Wendungen des Schicksals: Körper & Seele. Sloane Kennedy. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sloane Kennedy
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960894254
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wir jetzt wohl Nachbarn waren. Doch er hatte mich keines Blickes gewürdigt und war in seiner eigenen Hütte verschwunden.

      Ich zwang mich, den Vorfall zu vergessen. Schließlich war ich zum Arbeiten hier, nicht, um neue Freunde zu finden.

      Die Luft war eiskalt und ein leichter Wind wehte durch meinen Cardigan von Dolce, unter dem ich ein weiches T-Shirt trug. Ich hatte sehr schnell gelernt, dass ich meine Gommino-Pantoffeln von Tod’s lieber nicht draußen tragen sollte. Noch immer könnte ich heulen, wenn ich sah, was der nasse Schnee mit dem Leder gemacht hatte. Also rutschte ich in einem Paar alter Vans herum und versuchte angestrengt, nicht auf meinem Hintern zu landen. In diesem Moment hörte ich ein vertrautes Geräusch von drinnen. Jemand rief mich per Videochat auf meinem Laptop an. Ich griff nach dem Geländer der Treppe, die zur Eingangstür führte, und hangelte mich daran entlang. Warum um alles in der Welt hatte ich in New York nie gelernt, auf gefrorenem Boden zu laufen? Ach ja, weil ich die meiste Zeit des Jahres für Fotoshootings unterwegs war; zu irgendwelchen exotischen Locations.

      Ich vermisse den Strand nicht, ich vermisse die Wärme nicht …

      Prompt rutschte ich aus und griff vergeblich nach dem Treppengeländer, bevor ich die Stufen hinunterpurzelte. Mit rudernden Armen und Beinen kam ich in einer peinlichen Pose zum Stillstand, in einer Mischung aus Stehen und Fallen. Wahrscheinlich sah ich aus wie eine Babygiraffe, die das Stehen erst lernen musste.

      »Verdammte Scheiße.«

      Tiefes Gelächter ertönte. Es kam aus der Richtung der anderen Hütte neben meiner. Tatsächlich, dort stand er: der Sexgott persönlich. Er hielt einen riesigen Stapel Feuerholz in den Armen. Obwohl ich es nicht wollte, starrte ich ihn sehnsüchtig an. Sein kurzes, dunkles Haar war fast vollständig von einer schwarzen Wollmütze bedeckt und obwohl ich seine Augen kaum erkennen konnte, konnte ich seinen intensiven Blick spüren. Automatisch fragte ich mich, wie seine Augen wohl aussehen würden, wenn er einen freundlichen Blick aufsetzte, statt finster in die Gegend zu starren. Aber es war unwichtig, denn im nächsten Moment war sein Grinsen schon wieder verschwunden. Er zog die Stirn in Falten, drehte sich um und stieg die Stufen zu seiner Hütte empor, ganz so, als wären sie nicht völlig vereist, und so, als hätte er nicht bemerkt, dass sein Nachbar sich gerade fast den Hals gebrochen hätte.

      »Danke vielmals, du Arsch«, murmelte ich und klammerte mich wieder ans Treppengeländer.

      Er blieb vor seiner Haustür stehen, drehte sich um und sah mich an. »Hast du etwas gesagt?«

      »Ja. Ich wünsche dir einen wunderschönen Tag, ehrenwerter Nachbar. Du bist einfach zu freundlich und vor allem so zuvorkommend. Ich hatte wirklich Glück, diesen schönen Ort zu finden, an dem ich so nett willkommen geheißen werde. Und nun geh besser schnell nach drinnen und wärm dich auf, bevor du auch von deiner Veranda attackiert wirst, so wie ich gerade. Tschüssi!« Ich hatte den übertrieben freundlichen Tonfall benutzt, den ich jahrelang perfektioniert hatte. Sehr schnell hatte ich gelernt, dass es besser war, eine Fassade aufzusetzen. Wenn ich mich wie ein kleines, harmloses Hündchen verhielt, war das um einiges sicherer, als meine wahren Gefühle zu zeigen. Sobald ich erkannt hatte, dass die Leute Models sowieso nur für eingebildet und hohl hielten, stellte ich mich einfach gleich so dar. Das war einfacher, als zu versuchen, sie vom Gegenteil zu überzeugen.

      Jake riss überrascht die Augen auf. Doch ich ignorierte ihn und machte einen Schritt auf meine Eingangstür zu. Und rutschte sofort wieder aus. Dieses Mal half mir auch das Treppengeländer nicht weiter. Ich krachte dagegen, als ich wenig elegant die Stufen hinunterschlitterte. Ein scharfer Schmerz zuckte durch meine Hüfte und ich konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken. »Scheiße!«, rief jemand.

      Nein, nicht jemand. Der unhöfliche Sexgott, der sicher gleich wieder zu lachen beginnen würde. Dieses Mal jedoch hatte ich keinerlei Interesse daran, ihn grinsen zu sehen. Oder das amüsierte Funkeln in seinen Augen. Ich wandte mich um, um ihm zu sagen, dass er mich mal kreuzweise konnte. Ja, es gab Momente, in denen man einen falschen, zuckersüßen Tonfall aufsetzte, aber das hier war keiner davon. Hier war Klartext angebracht.

