Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman. Nina Kayser-Darius. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nina Kayser-Darius
Издательство: Bookwire
Серия: Kurfürstenklinik Paket
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740970673
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ich weiß nicht, ob er vielleicht tot ist…«

      »Wovon redest du denn?« fragte der Bauer erschrocken. »Nun mal ganz langsam. Was ist passiert?«

      Aber nun fing Max an zu schreien und zu weinen und rief: »Nicht langsam, schnell, schnell, sonst stirbt Flo. Rufen Sie einen Rettungswagen, bitte. Er braucht einen Arzt, sonst stirbt er – ganz bestimmt!«

      Die Bäuerin erschien nun ebenfalls und fragte: »Was ist denn los?«

      »Mein Freund liegt neben Ihrem Wasserbecken!« schrie Max, weil diese Erwachsenen einfach nicht begreifen wollten, was er sagte. Wie konnten sie nur so schrecklich langsam sein, wo es doch eilig war, Flo zu retten. »Er ist von der Mauer gefallen und bewußtlos und braucht einen Arzt. Bitte, rufen Sie einen Rettungswagen, bitte. Sein Bein ist ganz verdreht, und er sagt nichts mehr.«

      Die Bäuerin hatte schon den Telefonhörer in der Hand. »Ich rufe an, und du holst den Jungen ins Haus«, sagte sie zu ihrem Mann.

      Johann Friedrichs nickte. Mittlerweile war er hellwach, und allmählich verstand er auch, was Max sagte. »Einen Augenblick noch, Jungchen!« brummte er. Er lief die Treppe wieder hinauf, zog sich in Windeseile ein paar Sachen über, nahm eine starke Taschenlampe mit und rannte wieder nach unten.

      »Auf geht’s, Jungchen. Ich habe eine Lampe dabei, dann finden wir ihn schneller.«

      Max sagte nichts, er rannte

      bereits wieder los, und Bauer Friedrichs folgte dem Jungen in die schwarze Nacht.

      *

      »Adrian!« rief Schwester Monika. »Zwei siebenjährige Jungen werden gleich gebracht, der eine ist offenbar bei einem Sturz von einer Mauer schwer verletzt worden, der andere hat einen Schock oder ist zumindest sehr durcheinander. In fünf Minuten sind sie hier.«

      »Sturz von der Mauer?« fragte Adrian verblüfft. »Mitten in der Nacht? Was ist das denn für eine Geschichte?«

      »Die Sanitäter konnten nichts Genaueres sagen. Sie wissen nicht, wer die Jungen sind. Der Bauer, auf dessen Grundstück das Unglück passiert ist, hat den Rettungswagen gerufen.«

      Adrian schüttelte den Kopf. »Was es nicht alles gibt!« seufzte er. »Das sind also nicht die Kinder des Bauern?«

      »Soviel ich weiß, nein.«

      »Und wo sind die Eltern von den Kindern?«

      »Keine Ahnung. Die wissen offenbar von nichts.«

      »Was sind denn das für Eltern, die nicht wissen, daß ihre Kinder nachts draußen herumlaufen?« wunderte sich Adrian. »Oder meinst du, die sind erst ganz normal ins Bett gegangen und dann heimlich abgehauen?«

      »Mich darfst du nicht fragen«, antwortete Monika. »Ich weiß genauso wenig wie du.«

      Sie machten sich an die Vorbereitung von zwei Notfallkabinen, und Adrian sagte: »Ruf doch Dr. Eder mal an, Moni. Er hat auch Nachtdienst. Sag ihm, daß hier gleich zwei Kinder eingeliefert werden, vielleicht kann er mal kurz vorbeikommen.«

      Monika Ullmann nickte und lief zum Telefon. Sie war noch nicht wieder zurück, als die Sanitäter die angekündigten Jungen brachten.

      »Der Kleine hier heißt Florian und ist von einer Mauer in ein mit Wasser gefülltes Steinbecken gefallen – zum Teil ins Wasser, zum Teil auf die Steine. Dabei hat er sich ein Bein gebrochen und eine Gehirnerschütterung zugezogen. Außerdem ist er unterkühlt. Er ist jetzt wieder bei Bewußtsein. Wir haben ihm bereits eine Infusion mit Kochsalz gegeben«, berichtete einer der beiden Männer.

      Dann wies er auf den Jungen, der mit einem weiteren Sanitäter langsam hereinkam. »Und das ist Max, der Junge, der zu dem Bauern gelaufen ist und um Hilfe gerufen hat. Der Schock, den er bekommen hat, wirkt erst jetzt.«

      »Vielen Dank«, sagte Adrian zu den Männern, die sich sofort wieder verabschiedeten.

