Von St. Stephan nach St. Marx. Gerhard Tötschinger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerhard Tötschinger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783902998934
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Gelegenheit, auch wenn das aus Wien hinausführt: Eine von Bélas Schwestern wurde und wird von den Magyaren innig verehrt, Elisabeth die Heilige. Sie war mit dem Landgrafen von Thüringen verheiratet und lebt seit Jahrhunderten in der Erinnerung der Ungarn wie der Thüringer.

      Da hatte sich Friedrich II. also keinen einfachen Gegner ausgesucht. Seine Hauptstadt Wien wurde zwar nicht eingenommen, jedoch nur gegen hohe Reparationszahlungen – die durch Steuererhöhungen aufgebracht werden sollten. Aufgebracht waren aber nun die Wiener, die keinen Sinn für die Machtspiele ihres Herrn hatten. Der hatte sie schon auf vielfache Weise geärgert – so hatte er sie etwa um ein Schauspiel gebracht, und das wird einem hier nicht leicht verziehen. In den ersten Maitagen des Jahres 1234 richtete Friedrich II. für seine Schwester Konstanzia ein prachtvolles Hochzeitsfest aus, mit zahlreicher Prominenz und mit Ritterspielen. Bräutigam war Markgraf Heinrich von Meissen. Aber es fand nicht in Wien statt, was man doch hätte erwarten können, sondern im kleinen Stadlau.

      Was immer den Herzog zu der ärgerlichen Entscheidung bewogen haben mochte, sie trug zum latenten Zwist bei. Und nun die Forderung, die Wiener Bürger für Friedrichs ungarisches Kriegsspiel bezahlen zu lassen!

      In großer und seltener Einhelligkeit wandten diese sich an die nächste Instanz, den Kaiser. Ihre Stadt hatte in den Jahrzehnten unter Leopold VI. in langen Friedensjahren an Bedeutung und Bevölkerung stark zugenommen, sie stand nach Köln an zweiter Stelle im Reich. Der Kaiser, auch er ein Friedrich II., gab den Wienern recht und verhängte über seinen Namensvetter 1236 die Reichsacht. Seit 1220 folgte dem Kirchenbann automatisch die Reichsacht – so war man »in Acht und Bann getan«. Das immerhin blieb dem Babenberger erspart, doch er war seines Lehensrechts verlustig gegangen.

      Das war dem jungen Neustadt, das seinen Zusatz »Wiener« erst im 17. Jahrhundert bekommen hat, ziemlich egal. Man nahm den Sohn des Gründers – Leopold VI. hatte 1195 zu bauen begonnen – mit Ehren in seiner Geburtsstadt auf. Und obwohl der Rechtlose an sich nichts zu melden, geschweige denn zu vergeben hatte, wurde nun das Münzrecht den Fischauern weggenommen und auf Neustadt übertragen, das Marktrecht hatte die Siedlung schon. Der Kaiser beauftragte den Herrscher von Böhmen, Wenzel I., seinen aufmüpfigen österreichischen Kollegen zur Vernunft zu bringen, der tat wie geheißen und eroberte Niederösterreich und damit auch Wien.

      1236 zog der Kaiser mit seinem Heer nach Wien, im Jänner 1237 bereitete ihm die Stadt einen festlichen Empfang. Das dürfte Friedrich gefallen haben, er blieb beinahe ein halbes Jahr. Und er brachte als Gastgeschenk die Erhebung zur Freien Reichsstadt mit. Das bedeutete etliche neue Privilegien, die freilich viele andere Städte schon lange innehatten, weit kleinere wie Memmingen, Dinkelsbühl oder Rothenburg ob der Tauber.

      Nunmehr konnte der Landesherr neue Steuern nur noch mit Zustimmung des Stadtrates einheben, die Stadträte erhielten auch ad personam weitere Rechte.

      Der kaiserliche Glanz war nicht von Dauer. Der Kaiser rückte mit seinen Truppen ab, der Herzog rückte heran, auch er mit seinen Truppen. Diese verweigerten wie die Neustädter den Gehorsam nicht und schlugen sich erfolgreich gegen die Kaiserlichen. Wien wurde 1238 belagert, monatelang. Im Dezember 1239 war es mit dem Mut vor dem Fürstenthron vorbei, da konnte auch der vom Kaiser zurückgelassene Reichsverweser nicht helfen, der Hunger schlug die Stadt, sie musste aufgeben. Bald darauf versöhnten sich die beiden Friedriche.

      Nun hätte man ein Donnerwetter erwarten können, doch es blieb aus. Die Reichsunmittelbarkeit war freilich zur lieben Erinnerung geworden, nach kaum drei Jahren. Die Regierung führte wieder der Landesherr. Bei den Steuern ließ er sich auf keinen Kompromiss mit dem Wiener Stadtrat ein. Nach seiner Rückkehr aus Neustadt war Friedrich in mancher Hinsicht großzügig gewesen, aber nicht auf diesem Gebiet. Die Steuern, die zuallererst die Reichen trafen, wurden neu festgesetzt – auf merkwürdige Weise. Der Herzog saß auf seinem Thron, daneben hatte man einen breiten Vorhang aufgezogen. Hinter diesem Vorhang saß ein gut informierter Wiener aus allerbesten Kreisen, aber offenbar nicht von allerbestem Charakter. Er hieß übrigens Wolfgang von Parau. Nun traten die Patrizier in langer Reihe vor ihren Landesherrn, nannten ihre Namen und der Steuerspitzel gab aus seinem Versteck flüsternd die jeweiligen Vermögensverhältnisse an. Und Friedrich bestimmte willkürlich die Steuerhöhen. Ob das nur aus Akten zu entnehmen ist oder ob der Name des liebenswürdigen Mitbürgers allgemein bekannt wurde, wissen wir leider nicht.

