Wendungen des Schicksals: Körper & Seele. Sloane Kennedy. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sloane Kennedy
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960894254
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Mensch, Oz. Wenn du nicht ein paar Leute kennenlernst, mit denen du plaudern kannst, wenn du in die Stadt fährst, wirst du total depressiv werden. Vertrau mir. Ich kenne dich lange genug.«

      »Stimmt gar nicht. Ich freue mich wirklich darauf, ein bisschen Zeit allein zu verbringen. Das letzte Jahr war komplett verrückt. All die Shows, Fotoshootings, Musikvideos … Es wird mir guttun, ein bisschen Ruhe zu bekommen.«

      Zoey tat so, als müsste sie husten. »Weißt du noch, als du auf dem Einzelshooting in Kenia warst und den Fotografen nicht ausstehen konntest? Du hast geschworen, dass du die ganze Reise als Gelegenheit zum Meditieren nutzen würdest. Wie ist das noch mal ausgegangen?«

      Ich öffnete den Mund, um etwas zu entgegnen, schloss ihn aber schnell wieder. »Dieser Typ war echt heiß«, murmelte ich. »Ist ja nicht meine Schuld, dass er Dirty Talk scharf fand.«

      »Ich sage ja nicht, dass du jeden in der Stadt vollquatschen sollst, Süßer. Ich will nur, dass du nicht vergisst, wer du bist. Du denkst vielleicht, das ist deine Chance, der Designer zu werden, der du immer sein wolltest. Aber wie wäre es, wenn du die Gelegenheit dazu nutzt, der Mensch zu werden, der du immer sein wolltest?«

      Mein Magen schlingerte. »Du meinst, ich soll ein besserer Mensch werden?« Obwohl ich es nicht wollte, verletzten mich ihre Worte. Ich hatte immer versucht, ein guter Mensch zu sein, freundlich, großzügig, nett.

      »Nein, nein, das habe ich falsch formuliert«, sagte sie und wedelte frustriert mit den Händen. »Du bist der beste Mensch, den ich kenne, Oz. Aber ich glaube, du hast dich jahrelang an ein Leben angepasst, das du eigentlich nie wolltest. Du sagst immer, dass die Menschen in der Modewelt oberflächlich sind, immer nur auf der Suche nach dem nächsten großen Ding. Du sagst, es stört dich, dass die Leute nicht ehrlicher sind, echter. Das hier ist deine Chance, mit echten Menschen zu interagieren. Menschen, die es einen Scheiß interessiert, welche Farbe in der nächsten Saison angesagt ist, und …«

      »Violett«, platzte es aus mir heraus. »Und das finde ich übrigens spitze.« Ich konnte nicht anders, es war die Wahrheit.

      »Ozzie. Ich liebe dich, und jeder, der dein wahres Ich kennt, liebt dich ebenfalls. Bitte verstecke den wundervollen Ozias Lemuel Ballard nicht vor der Welt.«

      Ich funkelte wütend die Kamera an. »Nicht meinen echten Namen erwähnen, sonst drehe ich den Spieß um.«

      Ihre Wangen liefen rot an und sie lachte. »Okay, okay. Ich höre ja schon auf. Ich hasse einfach den Gedanken, dass du so weit weg bist, ganz allein. Du weißt, dass du mich immer anrufen oder mir eine Nachricht schreiben kannst, ja?«

      »Ich weiß. Und dasselbe gilt für dich. Gibt es bei dir irgendetwas Neues? Außer, dass du dir die Zehennägel geschnitten hast? Das ist übrigens eklig.«

      Sofort verschwand ihr Lächeln, als ob jemand es von ihrem Gesicht gewischt hätte. Bevor ich weiter nachhaken konnte, tat sie so, als würde sie angerufen werden. »Ups! Die Arbeit ruft, ich muss weg. Fang doch mal mit dem ersten Punkt auf deiner Liste an und bitte den sexy Nachbarn wegen der Heizung um Hilfe.«

      Zoey beendete den Videoanruf so plötzlich, dass ich verdutzt dasaß und auf den Bildschirm starrte, mit einer wütenden Erwiderung noch auf den Lippen. Ich würde den arroganten, eingebildeten, homophoben, heißen, gut riechenden, sexy Jake erst um Hilfe bitten, wenn die Hölle zufror.

      Fünf Stunden später, mitten in der Nacht, war ich in alle Decken gewickelt, die ich hatte. Und ich fror immer noch erbärmlich. Irgendwie fühlte es sich so an, als ob tatsächlich die Hölle zugefroren wäre.

      Kapitel 2

      Jake

      Gott, ich war immer so gerne nach Hause gekommen. Jedes Mal, wenn ich die lange Bergstraße zu der weit abgelegenen Hütte entlanggefahren war, hatte sich dieses Gefühl der Ruhe und Sicherheit in mir ausgebreitet. Natürlich war das erst so, seit ich gelernt hatte, wie man all die negativen Gefühle abkapselte. Die Einsamkeit. Die Angst. Die erdrückenden Schuldgefühle. Ich atmete tief durch und schob die Bilder weg, die begannen, durch meinen Kopf zu rasen. Genau in diesem Moment fuhr ich an der Stelle vorbei, wo ich vor vier Tagen das rote Cabriolet entdeckt hatte. Seitdem war so viel Schnee gefallen, dass die Reifenspuren kaum noch zu sehen waren.

