"Ganz unnötig", entgegnete Mr. Winkle. "Sie können beides mir namhaft machen. Für einen Sekundanten werde ich' sodann schon Sorge tragen."
"Paßt es Ihnen heute abend vor Sonnenuntergang?" fragte der Offizier in gleichgültigem Ton.
"Sehr gut", entgegnete Mr. Winkle – und dachte bei sich: Sehr schlimm.
"Kennen Sie das Fort Pitt?"
"Ja, ich habe es gestern gesehen."
"Dann bitte ich Sie, sich auf dem Felde, das den Laufgraben abschließt, auf den Platz zu bemühen, wo die Schanze einen Winkel bildet, den Fußpfad linker Hand einzuschlagen, und geradeaus zu gehen, bis Sie meiner ansichtig werden. Ich werde die Herren dann zu einer geschützten Stelle führen, wo die Angelegenheit abgemacht werden kann, ohne daß wir eine Störung zu befürchten haben."
Störung zu befürchten! dachte Mr. Winkle.
"Das wäre wohl alles, dächte ich", sagte der Offizier.
"Ich wüßte auch nicht, was noch zu besprechen wäre", entgegnete Mr. Winkle.
"Guten Morgen."
"Guten Morgen."
Der Offizier pfiff eine Arie und entfernte sich.
Beim Frühstück herrschte eine ziemlich trübselige Stimmung. Mr. Tupman war nach der durchschwärmten Nacht nicht in der Lage, aufzustehen, Mr. Snodgraß schien an einer poetischen Depression zu laborieren, und selbst Mr. Pickwick zeigte eine ungewöhnliche Vorliebe für Schweigen und Sodawasser. Mr. Winkle wartete ängstlich auf eine günstige Gelegenheit. Sie ließ nicht lange auf sich warten. Mr. Snodgraß machte den Vorschlag, das Kastell zu besichtigen, und da Mr. Winkle der einzige von der Gesellschaft war, der Lust zu einem Spaziergang bezeugte, gingen sie miteinander aus.
"Snodgraß", begann Mr. Winkle, als sie die belebteren Straßen hinter sich hatten, "mein lieber Snodgraß, kann ich mich auf Ihre Verschwiegenheit verlassen?" Im Innersten seines Herzens dachte er: Ach, wäre es doch nicht der Fall!
"Unbedingt", beteuerte Mr. Snodgraß. "Ich schwöre es Ihnen bei allem ..."
"Nein, nein", unterbrach ihn Mr. Winkle, erschreckt durch den Gedanken, Mr. Snodgraß könnte sich unwillkürlich durch einen Eid die Zunge binden. "Schwören Sie nicht, schwören Sie nicht; es ist ganz und gar unnötig."
Mr. Snodgraß ließ die Hand, die er in poetischem Schwünge zu den Wolken erhoben hatte, wieder sinken und nahm die Miene gespanntester Aufmerksamkeit an.
"Ich bedarf Ihres Beistandes in einer Ehrensache, lieber Freund!"
"Mit Freuden", versetzte Mr. Snodgraß und drückte voll Wärme die Hand Mr. Winkles.
"Mit einem Doktor, Dr. Slammer vom siebenundneunzigsten Regiment", sagte Mr. Winkle, der die Sache so feierlich wie möglich machen wollte, "eine Ehrensache mit einem Offizier, dem ein Kamerad sekundiert, heute abend vor Sonnenuntergang, auf einem abgelegnen Feld, in der Nähe des Forts Pitt."
"Sie können auf mich rechnen", versicherte Mr. Snodgraß. Er war zwar erstaunt, aber keineswegs fassungslos.
Es ist wirklich kaum zu glauben, wie kaltblütig alle – außer den Beteiligten – sich in so einer Angelegenheit benehmen. Mr. Winkle hatte das nicht bedacht und die Gefühle seines Freundes nach den eignen eingeschätzt.
"Die Folgen können schrecklich sein", gab Mr. Winkle zu bedenken.
"Hoffentlich nicht", meinte Mr. Snodgraß.
"Der Doktor ist, glaube ich, ein sehr guter Schütze."
"Das sind Offiziere meistens", bemerkte Mr. Snodgraß ruhig. "Aber Sie sind's doch auch, nicht wahr?"
Mr. Winkle bejahte und änderte, da er seinen Gefährten nicht hinreichend bestürzt sah, seine Taktik.
"Snodgraß", sagte er, und seine Stimme bebte vor Erregung, "wenn ich falle, so werden Sie in einem Paket, das ich in Ihre Hände zu legen gedenke, einen Brief finden an – an meinen Vater."
