Wendungen des Schicksals: Körper & Seele. Sloane Kennedy. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sloane Kennedy
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960894254
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ließ Oz keine Gelegenheit zum Antworten. Stattdessen griff ich nach seinem Arm und führte ihn zu meiner Hütte. Als er die Türschwelle überschritt, krampfte sich mein Magen zusammen. Es war, als hätte ich etwas Dummes getan, einfach nur, weil ich ihn mein Refugium betreten ließ. Etwas wirklich Dummes. Und das letzte Mal, als ich etwas Dummes getan hatte, hatte es jemand mit seinem Leben bezahlt.

      Kapitel 3

      Oz

      Jakes Hütte war einfach nur grauenhaft. Durch und durch schrecklich. Hier drinnen gab es nichts, das nicht staubig, marineblau, schwarz oder grau war. Sogar die wenigen Bilder an den Wänden waren Schwarz-weiß-Fotografien. Ich fühlte mich, als wäre ich am Drehort eines Film noir gelandet. »Wow …. Du … Ähm, lebst du schon lange hier?« Ich erblickte ein braunes Ledersofa links neben der Eingangstür und einen einfachen Holztisch mit zwei Sesseln zu meiner Rechten. Die Hütte schien genau denselben Grundriss zu haben wie meine. Also nahm ich an, dass es weiter hinten ein Schlafzimmer und ein Badezimmer gab. Eine Art notdürftig gezimmertes Holzregal war neben der Tür. Es enthielt Outdoor-Equipment. Ich erkannte Skischuhe, einen großen Campingrucksack und Schneeschuhe. Schon immer hatte ich mich gefragt, ob Schneeschuhe tatsächlich existierten oder ob es die nur in Filmen gab. Sah so aus, als bekäme ich jetzt meine Antwort.

      »Seit etwas über zwei Jahren«, sagte er und griff an mir vorbei, um den Lichtschalter zu betätigen. Eine einzelne grelle Deckenlampe ging an. Irgendwie ließ sie den Raum sogar noch weniger einladend wirken als zuvor.

      »Oh. Du bist wohl nicht so ein Stubenhocker, was? Verbringst du nicht viel Zeit hier?« Ich schlenderte zum gemauerten Kamin und suchte nach irgendwelchen persönlichen Gegenständen. Es gab keine. Nur zwei halb heruntergebrannte Kerzen auf einem Teller, daneben eine Schachtel Streichhölzer. Außerdem einen Metalleimer mit alten Zeitungen und kleinen Holzstückchen. In einer Ecke der Hütte war auf einem kleinen Tisch ein Bücherstapel aufgetürmt.

      »Ich bin einfach gern allein.«

      Mir entging nicht, dass er meine Frage nicht beantwortet hatte. Ich konnte nicht anders, als mich zu fragen, ob seine Worte eine Art Warnung gewesen waren. Aber nach drei Tagen ohne menschliche Interaktion war ich schon völlig verzweifelt. Außerdem würde mir ein Gespräch dabei helfen, diesen wundervollen Mann nicht anzuschmachten, während er ein Feuer im Kamin entfachte. »Also, was machst du damit?« Ich deutete auf das Outdoor-Equipment in der Ecke. »Du verbringst anscheinend mehr Zeit draußen als drinnen.« In meinen Gedanken klang diese Frage irgendwie viel anzüglicher, als ich sie gemeint hatte. Ich musste mir ein Kichern verkneifen. »Im Sommer bin ich viel draußen unterwegs. Ich leite Campingausflüge und Abenteuerwanderungen. Aber im Winter … Na ja, ich lese viel«, erklärte er zögernd. Sobald das Feuer brannte, schlüpfte er aus dem Mantel und hängte ihn an einen hölzernen Haken neben der Tür. Er stolperte fast über Boo und begann zu fluchen. »Lauf mir nicht zwischen den Füßen herum, Cujo. Sonst bekommen wir Probleme miteinander.« Seine Stimme klang allerdings nicht wirklich ärgerlich.

      »Hey«, sagte ich und nahm Boo auf den Arm. »Für dich immer noch Prinzessin Cujo.« Weil ihr Pullover nach Rauch stank, zog ich ihn ihr aus und warf ihn neben die Eingangstür.

      »Heilige Scheiße, was stimmt mit ihr nicht?«, fragte Jake.

      »Was meinst du?« Ich hob Boo höher, sodass sie meine Nase ablecken konnte. »Sie ist perfekt«, sagte ich liebevoll. »Sie sieht aus wie etwas, das ein echter Hund gegessen und wieder hochgewürgt hat.«

      Jake kam näher, um einen besseren Blick auf Boo zu haben. »Warum sind all ihre Haare auf ihrem Kopf?«

      Ich schubste ihn leicht und zuckte zusammen, als mein Handgelenk schmerzhaft protestierte. »Halt die Klappe«, erwiderte ich und lachte. »Sie ist ein Chinesischer Schopfhund. Die haben am Körper keine Haare.«

      Er hob die Augenbrauen.

