EQUALIZER. Michael Sloan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Sloan
Издательство: Bookwire
Серия: Equalizer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958354616
Скачать книгу
hustete, als sich Blut in ihrem Mund sammelte. Sie spuckte es aus, und als wäre es ihr plötzlich unangenehm, zog sie das Trägertop über die Brüste.

      »Ich wohne in der Gegend«, sagte McCall, als mache er nur Konversation, als würden er und der Zuhälter sich auf einen Kaffee verabreden. »Und ich kenne die Cops hier auf dem Revier. Ich plaudere gerne mal mit dem Typ, der das Leichenschauhaus leitet. Sehr belesen. Er zitiert Blake genauso wie Harry Potter. Wenn ich herauskriege, dass das Mädchen wieder geschlagen wurde, dann suche ich nach dir. Und ich finde dich. Wenn du sie umlegst, dann werde ich dich persönlich auf einem der Seziertische im Leichenschauhaus abliefern. Alles klar?«

      Der Zuhälter nickte. Sonst nichts, nur ein Nicken. McCall ließ seine Hände los. Er wandte sich an das Mädchen, das ein Stück weiter zurückwich.

      Den Fehler hätte McCall vor einem Jahr noch nicht gemacht.

      Er hatte aus dem Blick des Zuhälters die Niederlage herausgelesen. Aber er hatte ihn fehlinterpretiert. Der Typ war gewieft. Hatte gewirkt, als wäre ihm der Kampfgeist ausgegangen, als hätte er sich gefügt, würde es diesmal auf sich beruhen lassen.

      Von hinten packte er McCall, nachdem er in einer fließenden Bewegung aufgestanden war. Ein muskulöser Arm drückte McCall die Kehle zu. Der Zuhälter wollte ihm den Daumen ins Auge drücken. Typische Straßenkämpfertaktik, aber nicht sehr clever. McCall griff nach der linken Hand des Zuhälters, brach ihm den Mittelfinger und den Ringfinger mit zwei kurzen, ruckartigen Bewegungen. Der Würgegriff um seinen Hals erschlaffte. McCall packte die rechte Hand seines Gegners und brach ihm den Mittelfinger und Ringfinger, drehte ihn dann herum und trat ihm in die Eier. Der Mann ging zu Boden und krümmte sich in Fötushaltung zusammen, die Beine schützten seinen Schritt und seine Hände zitterten, als er auf die gebrochenen Finger sah.

      »Wird ein paar Wochen schwer sein, deine Nutten zusammenzuschlagen«, sagte McCall. »Die Finger sind zerbröselt. Aber die werden verheilen.«

      »Du bist ein toter Mann«, brachte der Zuhälter mit krächzender, schmerzverzerrter Stimme heraus.

      »Wenn ich dafür jedes Mal zehn Cent kriegen würde …«, seufzte McCall.

      Er zog das Mädchen auf die Beine. Sie war etwa 1,75 Meter groß. Sie schnappte sich ihre weinrote Jacke, die auf einer der Mülltonnen hinter ihr gelandet war. McCall drängte sie die Gasse entlang, an den Kartons vorbei, bis sie auf der Broome Street waren. Dort herrschte dichter Verkehr. Ein Bus und ein paar gelbe Taxis fuhren vorbei. Das übliche ungeduldige Hupkonzert. McCall bemerkte einen uniformierten Polizisten an der Ecke zum Broadway. Er sah in ihre Richtung, kam aber nicht näher. Er unterhielt sich weiter mit dem Besitzer des Computerladens an der Ecke, dessen Auslage im Schaufenster so aussah, als verkaufe er Sachen, die von diversen Trucks gefallen waren.

      Das Mädchen holte ein paar Taschentücher aus der Jackentasche und stopfte sie in beide Nasenlöcher, um die Blutung zu stoppen. Standardprozedur.

      »Danke«, sagte sie. Ihre Stimme war deutlicher. »Ich glaube, diesmal hätte er mich umgebracht.«

      »Hätte er.«

      Jetzt, wo er ihr näher war, stellte er fest, dass sie schöne Augen hatte, braun-grün. Dankbarkeit lag in ihrem Blick, aber sie wurde von blanker Not überschattet.

      »Ich schulde dir was«, sagte sie. »Ich bin Lucy. Lucy in the Sky with Diamonds.«

      »Das ist dein Straßenname. Wie lautet dein echter Name?«

      »Wen kümmert das schon? Ich benutze ihn nie.«

      »Nur zur Unterhaltung.«

      »Margaret. Langweilig, oder? Wie heißt du?«

      »Ist unwichtig.«

      Sie drückte sich an ihn und ihre Stimme bekam den heiseren Unterton, von dem sie wusste, dass er normalerweise seine Wirkung nicht verfehlte. »Sicher, verstehe schon. Ich muss deinen Namen nicht wissen. Komm einfach mit. Es kostet auch nichts. Ich will nur nicht alleine sein. Bitte.« Sie nahm seine Hand. »Ich tue alles, was du willst.«

      Sie schob seine Hand unter ihr Trägertop, bis sie auf der linken Brust ruhte, und sah dann zu dem uniformierten Cop an der Ecke. Er blickte ein bisschen interessierter in ihre Richtung.

