Das deutsche Herz. Adolf Schmitthenner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Adolf Schmitthenner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788726642926
Скачать книгу
stieß einen markerschütternden Schrei aus und, vorgebeugt, hielt sie sich zitternd fest an ihrem Gatten.

      „Sieh! sieh! dort!“ stammelte sie.

      „Es ist nichts“, sagte er erschüttert.

      „Doch! Eine Gestalt — eine Frau ist aus der Mauer getreten, mir in den Weg, und sie hat die Hände erhoben, so, Friedrich, so, wie du mir vorhin gezeigt hast.“

      Der Junker sank in die Knie. Es sträubten sich ihm die Haare.

      „Geh!“ rief er, und wie ein Flüchtiger drängte er sein Weib in die Stube zurück.

      Er stellte das Licht auf den Tisch und ging einigemale im Zimmer auf und nieder. Dann ging er mit festen Schritten durch den finsteren Gang und schloß das auf- und zuschlagende Fenster. Ursula ergriff die Leuchte und hielt sie ihm zum Rückweg entgegen. In der Mitte des Ganges bückte er sich und hob etwas vom Boden auf. Er brauchte dazu längere Zeit, als dieses Geschäft erfordert hätte. Als er das Ding in der Hand hielt, schüttelte er den Kopf, sah an der Wand empor und schüttelte den Kopf von neuem. Als er in die Stube trat, sah er so bleich aus wie ein Mensch, der ein Gespenst gesehen hat.

      Ursula bemerkte die Wandlung bei ihrem Manne, und jetzt wurde sie ruhig und sicher.

      „Verzeih mir, Geliebter“, sagte sie zu ihm. „Ich war eine Törin, aber es ist vorbei. Laß mich dir leuchten und komm!“

      Sie wollte voraus in den Gang hinein. Er aber war ans Fenster getreten.

      Sie stellte die Lampe auf einen Stuhl und trat zu ihm.

      „Das Gewitter ist näher gekommen. Wie es blitzt! Der ganze Himmel ein Feuer. Aber noch regnet es nicht. Das Wetter steht noch hinter dem Berg.“

      Friedrich schwieg.

      „Sind auch unsere Gäste alle gut untergebracht? Ich weiß, sieben Herrschaftshäuser und zwei Wirtshäuser hast du dazu eingerichtet. Vortrefflich, ich weiß es, aber ich bin doch etwas in Sorge. Meine Muhme, die Degenfeld, ist so heikel.“

      „Wenn ich nur jemand hätte, den ich schicken könnte“, sagte Friedrich, „so ließe ich jetzt allsogleich den Trompeter holen, um ihn etwas zu fragen.“

      „Was hast du mich doch über das Fragen gelehrt?“ sagte Ursula lächelnd.

      „Aber alle meine Leute sind drunten; nur der Wärtel ist da, vielleicht auch sein Knecht, aber wahrscheinlich nicht.“

      „So geh doch selbst!“

      „Ich dich verlassen?“

      „Ich gehe mit dir, lieber Herr!“

      Friedrich zog sie an sein Herz.

      „Nein, ich schicke morgen einen reitenden Boten mit einem ledigen Gaul nach Kirchheim. Sie spielen dort auf. Dann ist er gegen Mittag hier.“

      „Und nun?“ fragte Ursula nach einer Pause. „Lieber Herr!“

      „Warum sagst du jetzt so zu mir?“

      „Ich weiß nicht, wie ich dich fassen soll, damit du wieder —“

      Sie brach ab und wurde blutrot.

      Er rührte sich nicht.

      Sie schmiegte sich an ihn und flüsterte: „Es ziemt sich nicht, daß die Braut — komm!“

      „Ja, komm!“ seufzte er und ging vom Fenster.

      „Wohin?“ fragte sie betreten und sah ihn mit großen Augen an.

      „Laß mich!“ sagte er und trat wieder hinaus auf den Altan.

      „Willst du eine nasse Braut in dein Bett tragen?“ fragte sie ihn verwundert und folgte ihm.

      Und nun standen sie wieder draußen und schauten hinunter ins Tal.

      Es lag ganz finster. Die Fackeln am Strande zeigten, wie schwarz die Nacht war. Das Gewitter war näher gekommen. Unaufhörlich flammte es hinter den Bergen vor, und das Rollen des Donners hatte keine Pause. Es rauschte in der Schloßlinde, und ein Weben und Sausen kam vom Walde herüber. Aber noch führte der Sturm nur Staub und Blätter mit sich. Noch war kein Tropfen gefallen.

