Traumprotokolle. Christof Wackernagel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christof Wackernagel
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783866747821
Скачать книгу
sozusagen auf den Schienen, hinterherfahren, wobei ich Löcher und Bruchstellen sehe, es aber irgendwie schaffe und den Wagen dann stehen lasse, und als ich dann hinterher zu Fuß über die Baustellenbrücke zurückgehe, sehe ich, dass da teilweise ziemlich große Matsch- und Morschlöcher in dieser Holzbrücke sind, durch die ich mit dem Auto hätte durchbrechen können, das hätte böse ausgehen können, ich hätte mit dem Auto meterweit tief runterfallen können, wäre um ein Haar da ganz runtergestürzt und bei der Gelegenheit bin ich mit einer Frau zusammen – nicht, dass ich mit der etwa schliefe oder so, aber es ist meine Frau und soll nun mal so sein und wir sind in einer riesigen Gruppe, die in einem langen, langen, langen schmalen Hallengelände lebt, in dem Flugzeuge oder Eisenbahnen oder Ähnliches gebaut werden, was allerdings schon vorbei ist, mal so war, stattdessen sind da improvisierte Bettlagerstätten und so weiter, so dass man sich da einigermaßen häuslich einrichten kann, Hunde sind auch da, und dann tauschen wir nach einigem Hin und Her eben doch die Beziehungen, der Typ, mit dem ich befreundet bin und seine Frau und meine, die wir sowieso immer viel zusammen machen und dann muss ich mit der anderen, also seiner Frau, mit der ich allerdings heimlich schon was habe, was dann jetzt freilich offen wird, und mit der muss ich dann jetzt weggehen, aber meine muss dann mit meinem Freund zusammen bleiben, der mich, bevor es losgeht, nochmal kurz auf die Seite zieht und im Vertrauen sagt: »ich kann mich doch drauf verlassen, dass wenn wir uns hinterher wieder treffen, alles wieder rückgängig gemacht wird«, woraufhin wir unsere Jacketts ausziehen und die von früher anziehen, dunkelviolette Cordsamtjacketts, und ich denke, und sage wohl auch: »wir könnten doch alle zusammen nebeneinander pennen, wie die Heringe, so wie früher« – das wird aber alles mit einem seltsamen Schweigen hingenommen, alle wissen Bescheid, aber keiner spricht es aus, wir sind eine große Runde, in der sich alle immer wieder wissend angucken, aber nichts dazu sagen, und in der mich einer zur Seite zieht und mir etwas zeigt; er weiß auch Bescheid, deutet aber mit einem Nicken an, dass er nicht darüber redet, und dann erklärt er mir nochmal, dass es eben so gemacht wird, dass wir die Partnerinnen tauschen; es ist eine intellektuelle, sehr snobistische Gruppe, in der das, was man weiß und worüber man sich einig ist, auf jeden Fall nicht ausgesprochen wird; man redet überhaupt sehr wenig, ist sich aber sehr einig und weiß genau, was gemeint ist • lange Diskussion am Telefon mit Gaby Wight, wie ich sie doch noch besuchen kann, ich will nicht, weil ich eigentlich keine Zeit habe, sie besteht aber unter allen Umständen darauf, ich sehe sie richtig an Telefon auf den anderen Seite, wie sie kopfschüttelnd darauf besteht, und sie lässt nicht locker, bis ich meinen Terminplan rausgeholt habe und zwischen den ganzen Terminen der Lesungen und Drehtage noch ein Wochenende raushaue, an dem ich irgendwie einen Flug nach London buchen und sie dann besuchen kann; ich sage, wir hätten uns ja umgekehrt schon mit Erika und Jeremy getroffen und gesehen, aber das sieht sie gar nicht ein, sondern sie will auf jeden Fall, dass ich sie besuche • wir haben wieder mal einen öffentlichen Musikauftritt, stehen schon auf der Bühne, aber es muss noch alles Mögliche gemacht werden, Verstärker aufgebaut, eingestellt, justiert; der Typ, der Geige spielt – wie Stefan, der den Branco spielt – stimmt ewig rum, ich baue mein Schlagzeug auf, aber Fips sagt, ich solle doch besser Gitarre spielen und den guten alten Totalen, den Fetzigen rausdröhnen, dann werde er auch Geige spielen und wir dann mit zwei Geigen den »Vollen Hammer« loslassen, worauf ich sofort gerne einsteige, aber dann muss wieder alles umgebaut werden, damit ich Gitarre spielen kann, obwohl es gerade losgehen sollte und die Leute warten und warten, aber ich denke: »je länger sie warten, desto besser wird es« und überlege, was ich sagen soll, wenn die Fans hinterher kommen und fragen, wie wir heißen, was für einen Namen wir uns heute geben