      »Kümmere dich zuerst einmal um Max«, meinte er leise zu Schwester Monika, die gerade zurückkehrte. »Er hat einen Schock. Versuch ihm ein paar Informationen zu entlocken, damit wir wissen, was eigentlich passiert ist, und gegebenenfalls die Eltern verständigen.«

      »Dr. Eder kommt, sobald er kann. In einer halben Stunde etwa«, erklärte sie. Dann legte sie Max einen Arm um die Schultern und sagte freundlich: »So, und du brauchst erst einmal etwas Warmes zu trinken, glaube ich. Komm mal mit, Max. ich heiße Moni.«

      Mit gesenktem Kopf trottete er neben ihr her.

      Adrian Winter und Julia Martensen zogen Florian unterdessen vorsichtig die nassen Sachen aus, denn der Junge klapperte laut mit den Zähnen.

      »Florian?« fragte Adrian. »Du heißt doch Florian?«

      »Ja«, kam die leise Antwort.

      »Sag uns bitte genau, wo es dir weh tut. Machst du das?«

      »Mein Bein!«

      Julia hatte die Hose mittlerweile aufgeschnitten, weil es unmöglich war, sie über das verletzte Bein zu ziehen, ohne dem Jungen Qualen zu bereiten. Sie untersuchte es rasch und sagte: »Es ist gebrochen. Er muß sehr unglücklich gefallen sein.«

      Adrian tastete vorsichtig Florians Bauch ab. »Tut das weh?«

      »Nein«, wisperte der Junge. »Nur mein Bein. Und mein Kopf. Mir ist schrecklich kalt.«

      »Wir brauchen warme Dekken«, sagte Adrian. »Und wir sollten ihm eine erwärmende Infusion geben. Danach muß er in den OP, das Bein muß operiert werden, es ist ein komplizierter Bruch.«

      »Ich hole die Decken«, erklärte Julia und verschwand.

      »Ich will meine Mama sehen.«

      »Sie kommt, sobald wir sie erreicht haben«, sagte Adrian beruhigend, während er seine Untersuchung fortsetzte.

      Als Julia mit den Decken zurückkehrte, meinte er: »Innere Verletzungen hat er offenbar nicht, also können wir ihn wenigstens hier noch aufwärmen.«

      Julia beugte sich über den Jungen und sagte leise. »Er hat Kryptorchismus, Adrian.«

      Adrian nickte. »Ja, ich habe es gesehen. Aber darüber reden wir später, das ist im Augenblick das geringste Problem.«

      Sie hüllten den Jungen in die angewärmten Decken. Noch immer klapperten seine Zähne. »Ich werde ihm ein Schmerzmittel geben«, meinte Adrian. »Und dann sollten wir ein OP-Team vorwarnen.«

      Schwester Monika kam und sagte leise: »Könnt ihr bitte mal mit mir nach draußen kommen?«

      Sie folgten ihr verwundert. »Was ist los?« fragte Adrian.

      »Das ist Frau Dr. Plessensteins Sohn«, antwortete sie. »Florian Plessenstein, so heißt er. Und sein Freund heißt Max Sennelaub. Er hat mir eine ziemlich wirre Geschichte erzählt, aber was ich verstanden habe, ist: Sie sind gemeinsasm weggelaufen, weil Frau Plessensteins Freund sich über Florian lustig gemacht hat. Auf welche Weise, weiß ich nicht, das will der Junge nicht sagen. Es muß etwas mit seinen Geschlechtsteilen zu tun haben.«

      »Seine Hoden sind noch in der Bauchhöhle oder im Leistenkanal«, erklärte Adrian. »Das haben wir gerade festgestellt.«

      Schwester Monika nickte. »Dann ist das ja geklärt. Jedenfalls sind sie weggelaufen, damit die Mutter einen Schrecken bekommt und sich von ihrem Freund trennt. Wie gesagt, das ist die Geschichte, die ich verstanden habe.«

      »Ach, du liebe Güte«, murmelte Adrian. »Dann werde ich jetzt mal unsere Kollegin Plessenstein anrufen. Und danach die Eltern von Max. Das ist ja wirklich eine schöne Geschichte.«

      »Und was machen wir mit Florian?« fragte Julia Martensen.

      »In den OP, sobald er aufhört, mit den Zähnen zu klappern – und wenn die angewärmte Infusion durchgelaufen ist«, bestimmte Adrian. »Außerdem muß er noch geröntgt werden wegen seiner Gehirnerschütterung. Moni, sag bitte oben Bescheid, daß sie in der nächsten Stunde einen Jungen mit einem offenen Beinbruch operieren