      Friedrich bestätigte den Wienern sogar manche Privilegien seines Vaters, ja mehr noch, er wollte Wien endlich zu einem eigenen Bistum verhelfen. Friedrichs Hauptstadt hatte keinen eigenen Bischof, sie gehörte zum Bistum Passau. Der Herzog, dem der eigene Rang ebenso wichtig war wie jener der Residenz, wie später auch dem Habsburger Rudolf IV., trat in Verhandlungen ein. Aber er scheiterte, wie auch in den nächsten Jahrzehnten seine Nachfolger, bis zum Jahr 1469.

      Einmal soll Friedrich II. aber seinen Zielen, dem Bistum Wien und dem Königsrang, recht nahe gewesen sein, auf seltsamem Weg. Sein versöhnter Kaiser war ein bekannter, ja berüchtigter Frauenfreund, dessen diesbezügliche Interessen auch mit den Jahren nicht erlahmten. Dafür hatte der Herzog wohl Verständnis, denn ihm erging es nicht anders. Der Journalist und Historiker Thomas Chorherr hat den Babenberger mit dem Herzog von Mantua aus Verdis Rigoletto verglichen, hat ihn einen Hallodri genannt. Der Aufstand der Wiener gegen ihren Herzog im Jahr 1236 war nicht zuletzt durch sein Benehmen gegenüber den Bürgerinnen bei einem Tanzfest ausgelöst worden, das hatte das Fass zum Überlaufen gebracht.

      Kaiser Friedrich II. also hatte wenigstens 20 Kinder, mit 13 Frauen. Kirchliche Quellen sprechen von höheren Zahlen, doch dahinter steckte wohl der päpstliche Geheimdienst. Als dreifacher Witwer fasste der Staufer den Plan, die Achse zu dem tatkräftigen Babenberger zu verstärken. Er war, Jahrgang 1194, auf den Gedanken gekommen, sich mit Gertrud, Jahrgang 1226, der Nichte des Herzogs, zu vermählen. Als Morgengabe hatte er ein ganz großes Geschenk für die Braut, den Onkel, das Land vorgesehen. Österreich sollte aus einem Herzogtum zu einem Königreich werden. So würde es endlich neben den benachbarten Königen von Böhmen und Ungarn den König von Österreich geben, mit Gertrud als Gegenleistung.

      Der Onkel hatte klarerweise keinen Einwand, also wurde ein Vertrag vorbereitet, in dem das Mädchen als futura consors nostra bezeichnet wird, als »unsere künftige Gattin«. Auf dem Hoftag von Verona im Juni 1245 sollte der Vertrag unterschrieben werden. Die Großen des Reichs versammelten sich – der Kaiser, die Erzbischöfe, der Vertreter des byzantinischen Kaisers, natürlich auch der Herzog von Österreich, in aller Pracht, mit großem Gefolge. Aber die Braut kam nicht.

      Man weiß nicht, ob ihr der 51-Jährige zu alt war, ob sie sich wegen der zahlreichen Gerüchte über Affären des »kaiserlichen Wüstlings« um ihre Zukunft Sorgen machte oder ob sie den schon zuvor mit ihr verlobten böhmischen Königssohn Vladislav einfach lieber hatte, jedenfalls war sie nicht da. Das muss für den Babenberger sehr peinlich gewesen sein. Kopfschüttelnd wird diese G8-Versammlung des Mittelalters auseinandergegangen sein.

      Gertruds unerklärliche Absenz hatte für Österreich weitreichende Folgen. Wien wurde nicht Residenz eines Königs, nichts war es mit dem Königsrang, für immer. Denn auch wenn Franz II. sich 1804 zum Kaiser von Österreich ausgerufen hatte, das alte Kernland der Babenberger blieb Erzherzogtum. Denn »Österreich« meinte 1804 das Ganze. So war also auch noch der letzte Kaiser von Österreich, Karl I., zwar König von Böhmen, König von Ungarn, König von Dalmatien, Kroatien, Slawonien, Galizien, Lodomerien, Illyrien, König von Jerusalem, aber Erzherzog von Österreich.

      Der von der Braut versetzte Kaiser Friedrich heiratete eine seiner Geliebten und starb 1250. Und der Onkel Herzog? Auch er gab klein bei und hatte zudem schon wieder andere Probleme.

      Er stand vor einem Zweifrontenkrieg mit den Nachbarn, wieder einmal mit dem Böhmenkönig Wenzel I. und mit Béla IV., seinem lang erprobten ungarischen Widersacher. Das böhmische Heer wurde 1246 bei Staatz besiegt, bevor es auch nur in Wiens Nähe gekommen war. Aber der böhmische Thronfolger bekam seine österreichische Braut, die eigenwillige Gertrud heiratete ihn im selben Jahr.

      Dieses Jahr wurde Friedrichs letztes. Er zog wieder gegen die Ungarn ins Feld, stand selbst vorne an der Front, wie das vor Zeiten üblich war, und starb am 15. Juni 1246. Ob er in der Schlacht an der Leitha, in der Nähe von Pottendorf, im ritterlichen Kampf gegen den Feind fiel