Auch diese Attacke schlug fehl. Mr. Snodgraß war zwar gerührt, übernahm aber die Besorgung des Schreibens so Bereitwillig wie ein Briefträger.
"Wenn ich fallen sollte", fuhr Mr. Winkle fort, "oder wenn der Doktor fällt, so werden Sie, als bei der Sache beteiligt, vor Gericht gestellt. Schrecklich der Gedanke, meinen Freund der Gefahr der Deportation, wenn nicht noch Schlimmerem, auszusetzen!"
Mr. Snodgraß kratzte sich zwar ein wenig den Kopf, aber sein Heroismus war unerschütterlich. "Wenn es Freundespflicht gilt", rief er begeistert, "biete ich allen Gefahren Trotz."
Wie verwünschte Mr. Winkle in seinem Innern die aufopfernde Freundschaft seines Gefährten, als sie einige Minuten schweigend nebeneinander gingen, beide tief in Gedanken versunken.
Der Morgen entschwand, und Mr. Winkle geriet in Verzweiflung.
"Snodgraß", sagte er, plötzlich haltmachend, "daß uns nur ja keine Störung dazwischenkommt! Sie dürfen durchaus nicht etwa eine Anzeige machen oder die Polizei anrufen, um durch meine oder die Verhaftung des Dr. Slammer vom siebenundneunzigsten Regiment, wohnhaft in der Chathamkaserne, diesem Duelle vorzubeugen. Ich sage Ihnen, tun Sie es nicht."
Mr. Snodgraß ergriff die Hand seines Freundes mit Wärme und beteuerte enthusiastisch: "Seien Sie unbesorgt!"
Ein Schauder überlief Mr. Winkle, als er die schreckliche Überzeugung gewann, daß er von der ängstlichkeit seines Freundes nichts zu hoffen hatte und bestimmt war, das lebende Ziel einer Feuerwaffe zu werden.
Nachdem die Lage der Dinge mit allen Nebenumständen mit Mr. Snodgraß erörtert worden und in einem Kaufladen Pistolen, Pulver, Blei und Zündhütchen besorgt waren, kehrten die beiden Freunde in den Gasthof zurück; Mr. Winkle, um über das bevorstehende Duell nachzudenken, und Mr. Snodgraß, um die Waffen für den augenblicklichen Gebrauch gehörig instand zu setzen.
Es war ein trüber, unfreundlicher Abend, als sich beide auf den Weg machten. Mr. Winkle hatte sich, um der Beobachtung der Leute zu entgehen, in einen ungeheuren Mantel gehüllt, und Mr. Snodgraß trug unter dem seinen die Werkzeuge der Zerstörung.
"Haben Sie alles bei sich?" fragte Mr. Winkle mit erstickter Stimme.
"Alles", erwiderte Mr. Snodgraß. "Auch Munition die Fülle, wenn die ersten Schüsse resultatlos verlaufen sollten. Ein Viertelpfund Pulver in der Schachtel und zehn Zeitungen zu Pfropfen in der Tasche."
Das waren Freundschaftsbeweise, für die sich jeder Mensch hätte ungemein verpflichtet fühlen müssen. Vermutlich waren aber Mr. Winkles Dankesgefühl zu übermächtig, um sich in Worten ausdrücken zu lassen, denn er sagte nichts und ging, wenn auch ziemlich langsam, weiter.
"Wir kommen ganz zur rechten Zeit", bemerkte Mr. Snodgraß, als sie über die Hecke des ersten Feldes kletterten. "Die Sonne will eben untergehen."
Mr. Winkle blickte auf den sinkenden Feuerball und dachte mit Schmerz an die Möglichkeit seines eigenen "Untergangs", der ihm in so kurzer Frist bevorstehen konnte.
"Dort ist der Offizier!" rief er, nachdem sie wieder einige Minuten gegangen waren.
"Wo?"
"Dort! Der Herr in dem blauen Mantel."
Mr. Snodgraß blickte in die Richtung, die ihm der Finger seines Freundes wies, und gewahrte eine verhüllte Gestalt. Durch Winken mit der Hand gab der Offizier zu erkennen, daß er ihrer gleichfalls ansichtig geworden, und die Freunde folgten ihm in einiger Entfernung.
Der Himmel wurde mit jedem Augenblick trüber, und melancholisch heulte der Wind über die einsamen Felder, wie ein Riese, der seinem Hund pfeift. Das Düstere der Szene stimmte Mr. Winkle todestraurig. Er schauerte zusammen, als er an dem Laufgraben vorbeikam – der sah aus wie ein kolossales Grab.
Der Offizier bog plötzlich von dem Fußpfad ab, klomm über