Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman. Nina Kayser-Darius. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nina Kayser-Darius
Издательство: Bookwire
Серия: Kurfürstenklinik Paket
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740970673
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was los? Flo ist so still, aber er will nichts sagen. Ihr habt euch nicht zufällig gestritten?«

      »Nein!« Die Antwort kam sofort und erschien ihr ungewöhnlich heftig. »Darf Flo morgen bei mir schlafen? Ich glaube, er traut sich nicht, Sie zu fragen, weil er Angst hat, daß Sie nein sagen.«

      »Warum soll ich nein sagen?« wunderte sich Gabriele. »Er übernachtet doch öfter bei dir.«

      »Ja, aber das letzte Mal ist ja noch nicht so lange her«, sagte Max schnell. »Meine Mutter hab’ ich schon gefragt, sie hat nichts dagegen.«

      »Ich hab’ auch nichts dagegen«, versicherte Gabriele. »Tschüs, Max, ich bin froh, daß ihr euch nicht gestritten habt.«

      »Tschüs!« sagte Max und legte auf.

      Gabriele ging in das Zimmer ihres Sohnes und sagte: »Ich habe gerade mit Max gesprochen.«

      Er richtete sich kerzengerade auf und starrte sie an.

      »Flo, willst du mir nicht endlich sagen, was los ist? Max sagt, du willst morgen bei ihm übernachten und traust dich vielleicht nicht, mich zu fragen. Was soll der Quatsch? Das macht ihr doch öfter! Ich habe ihn gefragt, ob ihr gestritten habt. Aber das habt ihr ja wohl nicht.«

      »Nein«, antwortete Florian. Er wirkte jetzt wieder etwas entspannter. »Alles okay, Mama. Wirklich.«

      Sie ging zu ihm. »Gute Nacht, mein Schatz. Ich mache mir aber Sorgen um dich, wenn du nicht fröhlich bist.«

      »Ich bin fröhlich«, versicherte er. »Superfröhlich sogar.«

      »Du bist ein Spinner«, sagte sie zärtlich und gab ihm einen Kuß. »Schlaf schön. Bis morgen.«

      »Ja«, sagte er. »Bis morgen, Mama.«

      Sie verließ das Zimmer und rief Rainer an. »Sag mir jetzt bitte, ob irgend etwas vorgefallen ist zwischen Flo und dir«, begann sie. »Der Junge verhält sich eigenartig.«

      Rainer zögerte. Er hatte einen harten Tag hinter sich und keine Lust auf anstrengende Gespräche über Gabrieles Sohn. Dieser Junge ging ihm ohnehin gehörig auf die Nerven.

      »Mit mir hat das bestimmt nichts zu tun!« behauptete er. »Wir haben doch kaum miteinander gesprochen, du weißt ja, wie er sich mir gegenüber immer verhält. Ich habe gelesen, er auch. Und dann ist er ins Bett gegangen.«

      »Ich verstehe das nicht«, sagte Gabriele. »Er ist so in sich gekehrt, das kenne ich gar nicht von ihm.«

      »Es wird etwas mit der Schule sein, mein Schatz. Sehen wir uns morgen?«

      Sie zögerte kaum merklich. »Ja, gern«, sagte sie dann. »Florian will morgen bei Max übernachten.«

      »Wunderbar!« Seine Stimme klang jetzt voller Wärme. »Warum hast du das nicht gleich gesagt?«

      Ja, überlegte Gabriele, als sie sich voneinander verabschiedet hatten. Warum hatte sie das nicht gleich gesagt?

      *

      Thomas Laufenberg, der neue Verwaltungsdirektor der Kurfürsten-Klinik, grübelte über dem Stellenplan. Es war später Abend, aber tagsüber gab es immer soviel anderes zu tun, so daß er oft abends noch lange in seinem Büro saß, um Dinge aufzuarbeiten, die er während des Tages nicht geschafft hatte.

      Er war ehrgeizig – aber nicht für sich selbst, sondern für die Klinik. Er wollte der Verwaltungsdirektor eines ganz besonderen Krankenhauses sein. Es sollte nicht nur medizinisch-technisch auf dem neuesten Stand sein, sondern er träumte auch davon, daß das Personal hochmotiviert und begeisterungsfähig war und gern dort arbeitete.

      Von diesen Träumen wußte außer ihm selbst niemand etwas, und das war gut so. Solange er ihrer Verwirklichung noch nicht näher gekommen war, sollte das auch so bleiben. Aber eines Tages würde es ihm gelungen sein, zumindest ein paar seiner Vorstellungen in die Tat umzusetzen.

