigkeit, abzuschalten.
Eine beneidenswerte Fähigkeit.
Unterdessen redete Shaddon weiter, stieß die Worte immer schneller und lauter hervor.
»Ich werde Ihnen etwas sagen, Flegger: Sein Bruder war hier Marshal. Er hat die Stadt verlassen, weil er anderwärts wahrscheinlich mehr Geld verdient…«
Unvermittelt warf Flegger ein: »Oder weil er da weniger Banditen vorfindet.«
Shaddon kniff das linke Auge ein.
»Was soll das heißen?« Mit schiefgelegtem Kopf blickte er den Wirt an.
Der Österreicher zog die Schultern hoch.
»Nichts Besonderes. Nehmen Sie es nicht wichtig, Mr. Shaddon.«
»Doch, es ist wichtig.«
Shaddon schoß die linke Hand nach vorn und preßte sie um den Unterarm des Wirtes.
Mit weit vorgestrecktem Kopf zischelte er: »Sie verstehen die Zeichen der Zeit nicht, Mister. Hier geht etwas vor, hier in Tombstone.«
»Sind Sie denn aus Tombstone?« fragte der Salooner plötzlich.
Shaddon ließ den Arm des Wirtes los und zog den linken Mundwinkel wieder auf das Auge zu.
»Nicht unbedingt. Aber das will nichts besagen. Ich lasse mich hier nieder. Und wo sich Steve Shaddon niederläßt, da herrscht Ruhe. Da gibt es keine Leute, die sich aufspielen wie dieser Earp. – Was sind das schon für Gestalten, die sich hier in unser Leben einmengen, sich um alles kümmern wollen. Sehen Sie sich doch den Kerl an, diesen aufgeblasenen Earp! Und den Doktor, den er wie einen Schatten mit sich herumschleift. Diesen unheimlichen Burschen. Sie müssen verschwinden, beide. Und dann kommt der andere dran, der oben im Office sitzt. Haben Sie ihn zum Sheriff gewählt? Dieses Ungeheuer aus Texas.«
»Ich weiß nicht, Luke Short ist ein guter Sheriff«, meinte der Salooner abwehrend.
Wieder schnellte die Hand des seltsamen Gastes nach vorn.
»Ein guter Sheriff? Sie sollten vorsichtig sein mit solchen Äußerungen, Flegger!«
Da zerrte der Salooner seinen Arm aus der feuchten Hand Shaddons.
»Hören Sie, Mister. Nehmen Sie Ihren Drink und lassen Sie mich zufrieden. Ich fühle mich nicht gut, verdammt noch mal!«
Da kam von draußen die klagende Stimme: »Jo-hon!«
»Ich habe jetzt keine Zeit, mein Bruder ruft mich. Es ist schon ein Jammer.«
Seufzend wollte er sich abwenden.
Da aber hatte Shaddon ihn wieder am Arm gepackt und zerrte ihn zu sich herum. Mit dem wilden, spuckenden Eifer des Fanatikers fauchte er dem Salooner entgegen: »Sie sollten aber die Zeichen der Zeit hier erkennen, Brother! Es kann Sie teuer zu stehen kommen, wenn Sie gegen uns sind!«
Verständnislos sah der Wirt ihn an.
»Gegen wen?«
»Gegen uns. Gegen die Übermacht! Gegen die Leute, die vernünftig sind, die in Frieden leben wollen. Wir sind eine Gemeinschaft. Ein Bund, der aus Ranchern und Cowboys besteht und aus Arbeitern und Händlern. Wir haben Menschen aus allen Kreisen in unserem Bund.«
Der Wirt musterte ihn jetzt aufmerksam und fragte argwöhnisch: »Was ist das für ein Bund?«
Shaddon ließ ihn los und stützte sich mit dem linken Ellbogen auf die Theke, wobei er den Blick abwandte und das kitschige Ölgemälde rechts an der Wand beobachtete, das einen Indianerhäuptling im Federschmuck hoch zu Roß auf einer Hügelkuppe zeigte. »Schönes Bild. Ist es zu verkaufen?« fragte er ablenkend.
Da ergriff der Wirt seinen Arm und zog ihn zu sich herum.
»Hören Sie, Mister, mich interessiert der Bund. Was ist das für ein Bund?«
»Ein Bund? Es ist kein besonderer Bund. Es ist, eh, well, es ist eine lose, eine lose Verbindung von Leuten, die eben dagegen sind, daß sich Menschen wie dieser Wyatt Earp überall breitmachen können. Wir kämpfen für die Freiheit. Man könnte vielleicht sagen, wir sind Rebellen! Ja, Rebellen sind wir!«
»Aha«, meinte der Wirt schon wieder apathisch, nahm seinen Zigarettenstummel aus dem Aschbecher und riß ein neues Zündholz an.
»Jo-hon!« kam es kläglich durch die halb offenstehende Tür aus dem Treppenhaus.
»Ach ja, ich muß jetzt gehen.«
Kaum hatte der Wirt den Schankraum verlassen, als vorn die Tür geöffnet wurde.
Shaddon warf einen forschenden Blick in den Thekenspiegel und musterte den Mann, der jetzt eingetreten war.
Es war keine gewöhnliche Erscheinung, die da im Türrahmen stand.
Ein hochgewachsener Mann im eleganten schwarzen Anzug mit weißem Rüschenhemd und schwarzer Samtschleife. Auch sein breitrandiger Kaliforniahut war schwarz und hatte wenigstens dreißig Dollar gekostet.
Das sah Steve Shaddon sofort.
Überhaupt fesselte ihn der Anblick des Fremden ungeheuer.
Der Mann hatte ein auffallend gutgeschnittenes, ja, aristokratisches Gesicht, das sehr männlich wirkte und von einem eisblauen, harten Augenpaar beherrscht wurde.
Diese Augen waren es, die Shaddon faszinierten.
Langsam kam der Mann von der Tür auf die Theke zu.
Nur wenig Zoll neben Shaddon blieb er stehen.
Obgleich Steve Shaddon den Mann nicht kannte, verspürte er doch in seiner Nähe ein sonderbares, unbehagliches Gefühl im Genick.
Der Mann überragte ihn fast um Haupteslänge und stand hochaufgerichtet, irgendwie unnahbar wirkend, neben ihm.
Shaddon hätte nie gewagt, das Wort an ihn zu richten.
Ohne darüber nachzudenken, hatte Shaddon seine Linke hochgenommen und auf die Thekenkante gelegt. Am Mittelfinger dieser Hand saß ein großer goldener Ring mit einer Platineinlage, in die ein großes Dreieck eingraviert war.
Der Blick des Mannes, der neben ihm stand, hatte die Hand nur kurz gestreift und ruhte jetzt auf der Tür zum Flur.
Da waren auf der Treppe draußen Schritte zu