Im Sternbild des Zentauren. Verena Rank. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Verena Rank
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960894230
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und es herausziehe.

      „Mir ist das jetzt echt zu blöd“, sage ich zu Sabrina, die ebenfalls aufgestanden ist. „Ich sehe, ob ich jemanden erreiche, der uns abholen kann.“ Nachdem ich den Homebutton gedrückt und mein Handy entsperrt habe, stelle ich fest, dass ich kein Netz habe und fluche unterdrückt. „Wo ist der Ausgang?“, frage ich Lilaja. „Ich hab’ hier drinnen keinen Empfang.“ Ich zeige ihnen mein Handy, worauf mich beide mit großen Augen anstarren.

      „Was ist das?“

      „Woher kommt das Licht?“

      „Steck das Handy weg!“ Sabrina sieht mich warnend an und verdreht die Augen. Mittlerweile ist der Zentaur so nahe, dass ich feststelle, dass ich ihm vermutlich nicht mal bis zur Schulter reiche. Heilige Scheiße, er ist verdammt beeindruckend.

      „Was ist das für ein Ding?“, fragt er herausfordernd und mustert mich argwöhnisch.

      „Damit kann ich jemanden anrufen und zum Beispiel sagen, dass er mich abholen soll“, antworte ich möglichst selbstsicher. „Aber es funktioniert hier drinnen nicht. Also vergiss es einfach.“ Ich stecke das Handy in die hintere Tasche meiner Jeans und schüttle seufzend den Kopf.

      Der Zentaur scheint vorerst zufrieden, dennoch beäugt er mich skeptisch.

      „Also, was ist das nun, was du uns zeigen sollst?“, fragt er noch einmal und blickt zwischen mir und Sabrina hin und her. Auch Lilaja tritt nun näher und mustert mich erwartungsvoll.

      „Jetzt zeig es ihnen schon“, drängt Sabrina erneut. „Hast du dir schon mal ihre Augenfarbe genauer angesehen?“ Sie macht eine ausholende Handbewegung, die den Zentauren, sowie Lilaja umfasst. Ich habe natürlich schon bemerkt, dass die Augen der beiden so intensive Farben haben, wie meine, aber ich weiß noch nicht, was das zu bedeuten haben könnte. Lilajas Iriden besitzen die Farbe von einem wolkenlosen Sommerhimmel, während die des Zentauren aussehen, als hätte man ihm strahlende Aquamarine eingesetzt.

      „Na schön.“ Ich hebe die Hände und taste mit Daumen und Mittelfingern nach meinen Kontaktlinsen. Vorsichtig ziehe ich sie von meinen Augäpfeln und sehe den beiden so selbstsicher wie möglich entgegen.

      „Bei den Göttern!“ Lilaja gibt ein überraschtes Keuchen von sich, während dem Zentauren die Kinnlade herunterklappt.

      „Seine Augen besitzen das göttliche Licht“, sagt er sichtlich verblüfft. „Der Farbe nach zu urteilen könnte seine Mutter ein Naturgeist sein. Eine Dryade?“

      „Ich … nehme es an“, antwortet Lilaja stockend, ohne den Blick von mir abzuwenden. „Auf jeden Fall muss er ein Halbblut sein.“

      Ich bin völlig verwirrt, das alles ergibt keinen Sinn für mich. Ich warte immer noch darauf, dass ein Typ irgendwo hervorspringt und ruft: „Versteckte Kamera!“, aber der sehr realistische Anblick des Zentauren macht meine Hoffnung zunichte.

      „Halbblut?“, frage ich mit spottendem Unterton. „Warten wir jetzt noch auf die Eule, oder geht es gleich nach Hogwarts?“

      Ich ernte verständnislose Blicke, während mir Sabrina einen Schlag gegen die Schulter versetzt.

      „Falsche Welt, Dummie“, zischt sie und kichert leicht hysterisch.

      „Sorry, ich komm’ grad überhaupt nicht klar“, erwidere ich. „Ich meine, findest du das alles normal, oder was?“

      „Ach was ist schon normal?“, fragt sie mich zurück. „Ich meine, hallo? Gerade du solltest dich nicht wundern. Du sprichst mit Pflanzen!“ Kaum hat sie es ausgesprochen, schlägt sie sich die Hand vor den Mund und murmelt ein „Ups!“

      Ich sehe Sabrina geschockt an, mir wird heiß und kalt zugleich.

      „Du kommunizierst mit Pflanzen?“, fragt Lilaja aufgeregt. Ich fühle mich so überrumpelt, dass ich nicht sofort antworten kann und nur wie blöd nicke.

