Wiederkehr der Hasardeure. Willy Wimmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Willy Wimmer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783943007152
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errichten. Dazu führte Frankreich 1859 einen Krieg gegen Österreich. Nach den verlustreichen Schlachten von Magenta und Solferino zog sich die Donaumonarchie aus der Lombardei zurück.

      Derart erfolgsverwöhnt, begann nun Napoleon III. sein mexikanisches Abenteuer. Mit Beginn des amerikanischen Bürgerkriegs hatte Benito Juárez (1806–1872) mit Unterstützung der Nordstaaten Vera Cruz erobert und das europäische Eigentum konfisziert. Im Januar 1862 verjagten ihn vereinigte englisch-französisch-spanische Streitkräfte wieder. Nach Erfüllung ihrer Forderungen zogen die Engländer und Spanier schnell wieder ab. Napoleon III. wollte den Konservativen in Mexiko nach dem bereits verlorenen Bürgerkrieg nachträglich zur Macht verhelfen und eine von Frankreich abhängige Monarchie installieren. Ihm schwebte ein Mächtegleichgewicht in der westlichen Hemisphäre vor, das die USA im Zaum halten sollte, so wie ein ähnliches Gleichgewicht in der östlichen Hemisphäre Russland in Schranken hielt. Der Moment schien günstig: Die Amerikaner trachteten sich gegenseitig nach dem Leben. So überredete Napoleon III. den anfänglich zögernden Maximilian, den jüngeren Bruder des Kaisers Franz Joseph von Österreich, Mexiko in ein neues Zeitalter zu führen.34

      Das musste die Nordamerikaner verbittern. Verstieß Napoleon doch damit gegen die politischen Ziele der USA in Mexiko, wo sie Ministerpräsident Juárez unterstützten. Während Napoleon III. 1863 in Mexiko eine erbliche katholische Monarchie unter dem österreichischen Erzherzog Maximilian etablierte, ließ er gleichzeitig das Mekongdelta im Südwesten von Vietnam besetzen. Nach Ende des Amerikanischen Bürgerkrieges konnte Juárez mit amerikanischer Hilfe Mexiko zurückerobern, und Napoleon III. musste seine Truppen abziehen. Der Kaiser von Mexiko, Maximilian, wurde gefangengenommen und erschossen.

      Unter der deutschen akademischen Jugend hatte das Gemeinschaftserlebnis der Freiheitskriege nachgewirkt. Auf dem Wartburgfest wurde 1817 die absolutistische Zeit mit der Verbrennung von Zopf und Korporalstock symbolstark zu Grabe getragen und ein republikanisches Staatswesen gefordert. Aber erst nach der Pariser Februarrevolution 1848 sprang der Funke auf Berlin, Leipzig, Frankfurt und Stuttgart über. Liberale Politiker übernahmen in den deutschen Mittelstaaten die Regierung, und eingeschüchtert gewährten die verschreckten Fürsten Presse- und Versammlungsfreiheit, um ihre Throne zu retten.

      In Österreich und Preußen vollzog sich die Revolution gewaltsamer. Am 13. März 1848 bedrängten Menschenmassen in Wien die Hofburg, Barrikaden wurden errichtet. Der Aufforderung des greisen Staatskanzlers Metternich, Widerstand zu leisten, kam die Regierung nicht nach. Metternich musste fliehen. Überall im Habsburgerreich begann es zu brodeln: Während Ungarn sich für autonom erklärte, vertrieb Mailand die österreichische Besatzung, und in Venedig wurde die Republik ausgerufen.

      Fünf Tage später kam es in Berlin anlässlich einer Demonstration vor dem Schloss zu Schießereien. Daraus entwickelten sich Straßenkämpfe mit dem Militär, die 230 Todesopfer forderten – meist Arbeiter, Handwerker und Studenten. König Friedrich Wilhelm IV. übernahm daraufhin die schwarz-rotgoldenen Farben der Märzrevolutionäre und versprach, dass Preußen fortan in Deutschland aufgehen werde.

      Anfang April 1848 begann in Frankfurt ein Vorparlament zu tagen. Es sollte freie Wahlen zur deutschen Nationalversammlung vorbereiten. Unter Präsident Heinrich von Gagern versammelten sich am 18. Mai 1848 in der Frankfurter Paulskirche 586 Abgeordnete – auf je 50 000 Einwohner kam ein Abgeordneter. In Paris und in Wien flackerte das revolutionäre Feuer in den Sommermonaten wieder auf. Der österreichische Reichstag wich ins ostmährische Kremsier in den dortigen Bischofspalast aus. Am 31. Oktober 1848 eroberten kaiserliche Truppen Wien zurück.