      Oz. Er war der Grund dafür, warum ich in letzter Zeit nicht mehr gerne nach Hause kam. Ich wollte Xander anrufen und ihn fragen, was zur Hölle er sich dabei gedacht hatte. Warum vermietete er seine Hütte an diesen süßen, aber schrecklich naiven jungen Mann, der außerhalb der Stadt nichts verloren hatte? Und schon gar nicht hier, mitten im Nirgendwo. Aber wenn ich Xander anrief, hieß das, dass ich mit ihm reden musste. Das wollte ich einfach nicht. Es war schon schwer genug, ihm in der Stadt manchmal über den Weg zu laufen. Wenn ich ihn anrief, würde er mich sicher wieder zu irgendwelchen sozialen Interaktionen drängen. Dafür, dass er als mein Nachbar immer so still gewesen war, hatte Xander Reed sich zu einem überaus geselligen Menschen entwickelt. Und er wollte aus mir offensichtlich auch einen geselligen Menschen machen. Auch wenn ich mich mit Zähnen und Klauen wehrte. Aber mein Freund ging wirklich perfide vor. Er benutzte oft sein Kind dazu, mich einzulullen, bevor er die Falle zuschnappen ließ. Verdammt, ich hatte bereits zugestimmt, Thanksgiving bei ihm, seinem Verlobten Bennett und seinem Adoptivsohn Lucky zu verbringen. Lucky hatte darauf bestanden, dass ich kam. Ihre Freunde aus New York, Aiden und Ash, kamen nämlich nicht zu Thanksgiving, sondern stattdessen zu Weihnachten. Und der siebzehnjährige Lucky hatte mir die Ohren vollgejammert. Sollte ich nämlich nicht kommen, würden Xanders Tante Lolly und ihr Freund sich noch vor dem Abendessen ausziehen. Sie waren nämlich überzeugte Nudisten. Wenn jedoch ein fast völlig Fremder dabei war, könnte sie das eventuell davon abhalten. Zumindest bis nach dem Dessert. Ich hatte Tante Lolly und ihren verrunzelten Freund selbst schon getroffen, letzten Sommer bei einem Picknick zum Labor Day. Ich wusste, dass Lucky nicht übertrieb. Damals hatte ich das ältere Paar kennengelernt, als es gerade in einem kleinen Teich neben dem Picknickplatz nackt gebadet hatte. Zum Glück hatten sie es nicht geschafft, mich zum Mitmachen zu überreden. Ich hatte vorgetäuscht, dass ich dringend Feuerholz suchen musste.

      Nein, Xander anzurufen, stand nicht zur Debatte. Ich freute mich für ihn, aber hatte immer noch Probleme damit, unser Verhältnis zueinander zu akzeptieren. Ich wusste, dass er einfach wieder mit mir befreundet sein wollte, aber das war schwierig für mich. Ich hatte keine Gefühle für ihn entwickeln wollen. Und ich hätte auch nie einen Versuch gestartet, ihm näherzukommen. Doch nun, da er wusste, dass ich ihn in einem anderen Licht sah, war alles so verkrampft. Sein Verlobter Bennett hatte kein Problem damit, dass wir Freunde waren. Und ich kam damit klar, dass sie mir ab und zu mitleidige Blicke zuwarfen. Das war also nicht das Problem. Es war der ganze Rest, mit dem ich nicht klarkam. Der Neid. Ich würde nie haben, was Xander und Bennett hatten. Nicht einmal, wenn ich das wollte. Es war einfach zu gefährlich. Ich war nicht grundlos in diese abgelegene Stadt in Colorado gezogen, wo ich Menschen nicht zu nahe kommen konnte.

      Ich zwang mich dazu, nicht mehr an die Vergangenheit zu denken, und konzentrierte mich darauf, die Straße zu meiner Hütte entlangzufahren. Der Schnee fiel nun dichter und ich wusste, mindestens ein oder zwei Tage lang würden wir eingeschneit sein. Sofort wanderten meine Gedanken zu Oz. Hoffentlich hatte er warme Kleidung, Feuerholz und Lebensmittel besorgt. Unsere Hütten waren zwar an das Stromnetz der Stadt angeschlossen, aber es war schon vorgekommen, dass Bäume umgestürzt waren und die Stromkabel gekappt hatten. Stromausfälle zu dieser Jahreszeit kamen in den Hütten häufig vor. Vielleicht hätte ich Xander anrufen und ihn fragen sollen, ob er Oz schon erklärt hatte, wie der Generator funktionierte. Ich schüttelte den Kopf. Nein, Oz war nicht mein Problem. Je schneller der Junge kapierte, dass er hier draußen nichts zu suchen hatte, desto schneller würde er nach New York zurückfahren. Dort gehörte er hin, eindeutig.

      Ein Gefühl der Scham machte sich in mir breit, als mir wieder einfiel, was ich zu ihm gesagt hatte. Ich hatte ihn ziemlich von oben herab behandelt, als ich gesagt hatte, dass hier niemand für ihn Salz streute. Dabei hatte ich selbst einige Jahre in Großstädten gelebt. Ich wusste besser als jeder andere, wie sehr man sich daran gewöhnte, dass die Straßen geräumt und die Bürgersteige gestreut wurden. Also warum war ich so ein Arsch zu ihm gewesen?

      Fast