Harmless - Arglos. Nicole Edwards. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nicole Edwards
Издательство: Bookwire
Серия: Pier 70
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958238367
Скачать книгу
ihnen zu versichern, dass er sich um Liam kümmern würde. Er und Cassie hatten sich darauf geeinigt, dass er ihn großziehen würde, falls ihr irgendetwas zustoßen sollte. Sie hatte hartnäckig darauf bestanden, dass Liam nicht ihrem Vater gegeben wurde. Ihre Beziehung zueinander war schon lange zerrüttet, also verstand Roan ihre Entscheidung.

      Als Cassie ihn gebeten hatte, Liams gesetzlicher Vormund zu werden, hätte Roan wahrscheinlich protestieren und sie zwingen sollen, ihre Verantwortung als Mutter ernster zu nehmen. Laut ihrer Aussage war es zu seinem Schutz, damit der Staat ihn ihm nicht wegnehmen konnte. Cassie waren ihre Probleme bewusst gewesen, selbst wenn sie nicht den Wunsch verspürte, sich zu ändern.

      Es war der einzig vernünftige Vorschlag, den Cassie seit Jahren gemacht hatte. Also widersprach Roan nicht. Allerdings zog er Liam praktisch seit dem Tag seiner Geburt bereits auf.

      Als sein Vater versuchte, Roan dazu zu drängen, Liam zu ihnen nach Hause zu bringen, hatte er abgelehnt. Irgendwann war er sogar laut geworden. Auf gar keinen Fall würde er Liam irgendwohin bringen. Nicht jetzt. Es war schlimm genug, das Baby aus seiner gewohnten Umgebung reißen zu müssen, aber Roan würde keine Minute länger in diesem Drecksloch bleiben.

      Ein leises Klopfen erklang von der Schlafzimmertür und Roan erhob sich, wobei er noch einmal nach Liam sah. Er griff nach dem Babyfon und stellte es an, bevor er zur Tür ging.

      »Hey«, sagte Cam sanft. »Wie geht es ihm?«

      »Er schläft«, teilte Roan ihm mit, während er die Tür zuzog.

      »Willst du reden?«

      Nicht wirklich, aber Roan wusste, dass Cam und Gannon ein paar Antworten verdienten. Sie boten ihm ihr Zuhause an – wenn auch nur für eine gewisse Zeit – und ihm war bewusst, dass sie wissen sollten, was vor sich ging.

      Roan folgte Cam in die Küche. Gannon saß am Tisch, auf dem drei Tassen standen.

      »Koffeinfrei«, sagte Gannon und deutete mit einem Nicken auf eine der Tassen.

      »Danke.«

      Seine Beine schienen unter ihm nachzugeben, als er sich setzte. Er war erschöpft, doch er ignorierte es. Das tat er jetzt schon so lange.

      Bevor Roan irgendetwas sagen konnte, ergriff Cam das Wort. »Ich muss mich bei dir entschuldigen.«

      Roan begegnete seinem Blick, konnte sein Stirnrunzeln jedoch nicht verbergen. Entschuldigen? Wofür?

      Cam warf Gannon einen flüchtigen Blick zu, bevor er Roan wieder ansah. »Ich weiß, dass ich dir seit… einer ganzen Weile kein guter Freund gewesen bin.« Er deutete mit dem Kopf in Richtung Schlafzimmer. »Ich wusste es nicht einmal… Ich hätte es wissen sollen. Ich hätte dir meine Hilfe anbieten sollen. Es ist offensichtlich, dass du mir nicht genug vertraut hast, um mir zu sagen, dass…«

      »Das ist nicht wahr«, widersprach Roan und in seiner Stimme schwangen seine Schuldgefühle mit. »Das hatte nichts mit Vertrauen zu tun.« Hatte es wirklich nicht.

      Cam wirkte nicht überzeugt. »Ich weiß, dass ich ein bisschen… beschäftigt war, seit ich Gannon kennengelernt habe. Du verdienst etwas Besseres von mir.«

      Roan räusperte sich. Obwohl er wusste, dass Cam sich all die Monate über selbst die Schuld gegeben und geglaubt hatte, er wäre der Grund, warum Roan sich distanzierte, hatte er sich nicht die Mühe gemacht, ihn zu korrigieren.

      »Es lag nicht an dir.« Er musterte Cam, dann sah er kurz zu Gannon hinüber. »Oder an dir. Das alles war meine Schuld. Cassie war…« Mein Gott, wie sollte er das erklären? »Sie war schon lange ein einziges Wrack. Ich wollte mich nicht damit befassen, aber irgendjemand musste es tun. Ich wusste, dass sie mich brauchte, auch wenn sie mich gehasst hat.«

      »Sie hat dich nicht gehasst«, warf Cam ein.