      „Ben hört ihre Stimmen, wenn sie in Gefahr sind und er kann sie heilen und sogar neu wachsen lassen! Ist das nicht abgefahren?“, erwidert Sabrina aufgeregt an meiner Stelle.

      „Faszinierend“, murmelt Lilaja und beäugt mich mit einem hingerissenen Seufzen.

      „Deswegen ist und bleibt er trotzdem ein Mensch!“, donnert der Zentaur plötzlich und schlägt mit seinem rechten, vorderen Huf so hart in den Boden, dass wir alle erschrocken zusammenzucken. „Die beiden gehören nicht hierher!“

      „Das sagtest du bereits mehr als einmal! Ich kann es sowieso nicht erwarten, von hier wegzukommen!“, zische ich zurück und funkle ihn böse an. „Mann, was bildest du dir eigentlich ein? Langsam gehst du mir gewaltig auf die Nerven!“

      „Ich zertrete dich, wie eine Made!“, brüllt der Zentaur und macht Anstalten, seine Worte in die Tat umzusetzen, aber die Schreie von Lilaja und Sabrina können ihn zurückhalten.

      „Schluss damit!“, ruft Lilaja wütend. Sie ist etwas kleiner und zierlicher als Sabrina und trotzdem stellt sie sich furchtlos und mit erhobenem Kinn zwischen uns und streckt die Arme nach beiden Seiten aus. „Hört sofort auf, ihr Streithähne! Hektor, dein Hass auf die Menschen hat hier nichts zu suchen. Ben ist zur Hälfte Mytherrianer, er hat schon einmal einen Portalstein von seiner Mutter bekommen. Wir müssen herausfinden, wer sie ist und wo wir sie finden, nur dann haben Sabrina und er eine Chance, in ihre Welt zurückkehren zu können.“

      Hektor knirscht mit den Zähnen. „Besser heute, als morgen“, zischt er ungehalten. „Ich frage mich wirklich, was uns das angeht.“

      Ich will ihm sagen, dass er sich zum Teufel scheren soll und dass wir seine Hilfe nicht brauchen, aber ich lasse es. Ich merke, dass Lilaja um Haltung ringt, weil sie den Streit nicht erneut entfachen will. Ich weiß zwar nicht, warum sie mit diesem Zentaurenarschloch befreundet ist, aber ich akzeptiere es und schweige.

      „Dass Ben göttlich ist, steht außer Frage, sonst hätte er kein Portal öffnen können“, sagt Lilaja, als wir uns alle etwas beruhigt haben. „Auch seine smaragdfarbenen Augen und seine Gabe lassen keine Zweifel offen. Die Frage ist nur, wer seine Mutter ist und wo wir sie finden.“

      „Göttlichen Ursprungs“, wiederhole ich verwirrt, meine Gedanken kreisen wie verrückt, mir wird leicht schwindelig.

      „Nur Götter, Halbgötter und deren Nachkommen besitzen leuchtende Augenfarben, wobei die Intensität mit jeder Generation nachlassen kann“, erklärt sie. „Zentauren sind zum Beispiel Halbgötter des Himmels.“ Sie zeigt auf Hektor.

      „Und du bist ebenfalls göttlich“, sagt Sabrina plötzlich und mustert Lilaja bewundernd. „Ich vermute, du bist eine Najade und an diesen See hier gebunden?“ Sie zeigt auf den sanften Wasserfall, der die Grotte in einiger Entfernung von draußen abschirmt. Ich folge ihrem Blick, das Wasser fällt mir erst jetzt auf.

      Lilaja begegnet Sabrina mit erstauntem Blick.

      „Du bist sehr weise, Menschenkind.“

      Der Zentaur schnaubt im Hintergrund, aber ich versuche ihn zu ignorieren.

      „Ja, ich kenne mich ein wenig aus“, erwidert Sabrina sichtlich stolz und grinst von einem Ohr zum anderen.

      „Meine Mutter …“, murmle ich fahrig und schüttle aufgeregt den Kopf. „Ich muss wissen, wer sie ist!“

      „Ohne sie seid ihr in unserer Welt gefangen“, sagt Lilaja vorsichtig. „Nur sie könnte dir einen neuen Portalstein geben, wenn du deinen ersten von ihr hattest.“

      „Aber wir wissen doch gar nichts von ihr!“ Sabrina starrt mit aufgerissenen Augen zwischen uns hin und her. „Sie kann ja sonst irgendwo sein und vielleicht hat sie gar keinen Stein mehr. Ich meine, können wir nicht irgendwo anders so ein Ding herbekommen und dann von hier verschwinden?“

      Hektor

      „Menschen!“, speie ich verächtlich aus und lehne mich mit der Schulter an eine der kühlen Felswände, während ich die Arme vor der Brust verschränke. „Klar,