Uriel. Tanya Carpenter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tanya Carpenter
Издательство: Bookwire
Серия: L. A. Vampires
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9789925331727
Скачать книгу
dass nach dem Vorfall im Sadeshia die Vereinigten Staaten und speziell Los Angeles ein relativ sicherer Ort zu sein schien, dazu bei, die Nephilim hierherzuführen. Überall sonst auf der Welt machten die Grigori gerade gezielt Jagd, und das, wie man hörte, sogar relativ erfolgreich. Proud war nicht zart besaitet, aber was sie über die Ereignisse hörten, ließ auch ihn schaudern. Das war einfach … unmenschlich. Aber wer hatte je behauptet, dass die Gefallenen menschlich seien?

      Diese Treibjagden waren jedoch weniger der Grund, dass die Nephilim an seine Haustür klopften, als leite er ein verdammtes Asyl für Halbengel. Das hatte andere Hintergründe, die ihnen ebenfalls gerüchteweise mehr und mehr zu Ohren kamen. Es nervte Proud gewaltig, dass er sich sozusagen den Ruf eines Heilsbringers und Beschützers für alle Nephilim dieses Planeten erworben hatte. Wobei er noch nicht einmal verstehen konnte, was ihn überhaupt dazu machte. Die Rolle gefiel ihm nicht, sie fühlte sich nicht gut an, passte nicht zu ihm. Sie engte ihn ein. Der strahlende Held ohne jeden Makel, das war immer Kyles Part gewesen, doch dank seines Schnittererbes war der nun raus. Er hatte sich damit disqualifiziert, auch nach seiner Heilung ein potenzielles Risiko für die Halbengel zu sein. Trotzdem rechtfertigte das nicht, Proud die Scheiße ungefragt auf’s Auge zu drücken. Am meisten ärgerte es ihn, dass Kyle dies auch noch mit einer gewissen Genugtuung betrachtete, sich darüber hinaus aber dezent zurückhielt.

      Hilfe suchend sah Proud zu Logan, der mit ernster Miene am Fensterrahmen lehnte, die muskulösen Arme vor der Brust verschränkt. Die Sorge in den Augen des Gestaltwandlers jagte Proud einen weiteren Schauder über den Rücken. Die entstellende Narbe ließ sein Gesicht noch düsterer erscheinen als üblich. Die Lage war ernst. Sehr ernst. Natürlich stand es außer Frage, dass sie die Halbengel und ihre Azrae-Gefährten beschützen würden. Sie brauchten sie, sie saßen alle im selben Boot und diese Flüchtlinge waren so erschreckend ahnungslos. Jemand musste ihnen erklären, wie die Dinge standen, was auf sie zukam und welche Rolle ihnen zugedacht war. Aber gerade hatte Proud einfach keinen Kopf für diese Dinge. Nicht, solange Beth ein Stockwerk über ihnen im Koma lag und es noch immer in den Sternen stand, ob sie jemals wieder erwachte. Ein Umstand, für den er die Schuld trug, wie Kyle nicht müde wurde, ihm vor Augen zu führen.

      Eine Möglichkeit war natürlich, die Nephilim bei Samuel unterzubringen, wie es wohl auch dessen ursprünglicher Plan gewesen war, doch Proud behagte die Vorstellung nicht, dem Grigori die gesamte Kontrolle über die Mädchen zu überlassen. So weit ging sein Vertrauen längst nicht.

      Logan erwiderte seinen Blick und nickte kaum merklich. Sie verstanden einander inzwischen ohne Worte. Im Moment erfüllte der Cherub die Bedeutung des Wortes Freund besser als jeder andere. Kommentarlos holte er sein Mobiltelefon aus der Hosentasche und wandte sich ab, während er eine Nummer eintippte. Gleich darauf hörte man ihn leise mit einem seiner Leute reden, damit zwei weitere Verstecke vorbereitet und die beiden neuen Pärchen abgeholt wurden. Dankbar schloss Proud die Augen. Als er sie wieder öffnete, stand Logan vor ihm und klopfte ihm ermutigend auf die Schulter.

      »In einer Stunde holen meine Leute die vier ab. Mach dir keinen Kopf, ich kümmere mich um alles.«

      »Danke, Mann«, sagte Proud und umfasste Logans beachtlichen Bizeps.

      Als er die Flüchtlinge noch einmal betrachtete, verspürte er Mitleid, denn gerade die Mädchen waren ziemlich fertig mit den Nerven. Sie hatten eine Menge durchgemacht und das Ausmaß dessen, in was sie hineingeraten waren, jagte ihnen eine Höllenangst ein. Er erinnerte sich, dass es bei Beth ähnlich gewesen war. Gott, war das wirklich erst ein Jahr her?

      Mit den Neuankömmlingen waren es inzwischen elf Paare, die sie vor den Grigori und vor allem vor den Uriel versteckten. Nur fünf davon trugen wie Beth und Kesha das Wassersymbol. Bei allen anderen zeigte sich bisher gar keins, was auch immer das heißen mochte. Natürlich wäre ein anderes Symbol kein Grund gewesen, die Frauen ihrem Schicksal zu überlassen, aber irgendwann würden Logan die Verstecke ausgehen. Was dann?

