Traumprotokolle. Christof Wackernagel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christof Wackernagel
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783866747821
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langweilig vor, völlig leeres Getue, ich denke mir und sage es auch: »ich ficke lieber, als solche rein virtuellen Spielchen zu machen« und denke mir: »die können wahrscheinlich gar nicht mehr richtig ficken vor lauter Rummachen mit ihren technischen Projektionen: hier haben wir mit der Beherrschung der Technik die Distanz zu den Dingen verloren, das heißt, sie bestimmen uns, die Dinge bestimmen uns und dort hat man noch die Distanz zu den Dingen und kann noch mit ihnen umgehen, kann sie bestimmen« • sechs Kästchen, also längliche, hohe, viereckige Kästchen, zwanzig oder dreißig Zentimeter hoch, und die kann man schon mal zur Korrektur an Ebby geben, wobei der Druck, dieses Tempo, mit dem das durchgezogen werden soll, zeigt, dass das nicht normal ist, weil das nicht Ebbys Art ist, so schnell –

      – die Lieblingswohnung von mir ist frei, ich sehe im ersten Stock richtig die leeren Zimmer, aber genau um die Zeit, für die ich sie will, ist da schon jemand drin, hat vorgebucht – fahre spontan nach Köln, mit Leuten vom Team des »Schleuderprogramm«-Films, aber wie ich in Köln ankomme, merke ich, dass ich noch viel zu früh bin, erst ab nächste Woche Sonntag das Hotel habe, und weiß gar nicht, was ich machen soll; Marosch macht wieder Maske und ich bin bei ihm in seiner Wohnung, mein Rechner ist da und ich will mich gerade dransetzen, da kommt eine andere Frau und fragt: »kennste mich wieder?«, und es ist Mareille, mit der ich den Film im Irrenhaus gedreht habe, eine etwas füllige, ganz nette Person, an deren Funktion ich mich nicht erinnere, sie macht mich ein bisschen an und ich bin nicht abgeneigt, lege den Arm um sie und spüre ein wenig ihre Hüften, weich unter ihrem Hemd, worauf sie sagt: »ja, man muss gar nicht besonders hübsch sein und bleibt trotzdem in Erinnerung« und ich sage: »ja, der Meinung bin ich auch und wir sind eben eine große Familie«, aber dann suche ich wieder meinen Rechner und finde ihn nicht, finde nur Teile vom Rechner; im Hinterzimmer sitzt in einer der beiden Badewannen Marosch mit einer Kollegin und diskutiert ganz ernsthaft etwas, ich überlege, ob ich ihn fragen kann, ob ich bei ihm schlafen kann, und sehe zwei Matratzen in abgetrennten Zimmerteilen, die vielleicht noch frei sind, oder ob ich bei der Produktion anrufen soll und fragen, ob die auch jetzt schon ein Hotel für mich mieten können, weil ich diese verfrühte Reise ja nur gemacht habe, um schon Kontakt zu haben, und dann gehe ich nochmal raus, wo viel Betrieb auf der Straße ist, riesige Baustellen, Tiefbaugeschichten, stockwerktiefe Gruben neben der Straße, in denen Leute arbeiten, die auch zum Team gehören, und eine Frau, die Aufnahmeleiterin, die Julia sein könnte, steht auf einem Gerüst in Straßenhöhe in einer solchen Grube – also neben ihr geht es ziemlich tief runter – und gießt flüssigen Teer in eine Röhre mit ziemlich kleinem Durchmesser, die zu einer komplizierten stockwerkgroßen Röhren- und Gerüstkonstruktion gehört, sieht mich dabei an und sagt etwas, das ich nicht verstehe: ich weiche zurück, mehrere Schritte, ohne genau zu sehen, wohin ich trete, bis ich feststelle, dass ich auf eine danebenliegende Baustelle, auch eine tief in den Boden ragende Konstruktion geraten bin, auf einem schwankenden, ganz, ganz schmalen Brett stehend, schaffe es aber nicht, auf diesem schmalen Brett zurück zur Straße zu gehen, sehe aber, dass ich über zwei weitere, jeweils nicht allzu tief weiter unten liegende Bretter bis ganz unten auf den Boden springen kann, auf diesen geplanten Kellerboden, was ich dann auch tue, wobei aber eine Säge runterfällt, weshalb ich versuche, als ich unten bin, die Säge wieder auf ein höher liegendes Brett zu schmeißen, damit sie für die noch weiter oben arbeitenden Jungs erreichbar wird, ich schaffe es aber nicht, sie fällt immer wieder runter, bleibt einfach nicht auf diesen schmalen Brettern liegen, bis einer, der auch mit zum Filmteam gehört, sich auf ein Brett legt und, so weit es geht, seine Hand runterstreckt, während ich mich, so hoch es geht, strecke, um ihm die Säge zu reichen, woraufhin er tatsächlich die Säge zu fassen bekommt, allerdings am Sägeblatt, so dass die Sägezähne seine Hand berühren und fast verletzen, aber er kann sie mit hochnehmen und ist auch nicht sauer, auch wenn er nicht besonders glücklich über diese Aktion ist, jedenfalls hat er seine Säge und ich gehe weiter, sehe weiter vorne fertiggebaute moderne Häuser, die allerdings bis zu dem Boden reichen, der hier ja noch als Keller geplant ist und denke, dass ich seitlich irgendwo hochsteigen kann, und fange an, an einem dünnen, weißen Rohr, einem Plastikregenrinnenrohr, hochzusteigen, muss