      Seufzend studierte er die Abteilung, die ihn im Augenblick besonders interessierte. Die Notaufnahme. Dr. Winter und seine betonte Abwehrhaltung reizten ihn. Ein großartiger Chirurg war er, das hatte Thomas Laufenberg schon gehört. Und er war als Leiter der Notaufnahme außerordentlich beliebt, auch das hatte sich bis zu ihm herumgesprochen. Eines Tages würde es vielleicht möglich sein, daß sie einmal wie zwei vernünftige Menschen miteinander redeten, aber im Augenblick konnte Dr. Winter seine Abneigung gegen die Verwaltung im allgemeinen und den neuen Direktor im besonderen wohl noch nicht überwinden.

      Er schob die Papiere von sich. Das sah in der Tat nicht gut aus für neues Personal in der Notaufnahme. Dabei hatte Dr. Winter mit seiner Klage völlig recht. Die Notaufnahme war unterbesetzt. Man mußte dringend etwas unternehmen, denn auf Dauer konnte niemand so arbeiten.

      Müde schloß er die Augen. Er würde sich etwas einfallen lassen müssen – und zwar möglichst bald. Aber nicht mehr in dieser Nacht, dazu war er viel zu müde. Er sah auf die Uhr. Soeben brach der neue Tag an, und er murmelte sich selber zu: »Guten Morgen, Tom!«

      Dann stand er auf und verließ die Klinik.

      *

      Sie waren morgens gleich mit der U-Bahn aus der Stadt gefahren, hatten sich auf eine Bank in einem Park gesetzt und überprüften jetzt ihre Vorräte.

      »Damit kommen wir ein paar Tage hin, ohne etwas zu kaufen«, sagte Max fachmännisch. »Das ist sehr gut, denn wir haben ja nicht viel Geld. Als erstes müssen wir jetzt die Briefe schreiben, damit deine Mutter und meine Eltern morgen gar nicht erst anfangen, sich Sorgen zu machen. Ich habe alles mitgenommen, was wir brauchen.«

      »Und wo wollen wir die Briefe schreiben?« erkundigte sich Florian. »Hier draußen auf der Bank?«

      »Wir müssen sparsam mit unserem Geld umgehen«, meinte Max. »In einem Café etwas zu bestellen, ist teuer. Wenn wir jetzt schon anfangen, Eis und Kuchen zu kaufen, dann müssen wir vielleicht zu früh zurück, weil wir kein Geld mehr haben. Und dann hat deine Mutter ihren Freund vielleicht noch nicht weggejagt, und wir sind ganz umsonst weggelaufen. Das wäre doch total blöd.«

      Das leuchtete Florian ein. »Wir nehmen die Schultasche als Unterlage«, schlug er vor. »Darauf kann man ganz gut schreiben.«

      Und so machten sie es auch: Es wurden zwei ausführliche Briefe, die nicht direkt in Schönschrift geschrieben, aber doch gut leserlich waren. Jedenfalls fanden die beiden Jungen das. Sie halfen einander bei den Formulierungen und waren am Schluß sehr beeindruckt von ihren Werken. Besonders gelungen fand Max die Wendung am Ende seines Briefes. Er hatte mit Euer Euch ewig liebender Sohn Max unterschrieben.

      »So macht man das«, erklärte er. »Das habe ich in einem Buch gelesen. Damit die Eltern gleich wissen, daß man nichts gegen sie hat. Du mußt das bei deinem Brief auch machen.«

      Florian nickte. Ihm gefiel die Wendung auch, und seine Mama war bestimmt glücklich, wenn sie sie las.

      Als beide Briefe fertig waren, wurden sie sorgfältig gefaltet, in die bereits vorbereiteten Umschläge geklebt, und dann machten sich die Jungen auf die Suche nach einem Briefkasten.

      »Bis jetzt klappt alles wie geschmiert«, stellte Max zufrieden fest. »Und wenn ich mir vorstelle, daß die anderen in der Schule sitzen, dann finde ich es richtig cool, daß wir abgehauen sind.«

      Florian nickte. Er fand es nicht ganz so cool, aber das behielt er für sich. Er wollte nicht, daß Max glaubte, ihn habe der Mut verlassen – auch wenn das der Wahrheit ziemlich nahe gekommen wäre.

      *

      »Ist es nicht herrlich, wenn wir mal einen Abend ganz für uns allein haben?« fragte Rainer Wollhausen zärtlich und ließ seine Hand über Gabrieles Rücken gleiten.

      »Ja«, gab sie zu, »das ist schön, aber ich habe trotzdem ein merkwürdiges Gefühl dabei, wenn du nur gern mit mir zusammen bist, ohne daß Florian dabei ist. Er ist nun einmal ein Teil meines Lebens, Rainer, ob dir das gefällt oder nicht.«

      Es war etwas in ihrer Stimme, das ihn zur Vorsicht mahnte, und so sagte er nur sehr sanft: »Wer behauptet denn, daß