      Proud schenkte den beiden verängstigen Nephilim ein, wie er hoffte, aufmunterndes Lächeln und reichte ihren Azrae-Gefährten die Hand zum Abschied. Er musste erst mal hier raus. Klar war es eine Flucht, auch wenn er das vor keinem außer sich selbst zugeben würde. Hier drin würde er jedenfalls ersticken unter der Last der Verantwortung. Er kam sich einerseits schäbig vor, sie Logan aufzubürden, andererseits funktionierten sie schließlich schon eine ganze Weile recht gut als Team, und der Werwolf ließ nicht im Geringsten erkennen, dass es ihn störte.

      Beim Hinausgehen wies Proud Gilles an, ihren Gästen eine kleine Stärkung zu servieren. Dienstbeflissen verschwand der Butler daraufhin in der Küche. Auf den alten Haudegen war eben Verlass.

      Beth war unruhig, als Proud ihr Zimmer betrat. Mit schweißbedeckter Stirn, gequält von Fieberträumen und wirres Zeug redend, in einer Sprache, die er nicht verstand.

      Er setzte sich zu ihr aufs Bett und nahm ihre Hand. Erschreckend, wie kalt ihre Haut sich anfühlte. Als ob sie jeden Tag ein bisschen mehr starb.

      Nein! Daran will ich nicht einmal denken!

      So lange ihr Herz schlug, gab es auch Hoffnung. Sie würde wieder gesund werden, sie musste einfach.

      Aber was, wenn es einfach zu spät gewesen war? Der Gedanke war die Hölle, darum drängte er ihn entschlossen zurück.

      »Hörst du mich, meine schlafende Schöne? Ich warte auf dich. Wir alle tun das. Ich weiß, du kommst zurück, und dann werden wir gemeinsam diesem Lazarus und allen anderen Idioten, die sich diese Scheiße ausgedacht haben, so was von den Arsch aufreißen.«

      Zumindest umschrieb das grob seinen Plan. An den Details arbeitete er noch. Wenn ihm all die anderen Sorgen und Probleme denn die Zeit dazu ließen.

      Er musste zugeben, es gab vieles, was sie nicht wussten. Er war ein Wagnis eingegangen mit dieser Wandlung, weil Beth ihm ein solches wert war. Das war sie immer gewesen. Schon als er es ihr das erste Mal angeboten hatte, war es ihm ernst gewesen. Als Ausweg – aber auch, um sie niemals zu verlieren. Er hatte sie immer geliebt. Mehr als er sich anfangs selbst eingestehen wollte. Wenn er dafür also den Preis bezahlte, dann sollte es eben so sein. Nur sie durfte nicht dafür bluten. Bei Gott, aber sie hatte bereits geblutet. Vielleicht zu sehr …

      Um Beth zu beruhigen, erzählte Proud ihr von Deborah und was er in St. Joshua herausgefunden hatte. Sie reagierte nicht im Geringsten darauf. Aber warum auch, ihre Mutter war tot, es hatte sich nichts geändert. Das Wo, Wie und Wann spielte wohl keine allzu große Rolle. Womöglich war sie sogar gerade bei ihr. Der Gedanke machte ihm Angst, weil sie dann vielleicht auf der anderen Seite bleiben wollte. Er schüttelte ihn ab, denn es war unerträglich für ihn, diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen.

      Wieder gärten Schuldgefühle in Proud, weil er sich allzu bewusst war, dass er ihr das angetan hatte. Da bedurfte es der vorwurfsvollen Blicke von Kyle nicht einmal, mit denen dieser seit ihrer Rückkehr nicht geizte.

      »Wir hätten das niemals tun dürfen«, ließ sich Kyle von der Tür her vernehmen, als hätten Prouds Gedanken ihn buchstäblich hierherbefohlen.

      Proud presste die Lippen aufeinander, verfluchte seinen Vetter im Stillen, dass er ihre Zweisamkeit störte. Der Gedanke, dass er sich zu Beth ans Bett schlich, wenn er sich unbeobachtet glaubte, machte Proud wütend. Besonderes da er wieder an der Tür innehielt, als hielte ihn eine unsichtbare Wand davon ab, näherzukommen.

      »Wer sollte es denn ahnden wollen?«, antwortete Proud bissig. »Bisher ist noch kein Seraphim hier aufgetaucht, um sein Flammenschwert zu schwingen.« Er drehte sich um und starrte Kyle finster an. »Du hast doch sowieso nichts zu befürchten. Schließlich hast du ja nichts getan.« Seine Stimme glich einem Knurren. »Welch ein Glück für dich. Wenn die Racheengel mich doch noch richten, hast du wieder freie Bahn.« Kyle öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber Proud hob abwehrend die Hand und kam ihm zuvor. »Tu nicht so, als wärst du nicht glücklich darüber, dass sie noch am Leben ist. Ich wollte dich sehen, wenn sie wirklich dort am Genfer See gestorben wäre.«

      Kyle antwortete nicht, aber sein Schlucken und die Sehnsucht in seinem Blick sprachen Bände. Standen im Widerspruch dazu, dass er zwei Schritte zurückwich, als fürchte er sich vor der Anziehungskraft, die Beth auch in