      Dessen ungeachtet arbeitete in Frankfurt das Parlament weiter an der Reichsverfassung und empfahl Österreich, die seinen Völkern zugestandenen Rechte und Freiheiten zu wahren. Mit Stimmenmehrheit wählten die Abgeordneten König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen zum Kaiser, der lehnte jedoch ab. Daraufhin wurden Preußens und Österreichs Abgeordnete abberufen. Nach der Auflösung des Paulskirchenparlaments blieb nur ein »Rumpfparlament« von 100 Abgeordneten übrig. Es zog nach Stuttgart um und wurde dort im Juni 1849 durch das Militär gesprengt. Die letzten Volkserhebungen am Rhein, in Berlin und Dresden sowie in Baden und der Pfalz wurden blutig erstickt. Der Vertrag von Olmütz stellte 1850 unter österreichischer Führung den »Deutschen Bund« wieder her, damit war ein Schlussstrich unter die Revolutionszeit gezogen.

      Woran ist diese hoffnungsvolle parlamentarische Entwicklung gescheitert? War es die Angst des Bürgertums vor dem Radikalismus oder der Mangel an politischer Erfahrung? Wurden die Machtverhältnisse im In- und Ausland unterschätzt? Die Folgen waren zumindest weitreichend. Das Bürgertum zog sich aus der Politik zurück und wendete sich der Wirtschaft und den Wissenschaften zu.

      Nach Ausbruch der Revolution in Ungarn 1848 fühlte der slowakische Abgeordnete im ungarischen Parlament L’udovít Stúr (1815–1856) die Stunde der Slowaken gekommen. Mit Parteifreunden rief er am 10. Mai zur Bildung einer Nationalversammlung auf, welche ein föderales Ungarn postulierte. Die Grenzen nach ethnischen Gesichtspunkten sollten respektiert und ihre Muttersprache im Amtsverkehr und in allen Bildungseinrichtungen zugelassen werden. Hinzu kam die Forderung nach einem allgemeinen Wahlrecht unter Berücksichtigung der proportionalen Vertretung der Slowaken im ungarischen Gesamtparlament. Bei der slowakischen Bevölkerung fand dies großen Anklang, doch der Hochadel begann nun den erwachten Widerstand mit aller Härte zu unterdrücken. Slowakische Aufrührer wurden gehenkt, derweil flüchteten L’udovít Stúr, Jozef Hurban und Michael Hodza nach Österreich. In Wien gründeten sie den »Slowakischen Nationalrat« und erklärten die Slowakei für losgelöst aus dem ungarischen Staatsverband.

      Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die Südstaaten der USA durch starke landwirtschaftliche Ausrichtung geprägt – entlang des Mississippi zogen sich große Baumwollplantagen. Im Norden ging indes der industrielle Aufbau rasch vonstatten, und durch die Erfindung maschinengetriebener Webstühle wurden die Textilbetriebe konkurrenzfähig, gleichzeitig jedoch zunehmend von der Baumwolle aus den Südstaaten abhängig, wo zudem das Geschäft mit den neuen Baumwollspinnereien im englischen Lancashire florierte, der Markt wuchs ständig. Doch der industrielle Norden erhöhte die Einfuhrzölle und drückte die Preise. So kam es zur Kraftprobe im Kampf um die Vorherrschaft. Da sich die überwiegende Mehrheit des Kapitals aber bald im Norden konzentrierte – vorzugsweise in den Neuenglandstaaten der Ostküste –, wo der Kapitalertrag zum Maßstab aller Dinge wurde, wuchs der Zorn der Südstaatler auf die Yankees, ein Wirtschaftskrieg zwischen Nord und Süd war nicht mehr zu verhindern, in dessen Folge der Ruf der Südstaaten nach Unabhängigkeit (»Sezession«) von den dominanten Nordstaaten laut wurde – Auftakt zu einem gewaltigen vierjährigen Ringen (1861–1865) zwischen den »Konföderierten« im Süden und der »Union« im Norden, dessen Präsident Abraham Lincoln in der bedingungslosen Kapitulation des Südens das einzig akzeptable Ziel sah.

      General William T. Sherman führte den Krieg nicht nur gegen die Streitkräfte des Südens, sondern mit unnachgiebiger Härte auch gegen die Zivilbevölkerung. In einem acht Wochen dauernden Vernichtungsmarsch zog seine Armee, die er yankeehaft »Gottes Werkzeug der Gerechtigkeit« nannte, durch Georgia sowie Nord- und Südkarolina, um »ein feindliches Volk … – alt und jung, reich und arm – die harte Hand des Krieges spüren (zu) lassen«35.

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      Cartoon von 1864, der die Lincoln-Administration fest im Griff von Kriegstreibern und Geldhaien zeigt. Parallelen zu heute drängen sich auf (© Abb. 3)

      Der amerikanische Sezessionskrieg forderte an die 620 000 Opfer,36 unter ihnen vermutlich viele Deutsche, die nach der 1848er-Revolution in die USA emigriert waren und zum großen Teil aufseiten der Union kämpften. Zur Finanzierung des Krieges ließ Lincoln 450 000 000 Dollar, sogenannte »Greenbacks«, drucken.

      Das veranlasste die Londoner Times zum folgenden Kommentar im Leitartikel: »Wenn diese bösartige Finanzpolitik, welche ihren Ursprung in der nordamerikanischen Republik