Die Pickwickier. Charles Dickens. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Charles Dickens
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783961183319
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Lebhaftigkeit den Vorschlag des Pastetenverkäufers auf seine Zweckmäßigkeit zu erörtern, und man kann nicht ahnen, zu welchen Tätlichkeiten es noch gekommen wäre, wenn nicht ein neuer Ankömmling sich eingemischt und das Geplänkel überraschend beendet hätte.

      "Was ist das hier für 'n Fez?" fragte ein langer, schmächtiger junger Mann in einem grünen Rock, der ganz plötzlich aufgetaucht war.

      "Spitzel!" brüllte die Menge abermals.

      "Wir sind keine", ächzte Mr. Pickwick in einem Ton, der jeden Unbefangenen sofort überzeugen mußte.

      "Wirklich nicht? Tatsache? Wirklich nicht?" fragte der junge Mann Mr. Pickwick, während er sich durch wohlgezielte Stöße mit den Ellenbogen in die Gesichter der Leute Bahn brach. Der Gelehrte legte in wenigen hastigen Worten den wahren Stand der Dinge dar.

      "Na, dann kommen Sie", sagte der Grünrock, der ununterbrochen redete, und zog Mr. Pickwick mit Gewalt hinter sich her. "Da, Nummer neunhundertvierundzwanzig, nimm dein Geld und pack dich – respektabler Herr – kenne ihn gut – ist ja Blödsinn, was du sagst – hierher, mein Herr! Und wo sind Ihre Freunde? – Alles nur Mißverständnis, wie ich sehe – macht nichts – kommt schon mal vor – besten Familien – keine Lebensgefahr – Schwein muß der Mensch haben – ab dafür! – Starker Tobak – schätze die Sorte – verdammte Schurken." Mit solchen und ähnlichen abgebrochenen Sätzen, die er mit außerordentlicher Zungenfertigkeit heraussprudelte, führte der Fremde Mr. Pickwick und seine Jünger in die Gaststube eines Wirtshauses.

      "He, Kellner!" schrie der Fremde und läutete dabei heftig mit der Glocke, "Gläser her, Branntwein und Wasser, heiß, stark, süß, anständige Menge – Auge beschädigt, mein Herr? – Kellner! Rohes Rindfleisch für das Auge dieses Herrn! – nichts besser als rohes Rindfleisch für eine Quetschung, mein Herr; kalter Laternenpfahl auch sehr gut, aber unbequem – verdammt unbequem, halbe Stunde auf offener Straße mit Auge am Laternenpfahl stehen – äh – aber sehr gut – hahaha!" Und ohne auch nur Atem zu holen, schluckte der Fremde auf Anhieb einen Viertelliter der dampfenden Mischung und warf sich behaglich in einen Stuhl, als wäre nichts Unangenehmes vorgefallen.

      Während sich die drei Jünger in Dankesbeteuerungen gegenüber ihrem neuen Bekannten ergingen, hatte Mr. Pickwick Muße, dessen Kleidung und äußere Erscheinung genauer in Augenschein zu nehmen.

      Er war von mittlerer Statur, aber die Schmächtigkeit seines Körpers und die Länge seiner Beine ließen ihn viel größer erscheinen. Sein grüner Rock mochte zu jener Zeit, als die Schwalbenschwänze Mode waren, hübsch gewesen sein; er hatte aber augenscheinlich damals einem weit kleineren Manne gehört, da die verschmierten, fadenscheinigen ärmel dem Fremden kaum bis zum Handgelenk reichten. Er war bis ans Kinn zugeknöpft; dafür drohte jedoch sichtlich die Gefahr, daß die Rückennähte platzen könnten. Eine alte Krawatte zierte seinen Hals – aber keine Spur eines Hemdkragens war vorhanden. Die knappen schwarzen Beinkleider zeigten da und dort glänzende Stellen und verrieten so, daß sie schon lange ihren Dienst leisteten. Sie waren straff über ein Paar geflickte Schuhe gezogen, um die schmutzigen weißen Strümpfe zu verbergen; aber ohne Erfolg. Sein langes schwarzes Haar quoll in ungepflegten Locken zu beiden Seiten unter einem verdellten alten Hut hervor, und hin und wieder kam das nackte Handgelenk zwischen den Enden der Handschuhe und den Aufschlägen der Rockärmel zum Vorschein. Das Gesicht war schmal und hager, aber ein unbeschreiblicher Ausdruck von zudringlicher Unverschämtheit und grenzenloser Selbstüberhebung sprach sich in der ganzen Erscheinung des Mannes aus.

      So sah die Gestalt aus, die Mr. Pickwick durch seine Brille, die er glücklicherweise wiedergefunden hatte, musterte und der er sich jetzt – nachdem seine Freunde sich erschöpft hatten – mit den wärmsten und gewähltesten Dankesbeteuerungen für den soeben gewährten Beistand näherte.

