Die Pickwickier. Charles Dickens. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Charles Dickens
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783961183319
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hören, Sir. Ich werde Sie schon ausfindig machen, Sir."

      "Meinetwegen, wenn's Ihnen Freude macht", versetzte der unbeirrbare Fremde.

      Dr. Slammer setzte mit einem Giftblick und einem zornigen Klaps seinen Hut auf, und der Fremde und Mr. Tupman gingen in das Schlafgemach, um das erborgte Gefieder wieder in den Handkoffer des nichtsahnenden Mr. Winkle zu stecken.

      Der Gentleman lag in tiefem Schlaf, und so war denn die Rückerstattung bald vollzogen. Der Fremde benahm sich sehr drollig, und dem von Sherry, Glühwein, Lichtern und Damen verwirrten Mr. Tracy Tupman kam die ganze Sache als ein ausgezeichneter Spaß vor. Der neue Freund entfernte sich, und Mr. Tupman half sich, nachdem er mit einiger Mühe die ursprünglich für den Kopf berechnete öffnung seiner Nachtmütze gefunden und bei seinen Anstrengungen, dem Lichte einen passenden Platz anzuweisen, den Leuchter umgeworfen hatte, durch eine Reihe komplizierter Evolutionen in sein Bett, in dem er kurz darauf in tiefen Schlaf fiel.

      Am nächsten Morgen hatte es kaum sieben ausgeschlagen, als Mr. Pickwicks reger Geist aus dem Zustand der Bewußtlosigkeit, in den der Schlummer ihn gewiegt, durch ein lautes Pochen an der Zimmertür geweckt wurde.

      "Wer ist da?" rief Mr. Pickwick, von seinem Kissen auffahrend.

      "Der Hausknecht, Sir."

      "Was wollen Sie?"

      "Bitte, können Sie mir nicht sagen, welcher Herr von Ihrer Gesellschaft einen blauen Frack mit vergoldeten Knöpfen trägt, mit den Buchstaben P. K. drauf?"

      Der Rock wird zum Ausbürsten hinausgehängt worden sein, überlegte sich Mr. Pickwick, und der Mann hat vergessen, wem er gehört. – "Mr. Winkle", rief er laut. "Im dritten Zimmer rechts."

      "Danke, Sir", versetzte der Hausknecht und entfernte sich.

      "Was gibt's?" rief Mr. Tupman, als ein lautes Klopfen an seiner Tür ihn aus seiner tiefen Ruhe aufschreckte.

      "Kann ich mit Mr. Winkle sprechen, Sir?" entgegnete der Hausknecht von außen.

      "Winkle! – Winkle!" rief Mr. Tupman ins Nebenzimmer.

      "Hallo?" antwortete eine schwache Stimme unter der Bettdecke hervor.

      »Jemand will Sie sprechen. An der Tür."

      Nachdem sich Mr. Tracy Tupman soweit angestrengt hatte, drehte er sich auf die andere Seite und fiel sofort wieder in tiefen Schlaf.

      "Mich sprechen?" brummte Mr. Winkle, sprang aus seinem Bett und zog in aller Eile ein paar Kleidungsstücke an. "Mich? Hier, so weit von London? Wer, um Himmels willen, kann hier etwas von mir wollen?"

      "Ein Herr im Gastzimmer, Sir", versetzte der Hausknecht, als Mr. Winkle die Tür öffnete. "Der Herr will Sie nicht lange aufhalten, doch er kann sich auf keinen Fall abweisen lassen, sagt er."

      "Höchst seltsam!" sagte Mr. Winkle. "Nun, ich werde gleich hinunterkommen."

      Er hüllte sich rasch in einen Reiseschal, zog seinen Schlafrock an und ging die Stiege hinunter. Eine alte Frau und ein paar Kellner scheuerten das Gastzimmer. Ein Offizier in Halbuniform blickte aus dem Fenster, wandte sich dann mit einer steifen Verbeugung an den eintretenden Mr. Winkle, befahl dem Dienstpersonal, sich zu entfernen, und schloß sorgfältig die Tür.

      "Mr. Winkle, wie ich vermute?"

      "Das ist allerdings mein Name, Sir."

      "Es wird Sie wahrscheinlich nicht überraschen, Sir, wenn ich Ihnen mitteile, daß ich Sie in der Angelegenheit eines Freundes, des Dr. Slammer, von Siebenundneunzig, besuche."

      "Dr. Slammer?" fragte Mr. Winkle erstaunt.

      "Dr. Slammer. Er bat mich, Ihnen in seinem Namen zu sagen, daß Ihr Benehmen gestern abend nicht der Art war, daß es sich ein Mann von Ehre gefallen lassen kann und wie es sich kein Mann von Ehre gegen einen ändern erlauben würde."

      Mr. Winkles Erstaunen war zu echt und zu augenfällig, tun Mr. Slammers Sekundanten zu entgehen.

