Im Sternbild des Zentauren. Verena Rank. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Verena Rank
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960894230
Скачать книгу
Weg.

      Uns beiden ist klar, dass der Englische Garten um vier Uhr morgens nicht gerade der sicherste Ort ist. Aber es ist eine herrliche, sternenklare Nacht und deswegen entschließen wir uns spontan, zu Fuß nach Hause zu gehen. Und der kürzeste Weg führt durch den Park. Wir sind noch gar nicht weit gekommen, da beschleicht mich ein ungutes Gefühl, ob unsere Entscheidung die richtige war. Nicht selten passieren hier Überfälle und dergleichen. Sabrina scheint denselben Gedanken zu haben.

      „So schön wie der Englische Garten tagsüber ist, umso gruseliger finde ich ihn in der Nacht“, sagt sie leise und ich spüre ihr Unbehagen. Ich lege einen Arm um ihre Schultern und ziehe sie an mich.

      „Keine Angst, ich pass schon auf dich auf“, versuche ich sie zu beruhigen, während wir automatisch unsere Schritte beschleunigen. Als wir am Monopteros vorbeikommen, muss ich dennoch innehalten und sehe hinauf, wo der kleine Rundtempel von Scheinwerfen beleuchtet wird und strahlend schön auf seinem Hügel thront.

      „Wahnsinn, wie geil das aussieht“, wispere ich wie gebannt. Die Sichel des zunehmenden Mondes und ein atemberaubender Sternenhimmel über dem Monopteros verzaubern die gesamte Umgebung in etwas Mystisches, Märchenhaftes. Wieder einmal erfasst mich diese vertraute, eigenartige Sehnsucht, die ich nicht erklären kann. Meine Gedanken sind plötzlich wieder bei der jungen Frau mit den grünen Augen, die ähnliche Gefühle in mir auslöst, und ich seufze auf.

      „Denkst du an Fräulein Grünauge?“, fragt Sabrina, worauf ich sie erstaunt ansehe.

      „Woher weißt du das?“

      Sabrina kichert, während wir unsere Schritte langsam wieder aufnehmen und weitergehen. „Ich kenne dich doch“, antwortet sie. „Wenn ich nicht ganz sicher wüsste, dass du wirklich nur auf Männer stehst, würde ich sagen, du bist verliebt.“

      Ich schüttle vehement den Kopf.

      „Nein, solche Gefühle sind das nicht“, erwidere ich rasch. „Ich kann dir das nicht erklären, aber ich weiß irgendwie, dass wir eine Verbindung zueinander haben. Nicht auf romantische Art … aber ich spüre eindeutig, dass sie eine Rolle in meinem Leben spielt.“

      „Vielleicht ist sie wirklich deine Schwester“, sagt Sabrina nachdenklich. „Wir wissen ja nicht, ob deine Mutter nochmal Kinder bekommen hat.“

      „Wenn sie diese auch im Stich gelassen hat …“, erwidere ich deprimiert und schüttle den Kopf. „Ich muss versuchen, mit ihr zu sprechen. Aber sie verschwindet ja jedes Mal von einem Moment auf den anderen.“ Ich seufze schwermütig, worauf mich Sabrina sanft in die Seite stößt.

      „Hey komm, jetzt lass uns nach Hause gehen. Und dann teilen wir uns erstmal das letzte Stück der Geburtstagstorte“, sagt sie aufmunternd, während unsere Schritte im Kies knirschen. „Dein Vater hat Recht, Alkohol macht hungrig.“

      „Daran hab’ ich auch grad gedacht“, antworte ich grinsend. „Ich freu mich jetzt richtig darauf. Und auf ein warmes Bett.“

      Obwohl es erst Anfang August ist, hat der Regen der letzten Tage die Luft ganz schön abgekühlt und ich fröstele etwas in meinem Hemd. Eine leichte Brise verstärkt das Gefühl noch. Plötzlich hören wir Schritte hinter uns, die immer schneller werden. Ich sehe mich flüchtig um und entdecke ein paar dunkel gekleidete Gestalten in einiger Entfernung. Sofort beschleicht mich ein mulmiges Gefühl und ich nehme Sabrinas Hand. „Komm, wir sollten echt sehen, dass wir von hier fortkommen.“

      Als die Gruppe direkt hinter uns ist, ziehe ich Sabrina zur Seite und hoffe, dass die Typen vorbeigehen, doch im nächsten Moment packt mich jemand am Arm.

      „Hey, Arschloch, bleib stehen!“

      Ich fluche innerlich, während Sabrina ein ersticktes Geräusch von sich gibt. Als ich mich umwende, erkenne ich, dass es sich um eine Horde Halbstarker handelt, nicht älter als siebzehn, oder achtzehn. Der Junge, der immer noch den Ärmel meiner Jacke festhält sieht mich hasserfüllt an. „Geld her!“, befiehlt er, „alles, was du hast. Und deine kleine Freundin hier auch.“ Er wirft einen Blick auf Sabrina und grinst süffisant. Ich entreiße ihm meinen Arm und schüttle den Kopf.