      Doch bevor ich etwas sagen konnte, rief Jake: »Bist du verletzt?«

      Ich hatte nicht einmal Zeit, zu antworten, da ließ er schon die Holzscheite fallen, als wären sie voller Feuerameisen. Er eilte über die schneebedeckte Wiese und kam schlitternd neben mir zum Stehen.

      »Wo tut es weh?«

      Seine Stimme klang plötzlich besorgt. Automatisch schnellte mein Puls in die Höhe. Boo kauerte sich zusammen und knurrte ihn wütend an. Ich griff nach ihr und streichelte sie durch ihren Pullover, um sie zu beruhigen. »Meine Hüfte«, sagte ich und rieb über die schmerzende Stelle. Mein Blick fiel auf meine Vans. »Blöde Schuhe. Ich sollte mir auch solche Quadratlatschen zulegen, wie du sie hast«, sagte ich und nickte zu seinen furchtbar hässlichen Stiefeln. Sie sahen irgendwie aus wie Winterreifen für die Füße. Falls es so etwas gab.

      Jake musterte skeptisch meine Schuhe. »Warum zur Hölle trägst du Schuhe mit glatter Sohle? Weißt du nicht, wie man sich bei diesem kalten Wetter anzieht? Wo kommst du her?«

      Vorsichtig betastete er meine Beine, angefangen bei meinen Füßen, bis hinauf zu meinen Knien. Ich begann zu beben, doch es lag nicht an der Kälte. Tatsächlich war mir plötzlich warm. Sehr, sehr warm. »New York. Und, ja, ich weiß, wie man sich anzieht, wenn es kalt ist«, brachte ich heraus, während mein Körper auf sehr unangebrachte Weise auf Jakes sanfte Berührungen reagierte. »Aber zu Hause gibt es da etwas, das nennt sich Streusalz. Das hilft, damit es nicht so verdammt glatt ist.«

      »Wir benutzen hier auch Streusalz, Oz«, sagte er. Der Klang meines Namens aus seinem Mund stellte sehr merkwürdige Dinge in mir an. »Aber damit das etwas bringt, musst du es auch ausstreuen.« Er musterte die rutschigen Stufen, dann wieder mich, und schließlich begriff ich, was er sagen wollte.

      »Oh. Hier gibt es niemanden, der für uns das Salz ausstreut?«

      »Nein, Oz, gibt es nicht. Hier in der Gegend musst du dich selbst um so etwas kümmern. Sorry, dass ich dir diese schlechten Neuigkeiten überbringen muss.«

      Ich hasste es, wie sehr mich seine Worte demütigten. »Du hast absolut recht, Jake«, sagte ich und setzte ein gekünsteltes Lächeln auf. »Wie dumm von mir. Danke, dass du mich auf diesen Denkfehler aufmerksam gemacht hast.«

      Jake hob den Kopf und sah mir direkt in die Augen. Für einen Moment glaubte ich, Verwirrung in seinem Blick zu erkennen. »Oz, es tut mir lei…« Genau in diesem Moment erreichten seine Hände meine Hüfte. Sofort zuckte ich vor Schmerz zusammen.

      »Fuck«, wimmerte ich und unterbrach ihn damit. Nicht, dass es wichtig war. Seine Entschuldigung bedeutete mir nichts. Ich wusste, was er über mich dachte. Genau dasselbe wie die meisten Leute. Es war reine Zeitverschwendung, ihm zu erklären, dass Dinge wie Streusalz und Winterreifen in meinem Leben bisher einfach keine Rolle gespielt hatten. Er sah ohnehin, was er sehen wollte. Also konzentrierte ich mich darauf, ihn schnell wieder loszuwerden. »Genau diese Stelle habe ich mir angeschlagen. Aber ich denke, es wird schon gehen, wenn du mir einfach aufhilfst. Bitte?«

      Jake zögerte einen Moment. Es wirkte, als würde er etwas sagen wollen. Doch dann griff er nach mir, packte mich unter den Armen und half mir dabei, aufzustehen.

      Sobald ich wieder auf den Beinen war, verharrten wir einen Moment. Unsere Körper berührten sich fast. Er war um einiges größer als ich. Verglichen mit anderen Models, war ich eher klein, aber das war bisher noch nie ein Problem gewesen. Jake überragte mich sicher um zehn Zentimeter und musste etwa fünfzehn, zwanzig Kilo mehr wiegen als ich.

      Jake musterte mich. »Deine Haare«, flüsterte er plötzlich.

      Verunsichert strich ich mir durchs Haar, doch die langen Locken waren nicht auf magische Art und Weise über Nacht nachgewachsen. Es war nicht so, als würde ich das Platinblond vermissen, nach dem so viele Designer ganz verrückt gewesen waren. Es ging eher um das, was mein nun kurzes und braunes Haar repräsentierte. Einen Neuanfang. Ein neues Ich. Seit ich mit dem Modeln angefangen hatte, akzeptierte ich nun zum ersten Mal, dass mein Erfolg vielleicht nicht von Dauer sein würde. Dass ich vielleicht nur ein One-Hit-Wonder war.