      Als ich meinen Hund musterte, wurde ich wieder ernst. Ich wuschelte durch das spärliche, wirre Fell auf dem Kopf. »Manche Leute mögen sie wegen ihrer einzigartigen Erscheinung. Manche machen sich über sie lustig, weil sie nicht ihren Vorstellungen entspricht. Aber niemand sieht, wie viel mehr sie ist.« Ich schüttelte den Kopf.

      »Was meinst du?«, hörte ich Jake fragen.

      Ich konnte nicht anders, als zu lächeln. »Sie ist meine Freundin. Boo freut sich immer, mich zu sehen. Es ist ihr egal, ob ich zu dünn bin oder zu dick, ob ich schlechte Laune habe oder viel zu viel Arbeit.« Ich hielt inne und hob dann endlich den Blick, um ihn anzusehen. Überrascht bemerkte ich, dass er deutlich näher gekommen war. »Sie mag äußerlich nicht schön und perfekt sein, aber ich versichere dir, dass sie das innerlich ist.«

      Ich sah verwundert dabei zu, wie er die Hand hob und mit seinen großen Fingern über Boos Kopf streichelte. Sie knurrte ein bisschen und sah ihn misstrauisch an, schnappte aber nicht nach ihm, wie ich es erwartet hatte. »Nun, Prinzessin Cujo, ich nehme alles zurück«, murmelte er. Er sprach zwar mit dem Hund, sah aber dabei mich an, und leichtes Kribbeln breitete sich in meinem Körper aus. Es war, als würden wir ewig so dastehen. Endlich sagte er: »Setz dich und lass mich die Verbrennung mal ansehen. Magst du etwas trinken?«

      »Nein, danke, ich will nichts.« Ich setzte Boo wieder ab, ging zu dem kleinen Tisch und nahm dort Platz. Neugierig spähte ich durch den Türbogen in die kleine Küche. Ich erblickte ein zweckmäßiges weißes Küchenhandtuch über der Backofentür. Die Arbeitsflächen waren blitzsauber und nicht ein einziger dreckiger Teller stand herum.

      Jake quetschte sich an mir vorbei und zog eine schwarze Stofftasche unter einem Regal hervor. Als er zum Tisch zurückkehrte und sie öffnete, erblickte ich eine gut sortierte Erste-Hilfe-Ausrüstung. Eine, die ein Sanitäter oder Arzt besitzen würde.

      »Gibt es hier oben öfter Verletzungen zu verarzten?«, fragte ich in einem Versuch, die Situation etwas aufzulockern. Außerdem hoffte ich, ein Gespräch würde mich davon ablenken, dass ich ihn eigentlich zu mir heranziehen und küssen wollte. Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass ich jemals jemanden so schnell so unbedingt gewollt hatte.

      »Mhm«, grummelte er und kramte in der Tasche herum, bis er anscheinend fand, wonach er suchte. Er öffnete eine Verbandspackung und eine Flasche mit destilliertem Wasser, dann zog er sich ein Paar Gummihandschuhe über. Nur einen Moment später drückte Jake sanft eine kühle, nasse Kompresse gegen die Verbrennung an meinem Handgelenk.

      »Ich bin so ein Idiot«, murmelte ich. »Es tut mir leid, dass ich dir so viele Umstände mache. Normalerweise kann ich ganz gut auf mich selbst aufpassen, weißt du?«

      »Ist das so?«

      Ich hob den Blick und wollte ihn schon wütend anfunkeln, da fiel mir auf, dass er lächelte. Er zog mich nur auf. Seine Augen waren von einem einzigartigen Grau, das je nach Stimmung die Farbe zu wechseln schien. Im Moment funkelten sie leicht, wie silbriger Frost an einem kalten Wintermorgen. Ruhig. Intensiv. Vielversprechend. Okay, Letzteres war vielleicht etwas dick aufgetragen. Dieser Mann war in etwa so offen und zugänglich wie eine unreife Ananas. Ich stieß den Atem aus. »Ich schätze, was ich sagen wollte, war … ich will auf mich selbst aufpassen. Du sollst nicht das Gefühl haben, dass ich ein hilfloses Kind bin. Jemand, dem man immer gleich zu Hilfe eilen muss, wenn …«

      »Er sein Haus fast niederbrennt?« Er sah mich aus dem Augenwinkel an und hob eine Augenbraue. »Mit dem Auto von der Straße abkommt? Ausrutscht und hinfällt, weil er gottverdammte Ballettschuhe trägt?«

      »Du solltest wissen, dass die Vans von Karl Lagerfeld waren«, korrigierte ich ihn. »Seine Interpretation des Schachbrettmusters ist ein Klassiker.«

      »Ich verstehe die Hälfte dieser Worte nicht«, sagte Jake, entfernte die Kompresse und öffnete eine Tube, die eine Art Salbe enthielt. »Ich klebe eine Hydrokolloidbandage auf die Verbrennung. In ein paar Tagen musst du sie wechseln. Sie sollte verhindern, dass sie sich entzündet. Aber wenn du bemerkst, dass sich eine Rötung ausbreitet, oder wenn du Fieber bekommst, dann sag mir sofort Bescheid, okay?«

      Er säuberte und bandagierte die Brandwunde, als hätte er sein Leben lang nichts anderes gemacht.