      „Verzieht euch!“

      Jetzt kommen auch die anderen bedrohlich näher, während der Typ vorschnellt und mich wieder am Arm packt.

      „Ich mache keinen Spaß, Alter! Geld her, oder ich stech’ dich ab, Mann!“ Er sieht sich kurz zu seinen Kumpels um und fügt dann hinzu. „Und dann ficken wir deine Freundin.“

      Der Zorn überrennt mich so heftig, dass ich nicht darüber nachdenke, was ich mache und wie dumm das von mir ist. Anstatt den Typen einfach unser Geld zu geben, schlage ich zu und verpasse ihm einen heftigen rechten Haken, sodass er zu Boden geht. Sabrina schreit auf, als einer der anderen auf mich zustürmt. Ich wappne mich dafür, nochmal zuzuschlagen, als ich plötzlich die Klinge eines Messers im Schein der Straßenlaterne aufblitzen sehe. Und dann passieren mehrere Dinge auf einmal. Ich schiebe Sabrina mit einem Arm schützend hinter mich, während sie sich an mich klammert und mich gleichzeitig zurückziehen will. Es ist völlig verrückt, aber aus einem übermächtigen Instinkt heraus greife ich nach meinem Edelstein, anstatt die Hand mit dem Messer abzuwehren, die gerade auf mich niedersaust. Ich schreie auf, als ein heftiger Schmerz in meine Brust fährt. Meine Augen tränen und ich ringe nach Luft, während die Typen und der Englische Garten vor mir zu verschwimmen beginnen. Ich registriere noch, dass der Stein in meiner Hand vibriert und heiß wird, dann falle ich mit Sabrina durch einen Ring aus gleißendem Licht. Mein Hemd fühlt sich nass auf meiner Haut an und ich ahne, dass es Blut sein muss. Sämtliche Geräusche verstummen und werden durch einen immer lauter werdenden Pfeifton abgelöst, bis dieser schließlich ebenfalls verklingt und alles um mich herum in einer schwarzen Nebelwolke verschwindet. Ich merke, wie mir der Edelstein aus der Hand rutscht und versuche vergeblich die Augen offen zu halten, aber ich verliere den Kampf und drifte davon …

      Mytherra, Schimmerwald …

      Hektor

      Lilaja und ich wollen uns gerade am Teich verabschieden, als in unmittelbarer Nähe plötzlich ein Krachen zu hören ist, das dem eines Blitzschlages gleicht. Wir fahren erschrocken herum und ich sehe gerade noch das Licht, das die Umgebung kurz erleuchtet. Dann ist es gespenstisch still. Wir sehen uns fragend an.

      „Bei den Göttern, was hat das zu bedeuten?“, wispere ich beunruhigt.

      „Das hörte sich eben ganz danach an, als hätte jemand ein Portal benutzt“, erwidert Lilaja angespannt und sieht sich vorsichtig um, als könne uns jemand belauschen. „Komm!“

      Noch bevor ich fragen kann, was sie vorhat, sprintet sie leichtfüßig los und ich folge ihr. Es dauert nicht lange, bis wir finden, wonach wir suchen. Auf dem Waldboden liegen zwei Gestalten und als wir näherkommen und ich mehr erkennen kann, stockt mir kurz der Atem.

      „Menschen!“, stoße ich hervor, während ich die Hufe in die Erde schlage und schockiert innehalte. Lilaja blickt sich hektisch um.

      „Ein Mann und eine Frau. Wer hat sie hergebracht? Und warum?“, fragt sie aufgeregt. „Menschen können alleine doch nicht durch ein Portal reisen!“

      Ich zucke mit den Schultern. „Sie scheinen aber alleine zu sein. Was kümmert das uns?“ Ich möchte ihr sagen, dass wir von hier verschwinden sollten, doch Lilaja eilt geradewegs zu den offensichtlich Bewusstlosen und neigt sich zu ihnen hinunter. Ein Laut der Entrüstung weicht aus meiner Kehle. „Was machst du denn? Bleib weg von ihnen!“ Fassungslos beobachte ich, wie Lilaja prüft, ob die Frau noch atmet.

      „Sie scheint nicht verletzt zu sein.“ Anschließend widmet sie ihre Fürsorge dem Mann. „Oh mein Gott, da ist Blut!“ Sie schiebt seine Oberbekleidung zur Seite und keucht erschrocken auf. Lilaja fixiert die gläserne Phiole, die an meinem Hals an einem Lederband baumelt. „Den Heiltrank! Gib ihn mir … bitte, Hektor!“

      Im ersten Moment glaube ich mich verhört zu haben. Als mich Lilaja erwartungsvoll ansieht, schüttle ich