Tyra, die Märcheninsel. Karl Friedrich Kurz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl Friedrich Kurz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711518403
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Beziehung wie ein ganzer Kerl auf. Er verdiente Geld. Er wird von seiner Mutter Ranveig bewundert und von seinem alten Vater Olaj schon in allen Teilen um Rat und Auskunft gefragt. — Ove regiert auf Höigaard.

      Jedoch hier auf dieser Wiese redet er mit Hjördis, Finns Tochter, die eine verzauberte Prinzessin ist, und die vor Oves Größe und Macht noch lange nicht in die Knie sinken will. Es bietet sich ihr hier eine prächtige Gelegenheit zu einem lustigen, unschuldigen Spielchen … eine feine Gelegenheit, ihre Macht und Kunst zu probieren.

      „Wozu polterst du da noch immer in deinen großen Stiefeln herum, du, Ove, und prahlst fürchterlich mit deinem Reichtum? — Was sollte dieses alles wohl bedeuten gegen ein Naturgenie, dem eine ganze Welt zujubelt …“

      Hoho! — Da wird Ove aber noch breiter in der Brust vor männlichem Stolz. Es ärgert ihn nicht wenig, daß seine Überlegenheit ausgerechnet an dieser Stelle der Erde nicht bemerkt werden soll.

      „Gott tröste dich, Mädchen!“ ruft er. „Was für idiotisches Geschwätz! Was willst denn du von der ganzen Welt wissen? Überhaupt, was für etwas? Was soll denn ein Naturgenie sein?“

      Ove ist ein hitziger Bursche, ohne jegliche Achtung vor Größe, und selbst in Damengesellschaft noch unmanierlich. Und da er nun in die vergnügten Spottaugen des Mädchens Hjördis blicken muß, schäumt sein heißes Blut über ihm zusammen. Er spuckt krachend auf die Wiese.

      „Tvii! — sei so gut, mein süßes Kind! Dort liegt dein Naturgenie in ganzer Lebensgröße …“

      Und hiermit wendet sich Ove um. Und hiermit geht er.

      Ove geht auf dem schmalen Fußpfad seinem Elternhause zu, er geht dorthin, wo er etwas gilt, wo er der Herr ist und das Regiment führt. Er wendet Hjördis seinen breiten Rücken zu und ist im Ernst beleidigt und schaut nicht mehr zurück.

      Das Mädchen Hjördis kann sich hingegen nicht halten und muß ihm noch nachrufen: „Du solltest dich bloß schämen, Ove! Du bist nichts als ein richtiger Spucknapf und dazu noch ein großschnäuziger Grobian. So wie du hätte Monrad sich niemals aufgeführt.“

      Hiermit geht auch Hjördis und ist recht vergnügt und befriedigt von ihrem Spielchen.

      Ottny jedoch wird rasend von allen diesen Begebenheiten. Und wenn sich schließlich zum Üblen noch Schlimmes hinzufügt, kann der Fall eintreten, daß Ottny ihre Nasenlöcher aufsperrt. Und es ist vielleicht doch keine Lüge, daß daraus dann Schwefelgeruch aufsteigt, wie der Hofbauer Finn es gelegentlich behauptet. Der Hofbauer verpfändet seine Seele für die Richtigkeit.

      Hört, es beginnt Ottny gewaltig mit dem Kochlöffel zu trommeln und verdächtig zu schnaufen …

      Nur ein altes gatter

      Warum aber mußte das tückische Schicksal denn ausgerechnet in diesen Tagen, an denen einer Fiedel wegen am Strande von Tyremoen alles aus dem rechten Kurs geraten will — warum mußte es den Hofbauer an das obere Gatter neben der Kätnerhütte führen?

      Hätte man sich hierüber bei Finn selber erkundigt, so hätte man wahrscheinlich vernehmen können, daß ein Hofbauer sich leider um mancherlei zu kümmern hat, und sich bei weitem nicht nur mit den Wolken am Himmel und den verschiedenen Andeutungen und Aspekten im Kalender begnügen kann. Und da wäre also dieses Gatter. Das ist mit den Jahren wirklich schadhaft geworden. Wenn das Gatter nicht mehr schließt, merken es die Schafe bald, dann schleichen sie sich aus dem Walde heraus, um Finns Haferacker, der in diesem Frühjahr — Gott sei Preis und Ehre! — ganz besonders dunkelgrün steht, abzufressen und großen Schaden zu stiften.

      Fern aller Sünde sind Finns Gedanken, als er sich des mangelhaften Gatters erinnert. Oder sollte das vielleicht schon ein Verbrechen und unsittlich sein, wenn Karen, die Witwe, mit dem Wassereimer aus ihrer Hütte tritt?

      Karen kann ja gar nicht anders, sie muß auf alle Fälle am Bauer vorbei, wenn sie hinunter zum Elv will.

