Fehlalarm!. Leopold Stummer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Leopold Stummer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9783904123433
Скачать книгу
der Medien, der Öffentlichkeit und besonders der Forschungsfonds-Manager, verursacht7 durch den AIDS-Wolf. Dies hatte eine Umschichtung von Forschungskapital (Charity-Fonds) ausgelöst, und dem pflegen Spitzenforscher zu folgen wie die Bienen dem Honig. (Der Vergleich von Fliegen und Aas ist in diesem Zusammenhang natürlich unangemessen.)

      Es ist absolut zu begrüßen, dass die besten (bzw. teuersten) Forscher sich mit AIDS beschäftigen, wahr bleibt aber auch, dass Krebs die zweithäufigste Todesursache geblieben ist. Die rasche Ablösung der jeweiligen Besorgnis durch die nächste, modernere, kann jedoch bereits begonnene Bekämpfungsmaßnahmen behindern, falls es sich nicht nur um ein Hirngespinst, sondern – wie bei Krebs – um ein echtes, schwerwiegendes Problem handelt.

      Insgesamt könnte nun gelegentlich der Eindruck entstehen, wir würden uns hier über die Sorgen anderer lustig machen. Um sicherheitshalber jeden fälschlichen Anschein von politischer oder irgendwelcher sonstiger Unkorrektheit schon im Ansatz zu vermeiden, folgt die salvatorische Generalklausel:

      Die hier bagatellisierten, trivialisierten, bestrittenen, in andere Perspektive gestellten oder auch nur angezweifelten Katastrophenszenarios bedeuten für tatsächliche Opfer – sollte es solche wirklich geben – natürlich persönliches Unglück. Hierfür sei ihnen das ausdrückliche Mitgefühl des Autors zugesichert! Ziel dieser Ausführungen ist die Kritik am Erzeugen und Ausnutzen von Ängsten aus meist niederen Motiven. Aufgrund von unzureichenden Informationen bei anderen Panik zu erzeugen, sich zu bereichern oder sogar wider besseres Wissen Menschen in Angst und Sorge zu versetzen, ist eigentlich soziopathisches Verhalten.

      5

      Die Gesundheit – ­Mindestens haltbar bis 2011?

      In diesem Abschnitt wenden wir uns den unmittelbaren Gesundheitsgefahren zu – wohl wissend, dass auch ein Meteoritentreffer ein gewisses Gesundheitsrisiko in sich birgt (dieser wird aber erst in einem der folgenden Kapitel behandelt werden).

      Das Rudel der Gesundheitswölfe ist sehr fruchtbar. Ständig spalten sich kleinere Rudel ab, wachsen oder schließen sich anderen Gruppen – z. B. den Techno-Wölfen – an. Bemühen wir uns, ein wenig den Überblick über die wirre Vielfalt zu gewinnen, so sehen wir zunächst zwei Hauptgruppen:

       Was ich tun (bzw. lassen) muss, um nicht krank zu werden; und (im Nichterfolgsfall):

       Wie werde ich wieder gesund?

      Das Wissen um die eigene Sterblichkeit begleitet die Menschen seit Beginn ihrer Geschichte. Abgesehen von durchaus erwünschten Todesfällen1 ist es meist schwer, dieses Wissen aus vollem Herzen freudig zu akzeptieren.

      Die verschiedenen religiösen Systeme bieten dafür nur scheinbar Hilfe – tot ist tot – und ewige Seligkeit, Walküren in Odins Halle, Houris im Paradies, eine neue, viel bessere Inkarnation usw. bleiben vage, unüberprüfbare Versprechungen. Darum versuchen ja auch die meisten Menschen, sogar wenn sie tiefreligiös sind, den eigenen Tod so gut als möglich2 zu vermeiden.

      Gefahr erkannt – Gefahr gebannt! Die Theorie lautet (implizit): Wenn man nur wirklich alles vermeidet, was die ­Gesundheit gefährdet oder dem Körper schadet, so wird man »ewiges« Leben erlangen. Besonders Zeitgenossen, die in ihrem Leben ohnedies nichts Bedeutendes geleistet haben, wünschen sich die Unsterblichkeit oft am dringendlichsten. Der Gedanke ist von verführerischer Einfalt – allerdings gibt’s (mindestens) zwei Probleme:

      Sogar vollkommene Askese bei allen bekannten Lastern kann nicht davor schützen, dass schon morgen eine neue, bis jetzt leider sträflich ignorierte Krankheit entdeckt wird. Deren (monokausale) Ursache wird eben erst dann den allerneuesten Messgeräten zugänglich. Mangels echter Erfahrung entstehen ringsum zahlreiche »Experten« (durch spontane Selbstdeklaration). Knapp alle Todesfälle (abgesehen von offensichtlichen Ausnahmen) können jetzt dieser jeweiligen neuen Gefahr zugeschrieben werden – es hatte sich schließlich bis jetzt leider niemand davor schützen können. Sogar wenn man also allen bekannten Gesundheitsrisiken ausweichen könnte, wird morgen ein neues entdeckt werden. Seinem Schicksal entkommt keiner, sogar bei bestem Willen nicht!

