Uriel. Tanya Carpenter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tanya Carpenter
Издательство: Bookwire
Серия: L. A. Vampires
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9789925331727
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Kyle war nicht länger vertrauenswürdig. Er war ein Risiko. Nach dem, was er heute erfahren hatte, umso mehr. Gerade das, was Whigfield gesagt hatte, würde Proud garantiert niemandem weitergeben, der womöglich noch immer ein Spitzel von Greco war.

      »Ich war im St. Johns«, sagte er kurz angebunden. Nicht, dass es Kyle überhaupt irgendetwas angehen würde, was er so trieb. Aber schließlich war das mal seine Aufgabe gewesen, die er ihm mehr oder weniger aufgebürdet hatte. Ein bisschen Stichelei sei da erlaubt.

      Er musterte seinen Cousin mit hochgezogenen Augenbrauen und nippte am Whisky. »Ich gehe mal nicht davon aus, dass du den Job zurückhaben willst, oder? Ich meine … steht dir natürlich frei. Musst es nur sagen.«

      Sofort wich Kyle seinem Blick aus, was Proud ein bitteres Lächeln auf die Lippen trieb. »Dachte ich mir«, murmelte er. Sie kannten die Antwort. Kyle hatte sein Schnitterdasein weit mehr gekostet als seine Beziehung zu Beth.

      »Also, da du deine Neugier nun befriedigt hast, kannst du dich wieder in deinem Selbstmitleid verkriechen. Ich habe noch was Wichtiges zu tun.«

      Als Kyle sich nicht rührte, breitete Proud die Arme zu einer fragenden Geste aus. »Sonst noch was?«

      Mit missmutigem Gesicht wandte Kyle sich um und ging. Proud atmete erleichtert auf. Er blickte auf die Bücher, die auf dem kleinen Sekretär bereitlagen und praktisch nur auf ihn warteten. Der Ruf der Pflicht, aber irgendwie war sein Kopf heute so voll von Informationen, Fragen und Variablen einer vor ihnen liegenden Zukunft, dass er sich einfach nicht überwinden konnte. Lieber schenkte er sich einen zweiten Drink ein, ging zum Sofa hinüber und ließ sich darauffallen.

      Am liebsten hätte er sich gleich die ganze Flasche durch die Kehle rinnen lassen, weil er befürchtete, den Geschmack von Whigfields Blut nie wieder loszuwerden. So also schmeckten Verrat und Gier.

      Jemand klopfte zaghaft an der Tür.

      »Ich bin nicht in der Stimmung«, antwortete Proud, seine Zunge war bereits schwer. Verdammt, er war nicht mehr im Training, was den Alkohol anging.

      »Sir?« Gilles streckte seinen Kopf zur Tür herein.

      »Was gibt’s, Gilles? Hat sich einer unserer Gäste über sein Lunchpaket beschwert?«

      Der Butler antwortete nicht, sondern räusperte sich nur und blieb an der Tür stehen. Immerhin hatte er sich nun zur Gänze ins Zimmer geschoben und lehnte am geschlossenen Türblatt.

      Proud beäugte ihn skeptisch mit gerunzelten Brauen. Die Miene seines Butlers war besorgt. Was zur Hölle … War es denn noch nicht genug für einen Abend?

      »Na los, spuck es schon aus. Dir brennt doch was auf der Seele.«

      Erneut räusperte sich Gilles, trat dann mutig einen Schritt nach vorn, was komischerweise den Eindruck erweckte, er würde damit sein sicheres Schutzschild im Rücken aufgeben.

      »In der Tat, Sir. Da gibt es etwas. Vielleicht … hat es gar keine Bedeutung. Es ist nur so …«

      Genervt rollte Proud mit den Augen. »Hör auf zu stottern wie ein Erstklässler. Was ist los? Du würdest nicht hier hereinkommen in der offenkundigen Absicht, mich unter vier Augen zu sprechen, wenn es nicht irgendein brisantes Thema wäre.«

      »Nun, es geht um Mister Kyle, Sir.«

      Proud runzelte die Stirn und blicke Gilles nachdenklich an. »Was ist mit meinem Cousin?«

      Er sah Gilles an, wie unangenehm ihm die Situation war. Nervös trat er von einem Fuß auf den anderen und verzog gequält die Lippen, knetete seine Hände, als könnte er so Worte hervorquetschen.

      »Es steht mir vielleicht nicht zu, aber ich mache mir Sorgen um ihn. Und um Miss Beth.«

      Proud runzelte die Stirn. So richtig wurde er daraus nicht schlau. Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als sein Handy in der Hosentasche vibrierte. Im Display stand Logans Nummer.