      »Können wir irgendwo hingehen?«, fragte sie drängend. »Zu dir?«

      »Ich bin spät dran und will meinen Sohn abholen.« McCall sagte es mit sanfter Stimme und zog die Hand unter ihrem Top heraus. »Dein Zuhälter wird dabei sein, sich die Finger verbinden zu lassen. Der sucht diesen Nachmittag nicht mehr nach dir. Aber vielleicht heute Abend. Wenn du Freunde in der Stadt hast, von denen er nichts weiß, dann bleib bei denen.«

      »Du kennst ihn nicht. Der findet mich. Mit dem legt man sich nicht an. Kann ich bei dir bleiben?«

      »Nein. Im Moment solltest du ins Krankenhaus gehen. Ich rufe dir ein Taxi und komme mit. Sorge dafür, dass die dich wieder zusammenflicken.«

      »Fick dich, du Arschloch«, sagte sie und Tränen brannten in ihren Augen. »Du hast deine Heldennummer abgezogen. Hat sich bestimmt super angefühlt.«

      Sie ließ ihn stehen und ging die Broome Street entlang, schlüpfte in ihre Jacke und zog sie eng um sich, als wäre ihr plötzlich sehr kalt.

      McCall dachte kurz darüber nach, ihr hinterherzulaufen, sie zu zwingen, mit ihm in ein Taxi zu steigen und sie ins nächste Krankenhaus zu bringen, das war das Bellevue. Aber das hieß, er kam zu spät, um Scott zu sehen. Er könnte sie auch einfach in ein Taxi setzen und ihr das Geld geben, damit sie in die Notaufnahme konnte, aber er wusste, sie würde an der ersten Ampel aus dem Wagen springen. Das Geld war zu wertvoll für sie, um es für das Verarzten ihres Gesichts auszugeben. Das konnte sie selbst.

      McCall überprüfte die Gasse, warf einen Blick hinter sich. Der Zuhälter war weg. Es war nicht genug Zeit gewesen, dass er es ganz bis ans andere Ende geschafft hätte. Er musste eine der Türen benutzt haben, die jetzt links von McCall waren. McCall war auf sich selbst sauer. Er hatte die wichtigste Regel gebrochen, an die er sich die letzten neun Monate lange gehalten hatte, und sich in eine Situation eingemischt, die absolut nichts mit ihm zu tun hatte. Er hoffte, was er getan hatte, würde sich nicht eines Tages rächen.

      Sogar der Cop an der Ecke sah ihn an, als wäre er ein Idiot. McCall lächelte müde in seine Richtung. Ja, ein paar Angewohnheiten lassen sich schwer abschütteln.

      Zumindest war das Mädchen noch am Leben.

      McCall schlug den Kragen hoch gegen den scheidenden Wind, der von der Broome Street her wehte, ging an dem Cop vorbei den Broadway entlang in Richtung U-Bahnstation.

      Zur selben Zeit stand Elena Petrova im Schlafzimmer einer Suite im dritten Stock des Metropol Hotel in der Teatralny Proezd in Moskau nackt vor einem Ganzkörperspiegel. Sie war brünett, Ende 30, groß, athletisch, zwar in Russland geboren, aber seit ihrem neunten Lebensjahr eine amerikanische Staatsbürgerin. Sie betrachtete die Messernarbe, die unter ihrer linken Brust anfing und sich bis kurz oberhalb des Schambereichs erstreckte. Da war auch noch das Stück vernarbter Haut an der rechten Seite, wo sie angeschossen worden war. Die Kugel hatte sie nur gestreift, aber das Andenken war immer noch da. Sie hatte ein Engelsgesicht, große braune lachende Augen – das Mädchen von nebenan mit einem leichten russischen Akzent. Es amüsierte sie immer, wenn ein Liebhaber in spe endlich »zur Sache kam«, wie ihre englischen Freundinnen es nannten, und auf ihre Kampfnarben reagierte. Sie sagte dann, sie sei in New York überfallen worden – die Messernarbe – und von einem Freund angeschossen worden, der seine neue Smith & Wesson SD40 präsentieren wollte, während sie einen romantischen Spaziergang durch den Bois de Boulogne in Paris machten.

      Nichts davon stimmte.

      Sie nahm etwas, das aussah wie eine lange Nadel, aus einem dünnen Plastiketui auf dem Tisch. Sie steckte sie in ihre Haare und befestigte sie an einem kleinen, schwarzen Barett. Man würde nie wissen, dass sie da war, außer man suchte danach.

      Durch das große Panoramafenster konnte man auf den Roten Platz sehen. Die Dämmerung brach schnell herein. Es fiel ein wenig Schnee. Sie