      Ottny hingegen in ihrer Stube betrachtet dieses Vorkommnis mit anderen Augen. Sie betrachtet es vollkommen vom eigenen Standpunkt aus. Darum rasselt sie vor Empörung mit ihrem Brustkasten, stößt zugleich mit dem giftigen Atem die unglaublichsten Seufzer aus und ruft mit lauter Stimme alle bösen Geister zum Beistand herbei.

      Wahrscheinlich sagt in diesem Augenblicke dort oben die Witwe: „Gesegnet sei deine Arbeit, du, Finn! … Ja, dieses Gatter wurde mit der Zeit wahrlich baufällig.“

      Damit geht sie auch schon vorbei.

      Nein, bewahre! Karen blieb nicht stehen — das können die weißen Wolken am Himmel und das können alle Blumen auf der Wiese bezeugen. Karen? Ihr Fuß zögerte nicht. Sie schaute nicht länger zum Hofbauer hin als unbedingt nötig gewesen, ihm diese paar unschuldigen Worte zu sagen.

      Der Bauer Finn seinerseits muß darauf nun erwidern: „Dieses Gatter! — Es hat mich schon manches sündige Mal geärgert, sollst du wissen! Den ganzen Winter lang ging ich herum und dachte bei mir selber, ein neues zu arbeiten. Aber ich hatte doch, beim Hunde, keine Zeit, siehst du …“

      Indessen hat ja die Witwe schon mehrere Schritte gemacht. Aber sie muß nun doch ein wenig stehenbleiben; und sie antwortet nach rückwärts und sicherlich nur aus reiner Höflichkeit: „Oh — ja du! Einem Manne wie dir, Finn, mag sowohl bei Tag wie bei Nacht manches durch den Kopf gehen.“

      Jawohl! Dieses ist eine untertänige, schöne Sprache von einer Witwe einem Hofbauern gegenüber. Und somit wäre also das Gatter schon wieder vollständig in Ordnung. Der Bauer Finn hat zurzeit in dieser Gegend nichts mehr zu tun und kann sich anderen Dingen zuwenden.

      Er stapft hinter der Witwe Karen her, und — Gott helfe ihm! — vor lauter Stolz und Selbstgefälligkeit muß er ihr noch eine weitere Mitteilung machen: „Ich sollte nun bald Mannschaft haben! Monrad kann nächste Woche einmal mit mir nach Fagarö rudern. Es ist nämlich so, daß ich mich schließlich doch noch entschlossen habe, eine von diesen neumodischen Maschinen anzuschaffen — und vorläufig soll es nur eine Mähmaschine sein … Jawohl. Und wir müssen natürlicherweise das große Boot nehmen …“

      Ach, das stimmt vielleicht nicht so ganz genau. Bauer Finn hat die Mähmaschine in Wahrheit noch gar nicht bestellt. Der Handelsmann Laurentzen machte beim letzten Kirchgang nur so ein paar Bemerkungen darüber. Jedoch Karen wird von dieser strahlenden Neuigkeit völlig übermannt.

      „Oh, du, Finn — du, Finn!“ ruft sie. „Wie du nur auf alle diese großen Ideen und Einfälle kommst! Und, Finn, für wie ungeheuer Vieles du stets die Geldmittel hast.“

      „Nun?“ entgegnete Finn, „soll denn das Pferd den ganzen Sommer über nur so in der Wildmark herumlaufen und wiehern und die Mähne schütteln und sich einen runden Bauch anfressen, während wir armen, geplagten Menschen rackern und schuften?“

      „Ja, darin hast du wieder vollkommen recht“, nickt Karen.

      Da man unter solchen Redensarten in die Nähe des Hauses gelangte, beschleunigt die Witwe ihre Schritte, zieht ein wenig den Kopf zwischen die Schultern und schaut scharf auf den Weg, damit sie an keinen Stein stößt.

      Und Finn, dieses große gutmütige Kind mit dem Vollbart, hat solcherart wieder ein paar frohe Minuten erlebt. Wie oft schon hat doch diese blasse Witwe den mächtigen Mann von Tyremoen mit ein paar guten, bewundernden Worten getröstet und sein Gemüt leicht und hoffnungsvoll gemacht.

      Kann das nun alles miteinander frevelhaftes Gelüste oder verbotene Frucht oder Ehebrecherei genannt werden?

      Hört jetzt nur Ottny an! Die faucht wie ein Feuerberg, die schießt in ihrer Stube herum wie eine Rakete. Sollte es nur noch ein klein wenig so weitergehen, muß sie völlig platzen und in die Luft fliegen.

      Wenn der Bauer Finn ahnungslos und mit Engeln im Herzen eintritt und in weichem Tone fragt: „Hast du, Frau, wohl mein Dolchmesser irgendwo gesehen? Ich war dort oben am alten Gatter, da merkte ich, daß ich das Messer nicht mehr bei mir hatte …“

      Hier kann Ottny sogleich aufwarten: „Das Messer? — Daß du das überhaupt