      Das zweite Problem ist, dass fremde Laster ein gesundes Leben ebenfalls bedrohen. Offensichtlichstes Beispiel sind die Knochenberge von unschuldigen Passivrauchern, die sich aus vergangenen, barbarischen Zeiten in öffentlichen Gebäuden, Transportmitteln und Lokalen angehäuft haben. Nur rigorose Beschränkung der Aktivitäten sämtlicher Mitbürger könnte etwas Hoffnung auf Schutz vor möglichen fremderzeugten Risiken bieten. Was aber, wenn viele Menschen dies nicht wollen? Letztlich muss dann doch wieder der Gesetzgeber eingreifen, um die Menschen vor sich selbst zu schützen – wie an den englischen Schulen, an denen die Eltern heimlich Junk Food für ihre Kinder einschmuggelten, weil denen das gesunde, wertvolle Schul-Essen (immerhin von Starkoch Jamie Oliver designt) nicht schmeckte. Dann doch besser fettes Essen einfach höher3 besteuern.

      Selbstverständlich ist strikte Enthaltsamkeit bei Genussgiften wie Nikotin, Alkohol, bald auch fettem Essen, Kaffee usw., kombiniert mit Absicherung sämtlicher Lebensbereiche – Tempo 30 im Verkehr, Helmpflicht4 beim Spaziergang, Schwimmweste beim Warmduschen – und was auch sonst noch immer zu unserer Wohlfahrt angeordnet werden kann, unbedingt notwendig. Diese Verbote sind zumindest für eines gut: Du wünschst dir lieber tot zu sein, oder – je nach Temperament – den unverzüglichen Tod aller anderen.

      Bitteres und ironisches Schicksal, wenn dann z. B. ein Autist durch eine panische Menschenmenge zertrampelt oder ein Zeuge Jehovas von einer eiligen Blutkonserven-Lieferung überfahren wird. Das einzig Sichere bleibt: Langfristig sind wir alle sowieso tot.

      Der Ausdruck des »Sich-krank-Jammerns« hat sich auch im Alltagsgebrauch durchgesetzt. Das (psychische) Krankheitsbild der Hypochondrie ist der medizinischen Wissenschaft wohlbekannt. Relativ neu ist die Methode von pharmazeutischen Betrieben, den Umsatz dadurch anzukurbeln, dass sie vorgeben, Symptome, die jeder gelegentlich hat, wie z. B. Müdigkeit, geringe Appetenz, kurzfristige Verdauungsstörungen, Missstimmungen etc., als Krankheiten zu deklarieren und (angeblich) zu therapieren. Wehwehchen, die früher leicht als »überarbeitet, zu wenig Sex, überfressen oder altersbedingt« diagnostiziert worden wären, können nun endlich weniger diskriminierend benannt und auch medikamentös behandelt werden. Es wäre doch erstaunlich, würden nach intensiver Fernsehwerbungsbestrahlung5 die beschworenen Leiden nicht tatsächlich gefühlt werden – außerdem kann viel Fernsehen tatsächlich Verstopfung, Fettleibigkeit, ­Augenbrennen, Hämorrhoiden, usw., usw. begünstigen. Immerhin ist medikamentöse Behandlung der mehr oder weniger eingebildeten (oder seitens der Industrie suggerierten) Wehwehchen immer noch wesentlich bequemer als die von manchen Ärzten geforderten Verhaltensänderungen (die trotzdem vielfach, meist zu Jahresbeginn, als »gute Vorsätze« beschworen werden).

      Trotz der beruhigenden Versicherung der Pharmakologie, gegen (oder für?) jegliche Beschwerde ein Medikament anzubieten, sind viele Menschen nicht so recht gewillt, sich ständig mit überteuerten Pillen vollzustopfen, geschweige denn, sich mühsamen Therapien zu unterwerfen. Vernünftigerweise versuchen sie deshalb zu vermeiden, was sie krank macht.

      Wie oben bereits angedeutet, ist dies allerdings praktisch unmöglich, denn man kann dann beispielsweise …

       … nichts6 mehr essen

      Nahrung besteht im Prinzip aus Fetten, Eiweiß und Kohlehydraten (Vitamine und Minerale kommen später, bzw. aus dem Fachhandel).

      Und Fette sind bekanntlich besonders schrecklich. Die Gruppe der gesättigten- und der trans-Fette ist seit langem als Massenmörder identifiziert. Fett essen > fett werden > Arteriosklerose > Herzinfarkt > aus die Maus! Koronare Herzerkrankungen und andere Kreislaufstörungen, z. B. Schlaganfall, sind als Todesursache der (westlich-industriellen) Bevölkerung tatsächlich auf Platz eins, noch vor Krebs und Atemwegserkrankungen. Cholesterin ist um jeden Preis zu vermeiden (gemeint ist natürlich das manichäisch »böse« LDL-Cholesterin, es gibt ja auch das angeblich »gute« HDL). Bedauerlicherweise versteckt es sich bevorzugt in wohlschmeckenden Speisen. Eier mit Speck zu essen (oder seinem Baby