Traumprotokolle. Christof Wackernagel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christof Wackernagel
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783866747821
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gehe, während die weiter von ihrer journalistischen Arbeit erzählen, ich aber dann irgendwann »ja, ja!« sage und einfach gehe, auf dem Gang sofort sehe, dass die beiden Türen zu dem Nebenzimmer offen stehen, dort auch Licht brennt, aber niemand ist drin und ich laufe die Treppen runter, so schnell es geht, ein Stockwerk nach dem anderen, nicht enden wollend, trappel, trappel, trappel • ein Bulle ist erschossen worden und die Kriminalpolizei will die näheren Tatumstände klären, aber er war Mitglied unserer Gruppe irgendwie und ich wäre bereit, dorthin zugehen, aber dann kommt eine Nachricht, dass erstmal alles ganz normal weitergeht, also der ganze normale Ferienbetrieb weitergeht und dass dann nach einer Woche irgendwie gesagt werden werde: »ist in Erfüllung seines Dienstes umgekommen« oder so ähnlich und man lässt, was den Tourismus betrifft, die Leute in dem Haus und die wissen gar nicht, dass das da passiert ist, aber die nächsten kommen schon und werden ihn vielleicht im Aufzug finden, tot, aber dann kommt es eben so raus; also da läuft schon was, und vielleicht bin ich auch der einzige Deutsche, der überhaupt im Moment da ist, aber später – ein kleines Kommunekind hat da auch Kontakt, wartet jedenfalls ab – aber später, wenn alles vorbei ist, habe ich dann den Beweis und habe die Möglichkeit, zumindest ein Video, ein Überwachungsvideo zu sehen, wie er die Treppe runtergetragen wird, am Ende ohne Gedöns, und eigentlich müssten die Bullen, die jetzt dahin eilen, dort die Leiche rausholen und das alles erledigen, aber man wartet, bis der dann im Aufzug hochtransportiert werden wird und dann wieder ein weiterer Teil des Tourismusprogramms abgespult wird, aber so finde nicht ich ihn tot und muss mich nicht drum kümmern und kann dann später den Kindern im Aufzug von ihm erzählen, ganz normal, aber ich akzeptiere das auch nur für den Moment, nicht auf Dauer, das wird alles haarklein recherchiert und ans Licht gebracht, später • ich komme mit einem altmodischen Zug in einem Bahnhof ähnlich wie München an, er ist gerammelt voll, fährt ganz langsam ein, bleibt dann nochmal kurz vor dem Ende stehen, weil angeblich ein anderer Zug erst rausfahren muss, und wartet, man darf noch nicht aussteigen und erst nach einer langen Weile ruckelt er endlich den Rest bis zum Halt und es ertönt eine Stimme wie in der U-Bahn, dass man links aussteigen soll, was ich aber auch selber gewusst hätte, weil ich genau diese geteerten, tiefer gelegenen Gleiszwischenräume gesehen habe, die man nicht betreten darf; die Menschen ballen sich alle an der Tür, wobei alle gleichzeitig ein- und aussteigen wollen, und ich muss meine Sachen noch einzeln aus einem Vorraum ganz vorne am Waggon rausholen, direkt hinter der Lok, wo auch ganz viele Leute rumstehen und sich drängeln, es ist ganz viel Zeugs für Mali, lauter zum Teil kleine Einzelteile, Dosen, Büchsen, Schachteln, und ich bin auch mit Renate verabredet, die weiter hinten gefahren ist, und bis sie da ist, sollte ich alles rausgeschafft haben, muss mich aber wahnsinnig durchdrängeln, fast mit Gewalt, weil alle gleichzeitig rein und raus wollen, ein Strom, eine Reihe rein und daneben ein Strom, eine Reihe raus, aber weil das lauter Einzelteile sind, muss ich jedesmal, nachdem ich raus bin, mich wieder neu hinten an der Schlange anstellen und reindrängeln, um das nächste zu holen, dann ist aber ein junger Mann mit einem Kinderwagen so nett, mir einzelne Dosen und Büchsen abzunehmen, die ich ihm sozusagen von der Türschwelle aus zuwerfen kann, damit ich nicht jedesmal ganz rein und raus muss, aber schon nach dem dritten hat er keine Lust mehr und wirft die Schachtel einfach auf den Bahnsteig, wobei alles rausfällt, weshalb ich total sauer werde und doch rausmuss und das dann auch noch einzeln aufsammeln und dann wieder an der Schlange hinten anstehen, was sich der Arsch mit seinem Kinderwagen böse grinsend ansieht, und so schaffe ich das ja nie, alles rauszukriegen, denn alle wollen bei dieser ersten Tür rein, obwohl weiter hinten Türen frei sind, worauf ich die Leute hinweise, aber sie machen es einfach nicht, und dann finde ich weiter hinten ein Lager einer Schreinerei, wo ich mein Zeugs erstmal abstellen kann, und wie ich dann wieder im Zug bin und in den Lagervorraum des Waggons auf dem Boden reinkrieche, sehe ich durch ein Gitter draußen, wie hinter den Rädern, Renate am Gehsteig, stark geschminkt, auch am Boden kauernd und mich suchend, und nachdem ich sie draußen begrüßt habe, will sie erstmal in ein Café gehen, das direkt neben dem Zug ist, aber das ist dann das ganz, ganz altmodische Zugrestaurant, ein unglaublich breiter langer Raum mit runden Ecken, altmodischen Tischen und Stühlen, alles aus dunklem