      Vom Strande her hörte man das Sprechen und Rufen arbeitender Männer. Sie schlugen die Zelte ab und brachten die Fässer und Kannen unter Dach und Fach. Die Häuser der Stadt waren noch alle hell erleuchtet. Die Musik spielte in einem der Wirtshäuser.

      „Sie können nicht genug bekommen“, sagte Friedrich. „Aber es ist mir lieb, daß die Musikanten hierbleiben.“

      „Grausig schön müßte es sein, in dieser Nacht den Neckar hinunterzufahren.“

      „Schön, aber gefährlich, denn wenn die Wetterbraut in den Neckar fällt, wird er wild. — Ich wüßte die Leute nicht gern heute nacht auf dem Fluß. Es ist die Johannisnacht. — Es ist ein wunderlich Ding. Ich glaube nicht dran, aber es schaudert mich doch. — So ist es auch mit dem Strauße hier. Es ist ein Wetterstrauß. Hätte er ihn mitgenommen, so wäre ich ruhiger. Nun lag der Strauß in der Burg, und zwar seltsamerweise —“

      Friedrich brach ab.

      „Was bewegt dich so? Ich versteh’ dich nicht. Wovon redest du?“

      „Von diesem Sträußchen hier. Der Trompeter hat es am Wams getragen. Ich habe es wohl bemerkt. Und nun lag es mitten im Gang, hart an der Mauer.“

      „Was ist daran Wunderliches? Lieber, ich muß über dich lächeln.“

      „Es sind Himmelfahrtsblumen. Sie sind selten und werden in diesen Tagen von den Leuten im Wald gesucht. Sie wachsen an liebsten unter hohen Eichen, die der Blitz getroffen hat. Man sagt, daß sie aus Wettersamen sprießen und daß sie bei Sturm und Blitz Schutz gewähren. Aber wie kommt der Strauß dorthin?“

      „Das ist leicht zu erraten“, sagte Ursula. „Der Trompeter hat ihn verloren.“

      „Er hat ja den Gang gar nicht betreten! Keines Menschen Fuß hat ihn betreten außer mir. Die unser Zimmer bereiteten, kamen vom Turm hinein. Den Schlüssel zum Gang trug ich in der Tasche.“

      „Oh, ich weiß“, rief Ursula; sie rief es fröhlich, denn es war ihr ein Anliegen, daß ihr Herr wieder froh wurde.

      „Du hast ja die Tür geöffnet, als sie uns im Zuge hingeleiteten. Ich habe nicht hingesehen, denn ich verbrannte vor Scham. Aber der Trompeter hat hineingeschaut, und da er wußte, daß dort unser Brautgemach ist, hat er die Blumen in den Gang geworfen, damit wir sicher ruhen in Sturm und Wetter.“

      Ein greller Blitz, ein heftiger Donnerschlag. Friedrich sah erdfahl aus im Wetterschein.

      „Warum gerade dorthin?“ schrie er in das Krachen des Donners.

      Als der Donner verrollte, ergriff er heftig Ursulas Hände und drückte sie, aber seine Stimme war sanft geworden.

      „Oh, jetzt weiß ich es“, sagte er leise. „Der Herr hat’s ihn geheißen.“

      Ursula sah angstvoll zu ihrem Gatten auf.

      „Friedrich, weder ich noch du haben uns heute früh vorgestellt, daß wir um Mitternacht auf dem Altane stehen würden. Muß ich es sein, die zum Gehen mahnt?“

      Er schüttelte abwehrend mit dem Kopf und lauschte ins Tal hinaus.

      Zwei Burschen kamen singend vom Städtchen her, auf der Straße, die unten an der Burg vorüberführt gen Langental. Jeden Ton, jedes Wort konnte man verstehen, denn das Gewitter schwieg; es schien sich zu entfernen.

      „Wohlan, so heben wir wiederum an

      Vom Herrn zu Handsschuchheime,

      Wie ihn der wilde Hirschhorn erstach

      Auf dem Markt zu Heidelberge.“

      Der Ritter trat seufzend von der Brüstung und lehnte sich an die Mauer. Ursula warf sich ihm um den Hals, dann hielt sie ihm in krampfhafter Heftigkeit mit ihren Händen