      "Mein Freund Dr. Slammer", fuhr er daher fort, "ersuchte mich, hinzuzufügen, daß er fest überzeugt ist, Sie wären einen großen Teil des gestrigen Abends betrunken gewesen und wüßten daher vielleicht nichts mehr von dem Umfang der Beleidigung, die Sie sich zuschulden kommen ließen. Er trug mir deshalb auf, Ihnen zu sagen, daß er sich, wenn Sie diesen Umstand als eine Entschuldigung Ihres Benehmens geltend machen wollten, mit einer schriftlichen Abbitte, die ich Ihnen in die Feder zu diktieren hätte, begnügen

      "Eine schriftliche Abbitte?" wiederholte Mr. Winkle im Tone grenzenlosen Staunens.

      "Sie wissen natürlich, welche Wahl Ihnen übrigbleibt", versetzte der Offizier kühl.

      "Wurde Ihnen dieser Auftrag wirklich für mich übergeben?" fragte Mr. Winkle, dessen Sinne sich während dieser seltsamen Unterhaltung hoffnungslos verwirrten.

      »Ich war nicht anwesend", entgegnete der Besuch, "und infolge Ihrer entschiedenen Weigerung, Dr. Slammer Ihre Karte zu geben, hat mich besagter Herr gebeten, mir über die Identität des Besitzers eines höchst ungewöhnlichen Rockes – eines blauen Fracks mit vergoldeten Knöpfen, auf denen sich ein Brustbild und die Buchstaben P. K. befinden – Gewißheit zu verschaffen."

      Mr. Winkle wäre vor Entsetzen beinahe umgesunken, als er seinen eignen Frack so genau beschreiben hörte. Dr. Slammers Freund fuhr fort:

      "Den hier im Gasthof soeben angestellten Recherchen zufolge gelangte ich zu der Überzeugung, daß der Eigentümer des fraglichen Kleidungsstückes gestern nachmittag mit drei Herren hier angekommen ist. Ich sandte sogleich zu dem Herrn, der mir als mutmaßliche Hauptperson der Gesellschaft beschrieben wurde, und dieser selbst hat mich an Sie verwiesen."

      Wenn es dem Hauptturm von Rochester-Castle plötzlich eingefallen wäre, seinen Platz zu verlassen und sich gerade dem Gasthof gegenüber aufzupflanzen, so hätte Mr. Winkle nicht überraschter sein können. Sein erster Gedanke war, sein Frack sei ihm vielleicht gestohlen worden.

      "Würden Sie mich einen Augenblick entschuldigen?" fragte er. "Bitte sehr."

      Hastig eilte er die Treppe hinauf und öffnete mit zitternden Händen seinen Reisesack. Der Frack lag an seinem gewohnten Platz; eine genauere Besichtigung zeigte jedoch deutliche Spuren, daß er in der letzten Nacht getragen worden war.

      Es muß doch seine Richtigkeit haben, sagte sich Mr. Winkle, und der Rock entglitt seinen Händen. Ich habe nach dem Essen zuviel Wein getrunken und entsinne mich dunkel, daß ich nachher auf der Straße spazierenging und eine Zigarre rauchte. Ja, ja, so muß es sein. Ich war sehr betrunken, muß mich umgekleidet – und jemand beleidigt haben. Es kann gar nicht anders sein. Und dieser Besuch ist die schreckliche Folge all dessen.

      Mit diesen Worten lenkte Mr. Winkle seine Schritte wieder zum Gastzimmer zurück.

      Er war zu dem düsteren und schrecklichen Entschluß gekommen, die Forderung des kampflustigen Dr. Slammer anzunehmen und somit auch das Schlimmste über sich ergehen zu lassen.

      Zu dieser Entscheidung war er durch die verschiedensten Rücksichten gezwungen, unter denen sein Ruf im Klub an erster Stelle stand. Stets hatte er als hohe Autorität gegolten, wenn es sich um offensive, defensive oder inoffensive sportliche Angelegenheiten gehandelt hatte, bei denen die Gewandtheit eine Rolle spielt; wenn er nun bei dieser ersten Gelegenheit, selbst Farbe zu bekennen, vor der Prüfung zurückbebte – dazu noch unter den Augen seines Meisters –, dann war es für immer um seinen Rang geschehen. Zudem erinnerte er sich, von Leuten, die allerdings in solchen Dingen nicht recht Bescheid wußten, häufig die Vermutung gehört zu haben, daß auf Grund eines stillschweigenden Einverständnisses zwischen den Sekundanten die Pistolen nur selten mit Kugeln geladen würden, und überdies zog er noch in Erwägung, daß Mr. Snodgraß, wenn er ihn zum Sekundanten wählen und ihm die Gefahr in glühenden Farben Schildern würde, sich vielleicht in dieser Angelegenheit an Mr. Pickwick wenden könnte, der dann zweifellos keinen Augenblick zögern würde, die Ortspolizeibehörde zu informieren, um auf diese Weise die Tötung oder Verstümmelung eines seiner Jünger zu verhindern.

      Das waren so seine Gedanken, als er in das Gastzimmer