aber ganz weit hochsteigen und das Regenrinnenrohr ist immer enger in die Wand eingepasst und wird immer dünner, außerdem müsste ich mich oben dann noch über die Brüstung hochziehen und das ist mir zu anstrengend, dazu bin ich zu geschwächt, weshalb ich wieder runtergehe, mir diese weiter vorne liegenden schönen neuen Häuser anschaue und mir denke, dass ich ja dann dort irgendwie hochkommen kann, muss halt weit gehen und dann wird es schon Abend sein und die Produktionssekretärin wird nicht mehr im Büro sein, dann kann die mir kein Hotel mehr mieten beziehungsweise ich sie nicht mehr fragen, ob ich es selber zahlen muss, oder ich zahle es einfach nicht und behaupte frech, dass es auf die Produktion geht • ein Auto, das nach München fährt und ein Auto, das in Köln bleibt, stehen nebeneinander in entgegengesetzten Richtungen auf dem Parkplatz, voll mit den Sachen vom E.T.A.-Hoffmann-Jahr, und es ist ein Seil über die Straße gespannt, an dem Fähnchen vom E.T.A.-Hoffmann-Jahr hängen, und wir nehmen einfach alles mit, was zu haben ist, aber wie ich kurz weggehe und zurückkomme, sehe ich, dass die das Seil über die Straße mit den Fähnchen schon weggemacht haben und wir dann da auch weg müssen; wir wollen alle zusammen wegfahren, aber es passen nur sechs Leute rein, ein siebter will auch mit, und es ist mir peinlich, aber die Frau sagt ganz bestimmt: »das geht auf keinen Fall, da passen nur sechs rein, es wird sowieso schon ganz eng« und dann sage ich: »dann musst du eben neben mir sitzen und das ist dir unangenehm«, und setze mich weiter vorne hin, aber da sagt sie nichts dazu, während wir die Treppen hochsteigen –

      – die Flohmarktschuhe lösen sich links auf, also das Schuhleder löst sich von der Sohle und der innere Wulst stülpt sich nach außen, darunter erscheinen andere Wülste, man könnte das nähen und in Bamako fände ich bestimmt jemanden, aber hier ist das die Frage; ich bin bei den Leuten, zu denen ich hin wollte, und erzähle das, aber es gibt zu viele Einstellungspunkte und man kann das erst am nächsten Tag beurteilen; die haben die Sachen für mich schon gemacht und es ist alles fertig • die ganzen Basler Verwandten, die ich mag, sind da und es gibt schon erste Termine, an denen wir uns treffen könnten, aber es ist noch wackelig • Fahrrad bei mir angekettet und an eine Nummer gebunden, die nur eine Zeitlang gültig ist – • eine riesen Silvesterfete mit sehr vielen Leuten in mehreren großen Sälen, sehr ausgelassene Stimmung, man macht Fez und Spökes und gegen Morgen finden sich mehrere Leute vor einer Theke in einem kirchen- oder bahnhofsartigen Saal zusammen und trinken noch einen, da kommt eine Fafa-artige Frau, die mich in perfektem Deutsch anspricht: »komm, lass uns noch einen losmachen«, wozu ich nicht abgeneigt bin, und so gehen wir nochmal in die und durch die dunkle Stadt, deren breite, leere Straßen, an denen dunkle, wie verrußte Häuser stehen, mehrstöckige Bürgerhäuser des vorletzten Jahrhunderts, herrschaftliche, hohe Häuser, fast schwarz, wir quatschen lose vor uns hin – und plötzlich ist sie weg, ist ein paar Schritte vor mir gegangen und hat sich buchstäblich in Luft aufgelöst, ein Prozess, welchen ich sogar eine halbe Sekunde lang sehen konnte, und ich gehe zurück zu der Fete, es ist inzwischen schon hell und regnet in Strömen, die meisten sind schon weg oder schlafen auf dem Boden der langen, großen Zelte, die total versifft und durcheinander sind, andere fangen an aufzuräumen, zwei Typen, die mir im Regen entgegenkommen, stoßen sich an und sagen: »ah, das ist der Wackernagel, den kennen wir ja, der ist okay«, und ich will noch ein wenig helfen, weil ich noch nicht müde bin und außerdem meinen Kassettenrekorder und anderes Zeugs holen will, und es regnet wirklich in Strömen, sturzbachartig, aber ein paar junge Leute rennen eifrig rum und räumen auf und da möchte ich mich nicht lumpen lassen und will den Betondeckel über dem Abwasserloch etwas lockern, damit diese Bäche von Regen besser ablaufen können, aber wie ich diese beiden viereckigen langen Stahlbetonteile nur ein bisschen zur Seite rücke, fallen sie sofort senkrecht runter, direkt in das Ablaufloch rein und stecken da fest, was einer der engagierten jungen Männer, die da aufräumen, sieht, und er kommt und ruft: »um Gottes willen, das ist die Mehre« – offensichtlich der Fachausdruck für diese Dinger, also so etwas wie die Bewehrung – »die ist ja jetzt genau im Abfluss, die müssen wir rausholen«; mir ist das sehr peinlich, dass ich das so ungeschickt gemacht habe, wollte helfen und mache nur noch mehr Arbeit, sage: »da müssen wir nur zwei Seile durchziehen und das dann hochziehen« und der Junge fängt an runterzuklettern – es geht um eine Ausstellung, aber wenn man wirklich einen Gründer als Inspirator haben will, muss es die konsequente Fortsetzung einer These sein, die nicht von ihm ist, und ich trommle mit