      "Gern geschehen", schnitt ihm der Fremde kurz das Wort ab. "Kein Wort mehr – verdammter 'Kerl, der Droschkenkutscher. Nimmt's mit fünfen auf – wäre ich Ihr Freund Grünrock gewesen – hol mich dieser und jener – hätte ihm den Kopf zerdroschen – ohne Umstände – Kellner, einen Schweinsrüssel – und den Pastetenmann dazu – nein, keinen Schinken."

      Diese zusammenhängende Rede wurde durch die Meldung des Rochester Postillions unterbrochen, daß der "Kommodore" sogleich abfahren würde.

      "Kommodore?" rief der Fremde aufspringend. "Mein Wagen – eingeschrieben – Außensitz – zahlen Sie meinen Grog – kein Kleingeld – abgegriffenes Silber – die reinsten Hosenknöpfe – geht nicht – wie?" Dabei schüttelte er pfiffig den Kopf.

      Nun hatten zufällig Mr. Pickwick und seine Begleiter ebenfalls Rochester als erstes Reiseziel festgesetzt und kamen deshalb mit ihrem neuen Bekannten überein, daß sie die Rücksitze des Wagens nehmen wollten, wo sie alle nebeneinander Platz hätten.

      "Rauf mit Ihnen", sagte der Fremde und half Mr. Pickwick mit einer Hast auf die Kutsche, die der Würde des Gelehrten beträchtlich Abbruch tat.

      "Kein Gepäck, Sir?" fragte der Kutscher.

      "Wer – ich? – Da, dieses Papierpaket – weiter nichts – das andere Gepäck ist zu Wasser fort – Kisten, zugenagelt und groß wie die Häuser – schwer, schwer, verdammt schwer", erwiderte der Fremde und zwängte sein Paket, das verdächtig danach aussah, als enthielte es nur ein Hemd und ein Sacktuch, so gut es ging, in die Tasche.

      "Achtung – Köpfe", rief er gleich darauf, als sie unter einem niedrigen Torbogen durchführen. "Schauderhafter Durchlaß – gefährliche Sache – vorgestern – fünf Kinder – Mutter – große Dame, aß Sandwiches – denkt nicht an den Bogen – Krach – Bumm – Kinder sehen sich um – Mutter ohne Kopf – Sandwich in der Hand – keinen Mund, um ihn hineinzustecken – Haupt der Familie tot – scheußliche Geschichte. Sehen Sie dort Whitehall, Sir? Schöner Ort – kleines Fenster – auch dort jemand Kopf verloren – Karl der Erste nämlich. – Nahm sich auch nicht genug in acht – was meinten Sie, Sir?" . "Ich dachte soeben", sagte Mr. Pickwick, "über die Vergänglichkeit aller irdischen Dinge nach."

      "Ja, ja. Karl der Erste – heute zur Tür des Palastes hinein – morgen durchs Fenster hinaus, aufs Schafott. – Philosoph, Sir?"

      "Hm, ja. Ein Beobachter der menschlichen Natur, Sir", versetzte Mr. Pickwick.

      "So? – Ich auch. – Die meisten Leute sind's, wenn sie wenig zu tun und noch weniger zu leben haben. – Poet, Sir?"

      "Mein Freund, Mr. Snodgraß, hat eine starke poetische Ader."

      "So? – Ich auch. – Episches Gedicht – zehntausend Verse – Julirevolution – an Ort und Stelle verfaßt – Mars bei Tag, Apollo bei Nacht – Kanonendonner – Geistesblitze."

      "Sie waren bei jenem glorreichen Schauspiel anwesend, Sir?" fragte Mr. Snodgraß.

      "Anwesend?" wiederholte der Grünrock. "Will's meinen3 – feuerte drauflos – Idee durch den Kopf geschossen – rasch in ein Weinhaus – schrieb sie nieder – wieder zurück – Schuß auf Schuß – eine andere Idee – abermals ins Weinhaus – Feder und Tinte – aufs neue zurück – gestochen und gehauen – großartige Zeit, Sir. – Jagdliebhaber, Sir?" wandte er sich plötzlich an Mr. Winkle.

      "Ein wenig, Sir."

      "Feiner Sport, Sir, feiner Sport. Hunde, Sir?"

      "Zur Zeit nicht", entgegnete Mr. Winkle.

      "Ah, Sie sollten Hunde halten – herrliche Tiere – schlaue Geschöpfe – hatte selbst einmal einen – Hühnerhund – merkwürdiger Instinkt – gehe eines Tages auf den Anstand – trete in eine Umzäunung – pfeife – Hund wie festgenagelt – pfeife wieder – ,Ponto!' Rührt sich nicht. – Rufe noch mal: – ,Ponto! Ponto!' – Rührt sich nicht – wie festgewurzelt – stiert auf ein Brett – sehe auf und lese die Inschrift: ,Der Wildhüter hat Befehl, alle Hunde, die er im Bereich dieser Umzäunung antrifft, totzuschießen.' – Wundervoller Hund, unschätzbarer Hund – kolossal."

      "In der Tat, einzig in seiner Art", sagte Mr. Pickwick "Würden Sie gestatten, daß ich mir das notiere?"

      "Gewiß,