      »Wenn du auch noch was zum skurrilen Tagesausklang beitragen willst, beeil dich. Dürfte inzwischen schwer werden, zu toppen, was mir so alles passiert ist.«

      Zu Prouds Überraschung konnte Logan tatsächlich noch etwas dazu beitragen, diesen Tag zu einem der Verrücktesten in Prouds Leben zu machen.

      »Einer meiner Leute hat herausgefunden, was aus deinem Surfermädchen geworden ist.«

      Proud blieb für einen Moment die Luft weg. Kim? »Wo ist sie?«

      »Das weiß ich nicht. Aber Jackson, er ist als Krähe in der Stadt auf Patroullie, hat mir vorhin erzählt, dass er ein Rudel Wölfe gesehen hat, das ein junges Mädchen verfolgt hat. Sie haben es aus der Stadt hinausgejagt. Ein großer Schwarzer hat sie sich geschnappt. Ich denke, du weißt so gut wie ich, womit wir es hier zu tun haben.«

      Proud schluckte. »Kayden.«

      Er konnte es fast vor sich sehen, wie Logan nickte und sich erschöpft übers Gesicht rieb. Was er hörte, war lediglich ein resigniertes Seufzen.

      »Er hat es irgendwie geschafft, ein paar Halbwandler um sich zu scharen. Scheint, als ginge er auf Nephilim-Jagd. Ich werde die Sicherheitsmaßnahmen bei den Verstecken verschärfen, aber ich dachte mir, ich sag dir auch Bescheid, für den Fall, dass er zu euch kommt und sich Beth schnappen will. Bis zu ihm wird sich die Story um ihren Tod wohl noch nicht rumgesprochen haben.«

      Es versetzte Proud einen Stich, dass Kim offenbar tot war. Von einem Wolf gerissen zu werden, war sicher keine schöne Art zu sterben. Außerdem hatte er die Kleine gemocht. Sie und Beth hätten Freundinnen werden können.

      »Danke, Mann. Wir halten die Augen offen.«

      Proud presste Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand auf seine Nasenwurzel und schloss für einen Moment die Augen. Noch mehr Sorgen. Dieser verdammte Wolf. Er hätte ihn in der Asservatenkammer häuten sollen. Wenn dieser Köter hier auftauchte und Beth auch nur anatmete, würde er das umgehend nachholen.

      Ein Räuspern von der Tür erinnerte Proud, dass Gilles noch immer im Raum stand.

      »Ach so, ja, Gilles. Was hast du noch gleich gesagt?«

      Artig wiederholte der Butler Wort für Wort seine Sorge um Kyle und Beth. Angesichts dessen, was Logan ihm gerade erzählt hatte, wirkte es auf Proud alarmierend.

      »Was ist los? Warum machst du dir Sorgen um Beth? Was hat Kyle getan?«

      Er merkte kaum, wie seine Stimme lauter wurde, wie die Panik sie anschwellen ließ. Erst, als er einen Schritt auf Gilles zumachte und der zurückwich, zwang er sich wieder unter Kontrolle. Es brachte nichts, den Boten zu verschrecken, wenn man hören wollte, was er wusste.

      Nachdem er stehen blieb und lediglich fragend die Brauen hob, fuhr Gilles fort, auch wenn er unübersehbar die Hand auf den Türknauf in seinem Rücken legte, um im Zweifelsfall schnellstmöglich die Flucht vor Prouds Zorn zu ergreifen.

      »Nun, also, getan … hat er bisher eigentlich nichts. Aber immer wenn Sie nicht da sind, Sir, dann … dann sehe ich Mr. Kyle an Miss Beth’ Bett stehen, obwohl er sich sonst kaum in ihr Zimmer wagt. Das finde ich … seltsam.«

      Allerdings. Das war seltsam. Kyle tat alles, um jeden von ihnen glauben zu machen, dass er sich nicht in Beth’ Nähe wagte, dabei suchte er sie in Wahrheit. Warum? Weil er nur bei ihr sein wollte, wenn sie allein waren? Um was zu tun?

      »Da ist dieser Ausdruck in seinen Augen«, fuhr Gilles fort. »Ich will Mr. Kyle nichts unterstellen, doch … dieser Blick … er macht mir Angst. So … leer und … verloren.«

      Ein Schauder rann über Prouds Rücken. Leer und verloren. Weil alles verging, was einen Sinn machte. Ein Schnitter ohne Antrieb, ohne Ziel im Leben. Kyle glaubte wirklich, Beth verloren zu haben. Da war nichts mehr, für das es sich zu leben lohnte. O Kyle.

      Da war eine Spur Schuldbewusstsein in Proud. Andererseits … er konnte nichts dafür, wie es gekommen war. Alles, was er tun konnte, war auf Kyle genauso aufzupassen wie auf Beth.

      »Scheint so, als wäre ich wohl doch eine