      Roan lachte bitter auf. »Oh, sie hat mich gehasst. Mit einer Leidenschaft, die alles in den Schatten gestellt hat.« Das war die Wahrheit. Cassie hatte jeden gehasst, aber ganz besonders ihn, weil er sich geweigert hatte, sie in Ruhe zu lassen. »Sie war nicht sehr nett und ich wollte nicht, dass sich irgendjemand mit diesem Mist auseinandersetzen musste. Es war schon schwer genug für mich.«

      »Aber sie hat dich zu Liams gesetzlichem Vormund gemacht«, merkte Gannon mit fragendem Blick an.

      »Hat sie. Aber ich glaube, sie tat es, weil sie verhindern wollte, dass der Staat ihn ihr wegnimmt. Außerdem hatte sie kein Geld, um für ihn zu sorgen.« Und sie hatte auch keinen Versuch unternommen, an welches zu kommen.

      »Weißt du, wer der Vater ist?«, wollte Cam wissen.

      »Nein. Cassie hatte keine Ahnung.« Roan hasste diese Geschichte, doch er konnte sie nicht länger für sich behalten. »Sie hat sich für Geld verkauft. Um an ihren nächsten Schuss zu kommen. Sie meinte, es hätte eine ganze Reihe an Kerlen sein können.« Er senkte den Blick auf den Tisch. »Ehrlich gesagt glaube ich, dass Liam ohne ihn besser dran ist, wer auch immer er ist. Ich vermute, dass Liams Vater ein Dealer oder so etwas war.«

      »Ist Liam gesund?«, fragte Gannon. »Ich nehme an, dass er bei seiner Geburt Probleme hatte.«

      Roan nickte und ließ die Finger an der Kaffeetasse hinabstreichen. »Ja. Hatte er. Aber er ist ein Kämpfer. Sie hat im fünften Monat rausgefunden, dass sie schwanger war.«

      »Das erklärt, wo du all die Monate über warst«, äußerte Cam und sein Tonfall war schärfer als zuvor.

      »Irgendjemand musste ihr beim Entzug helfen«, rechtfertigte sich Roan. »Da mein Vater und Lydia sich geweigert hatten, ihr zu helfen, bevor sie schwanger wurde, hat sie mir das Versprechen abgenommen, ihnen nichts zu sagen.«

      »Sie wussten es nicht?« Cam wirkte entsetzt.

      »Sie haben sie nie gesehen. Nicht ein einziges Mal sind sie zu Besuch gekommen und haben nur selten angerufen.« Das war allerdings nicht ungewöhnlich. Sein Vater und seine Stiefmutter lebten in ihrer eigenen kleinen Welt.

      »Du hast also rausgefunden, dass sie schwanger war, und dann was? Hat sie aufgehört, Drogen zu nehmen?«

      »Nein. Es war ein langer Kampf. Sie hat weder auf die Drogen noch auf Alkohol verzichtet. Wir haben uns ständig gestritten. Besonders, nachdem ich bei ihr eingezogen war. Ich wusste aber, dass jemand ein Auge auf sie haben musste. Schließlich…« Roan sah zu Cam auf. »Ich dachte, ich wäre zu ihr durchgedrungen. Sie hatte sich eine Weile lang im Griff, jedenfalls behauptete sie das. Ich hatte den Verdacht, dass sie ein paarmal rückfällig geworden ist, aber ich habe es ihr durchgehen lassen.« Wie ein Idiot. »Ich dachte, sie wäre wieder auf dem richtigen Weg und das wäre der Grund, warum sie sich so widerlich verhalten hat.«

      Es war alles gelogen gewesen. Cassie hatte nie mit den Drogen aufgehört, sondern sie nur vor ihm versteckt.

      Er wollte nicht genauer ausführen, wie Liam mit einer Drogensucht zur Welt gekommen war. Er war beinahe ausgerastet, als er herausfand, dass Liam einen Entzug machen musste, weil Cassie ihn während ihrer Schwangerschaft mit Drogen gefüttert hatte. Es war ein schrecklicher Augenblick in Roans Leben gewesen, als er dieses Baby sah, das an Infusionsschläuche angeschlossen worden war, während sie ihn mit irgendetwas vollpumpten, was den giftigen Mist nachahmen sollte, den sie sich selbst verabreicht hatte.

      An diesem Punkt hatte Roan Cassie gesagt, dass er sie hasste. Für das, was sie Liam angetan hatte.

      »Ich wünschte, du hättest was gesagt«, meinte Cam mit leiser Stimme. »Ich weiß, ich hätte versuchen sollen, mit dir zu reden, aber…«

      Roan hielt Cams Blick fest. »Ich wollte niemanden Cassies Zorn aussetzen. Und glaub mir, sie war bösartig.«

      Meistens war sie grausam gewesen. Nicht, dass Roan sich ihr gegenüber sehr viel netter verhalten hatte.

      »Wie können wir dir helfen?«, bot Gannon an.

      Roan zuckte mit den Schultern. Er hatte noch keine Zeit gehabt, darüber nachzudenken. »Ich werde eine Zeit lang Urlaub brauchen«, teilte er ihnen mit.

      »Absolut verständlich.