Holz und abgegriffen und ich sage: »der Zug fährt doch gleich weiter, da müssen wir sofort wieder raus«, außerdem müssen wir erstmal die restlichen Sachen aus dem Zug holen und zusammenbringen mit den Sachen, die auf dem Bahnsteig neben dem Zug stehen und denen, die ich ins Lager gebracht habe, und wie ich dorthin gehe, denke ich noch, wie ich das am besten mache, dass Renate nicht denkt, ich wolle mit ihr ins Bett gehen, sehe dann, dass sich in dieser offenen Schreinerei vorne zwei Kühe niedergelassen haben, und denke, dass ich das ja dann ganz leicht Renate beschreiben kann und sie auch von dort Sachen holen kann, und wie ich dann in der Schreinerei ankomme, sehe ich, dass die alles, was ich gebracht und lose hingeschmissen habe, fein säuberlich auf einem Tisch aufgebaut und sortiert haben, die Werkzeuge, Feilen und Schnittmesser geordnet und der Größe nach nebeneinander gelegt, diese ganzen altmodischen hauptsächlich Holzbearbeitungswerkzeuge, die hierzulande normalerweise keiner mehr will, richtig liebevoll da hingelegt, und auf dem Tisch liegt ein kleine Holzstück, auf dem mit Kugelschreiber ein kleiner Brief zu lesen ist: »Hi! Wer hat denn dieses tolle Zeugs hier angeschleppt? Das ist ja irre!« – offensichtlich hat da jemand gemerkt, dass das historisches Werkzeug ist, das ich da aus Afrika mitgebracht habe, frage erstmal, wer das geschrieben hat, und dann sehe ich denjenigen schon in der Tür des Büros stehen, ein junger Meister, der lächelnd und neugierig zu mir rüberschaut, dann zu mir kommt und ganz begeistert eines von den Teilen nimmt und sagt: »ja, das ist eine Lehre«, dann ein anderes Ding nimmt und eine Art rundes Lineal mit Winkeleinzeichnungen anlegt, um damit die Winkel zu messen und anzuzeichnen, was er mir voller Freude vorführt, aber ich sage: »ich muss das leider mitnehmen nach Mali«, und ich frage mich, wieso eigentlich, weil ich es ja gerade aus Afrika geholt habe, worauf er entgegnet: »eigentlich könnte man das hier viel besser gebrauchen, vor allem viel besser würdigen« und ich überlege kurz, ob das nicht wirklich sinnvoll ist, sage dann aber: »nee, wir wollen das selber nehmen, wir können das wirklich gut gebrauchen und wir haben immer viel zu tun« • Hans von Feistl • bin bei Bärbel und Hugo und beginne ein bisschen was mit ihr, worauf sie offensichtlich Lust hat, aber er ist da und ich will weiterfahren mit meinem alten Mercedes zu Freunden nach Fahrenholt im hohen Norden, fahre aber erstmal nur ein Stück zu einem Bauernhof, der Leuten aus der Clique von Bärbel und Hugo gehört, auf dem sich aber auch viele Gäste tummeln, und ich frage, ob ich da übernachten kann, denn bis nach Fahrenholt wäre es noch viel zu lang, über tausend Kilometer, hinter Berlin, es geht dort aber nicht so gut, weil dort gerade Besuch angekommen ist, der sich nicht angemeldet hat, weshalb ich überlege, in ein Hotel zu gehen, kontrolliere aber erstmal das Öl im Wagen, das aber noch gut ist, genügend, und dann spielt eine Truppe Fußball, es sind aber alles Kriminelle und Knackis und dann kommt einer, der eine Predigt halten will, oder irgendeinen religiösen Vortrag, mit dem er die Knackis zu guten Menschen machen will, was ich kritisch betrachte und worüber ich mit dem Freund von Hugo und Bärbel, der da wohnt, rede, sage: »beten ist nicht mein Ding, wenn, dann alleine, denn wenn du vor Gott stehst, bist du auch alleine«, wozu er sagt, »ja, da hast du im Grunde recht«, will aber dann erstmal woanders hingehen und einen trinken, er besorgt mir den Rest von meinem Bier und holt sich eine Cola und dann kriegt der eine, der an der Theke steht und mit diesem Prediger diskutiert, auch ein Bier, aber die anderen schweren Jungs gehen alle so langsam weg, schleichen sich unauffällig von dannen und der, der mir mein Bier bringt und bei dem ich wohnen will, sagt: »dem Prediger, der hier predigen will, dem stell ich mal die ganz großen Oberverbrecher vor, aber der geht nicht drauf ein, will nur predigen und diesen einen Mann überzeugen« und dann gehen wir wieder zu dem Tisch, an dem wir vorher saßen, und er berichtet dem anderen Typen, dass ich ein ganz cooler Typ sei, weil ich in einen Zweireiher gekleidet einen Unfall gebaut hätte und versucht, hinterher den Wagen für tausendzweihundert Euro zu verkaufen, »total cool«, und er findet mich »total gut«, wie ich da »echt locker« bin, zumal das ein ganz besonders teurer Zweireiher gewesen sei, schwarzer Anzug, total schick • neueste Studie: »Kinder, die nicht geschlagen werden, schlagen als Erwachsene nicht, einundsiebzig Prozent schlagen nicht«; ich lese das in der Zeitung im Urlaub, an der fast weißen Strandpromenade –

      – Festende, ich gehe mit einem anderen den Hang runter und will noch was naschen, sehe einen Apfel, aber dann kommen andere, die auch auf der Fete waren und sagen: »da in der Kiste sind noch Süßigkeiten«, und es sind so Sachen wie »Nuts«, von denen der andere nimmt, weil er von der Gruppe ist, die das