sollen, und als ich die Gitarre – eine edle, große, rote – in die Hand nehme, stelle ich fest, dass sie ein Bass ist, aber dann gibt mir ein Bühnentechniker schon die richtige, die aber völlig verstimmt ist, weswegen ich ihn bitte, die doch für mich zu stimmen, weil ich zu aufgeregt bin, außerdem müssen auch noch Verstärker ausgetauscht werden und ich schaue schon mal nach dem Publikum, das ziemlich zahlreich vertreten schon erwartungsvoll dasitzt und ich stelle mir vor, wie ich mit den Fetzigen anfange, schön lange immer wieder den Grundrhythmus reindrücke und durchziehe, singe das so vor mich hin und überlege, ob ich nicht ein paar Späßchen à la Johnson zum Publikum sagen soll, um es etwas aufzuheitern, bevor die Leute sauer werden, aber in diesem Moment sehe ich, dass es schon viel weniger sind, ein Drittel schon weg ist, wir also endlich anfangen müssen, da hat Stefan/Branco seine Fidel gestimmt und ich denke: »das wird jetzt aber ein richtig fettes Konzert, jetzt hauen wir rein« –

      – eine selbst ausgerichtete Ausstellung von Schriftstellern, die alle jeweils ein Beispiel für ihre liebsten Theaterstücke und ihre liebsten Roman- oder Erzähltexte vorstellen müssen, außerdem, warum und wie sie mit Geld umgehen; was das Theater betrifft, nenne ich eine szenische Collage von Frank-Patrick Steckel, die damals noch in Bochum lief und wo ich seitdem wirklich nichts Besseres gesehen habe, für das andere weiß ich noch nichts, gehe aber dahin, also zu dem Tisch, an dem man das abgibt, und die Frau, die das entgegennimmt, erzählt ganz euphorisch, wer alles da sei an bedeutenden Leuten, zum Beispiel der Sohn von Elias Canetti und noch andere Kinder von berühmten Schriftstellern und außerdem eine Frau, eine berühmte Künstlerin, die im Geld badet und dazu Gedichte dichtet, in Münzen, was fast so aussieht, also holte sie sich dabei einen runter, denn sie zieht die Münzen immer zwischen ihren geöffneten Beinen an ihrer Vulva hoch und bäumt sich dabei ein wenig auf; sie ist nackt, aber ihr Gesicht ist nicht zu sehen und auch das meiste ihres Körpers ist mit Geldmünzen bedeckt, und reimend lässt sie sich darüber aus, wie sie das Geld liebt, wie gut das Geld ist, wenn sie darin badet, und es reimt sich wirklich sehr gut, hat Rhythmus –

      – eine Pressekonferenz zum Buch soll stattfinden, die aber auch eine Art Befragung ist und in einem Kellerraum eines Knasts stattfindet, sehr viele Leute sind da, die Tische und Stühle werden aufgestellt, ich will schon mal meinen Laptop aufbauen, da wird aber alles nochmal umgestellt, damit man besser Projektionen an die Wand dahinter machen kann, was ich nicht ganz verstehe, aber dann erklärt mir einer der Wächter, dass es ein ganz neues, ziemlich kleines Beamersystem gibt, praktisch mit einem Stick, den er mir zeigt, und mir ist es recht, aber dann wird nochmal alles umgestellt und ich fühle mich in die Ecke gedrängt, irgendwie wird da über meinen Kopf hinaus bestimmt und gehandelt, die Stühle werden dauernd umgestellt, und dann sehe ich schon ganz groß die Fotos von meinen Traumnotizen an die Wand projiziert und bekomme Befürchtungen, dass die Bullen die analysieren und vielleicht strafrechtlich relevante angebliche »Verstöße« da zu erkennen versuchen, aber es werden laufend weiter Tische und Stühle umgestellt zwischen diesen Massen von Leuten, weswegen ich erstmal rausgehe und mit Sabine tuschle, dass mir das langsam nicht ganz geheuer ist, wobei ich eine Frau zwischen den Massen sehe, die weiterhin in den Saal der Anhörung strömen, von der ich denke: »die kenn ich doch!«, scharf nachdenke, woher ich die denn verdammt nochmal kenne – und plötzlich wird mir klar: es ist Olga, Olga Wuyts, das gibt’s doch gar nicht, frage mich, wie sie mitgekriegt hat, dass das hier stattfindet, aber da ist sie schon vorbei und ich habe eine unangenehme Vorstellung bei dem Gedanken, dass sie das Interviewverhör mit mir mitbekommt, und als ich wieder reinkomme, sehe ich, dass zwei große Käfige aufgebaut wurden, in denen bullige, finster dreinblickende Gefangene sitzen, die wohl gegen mich aussagen sollen, also es ist inzwischen klar, dass das Ganze letztlich zu einer Art Verhör geworden ist, worauf ich nun überhaupt keinen Bock habe • bin in Shorties kleiner Hütte, einem Zimmer mit schrägem Dach, sehe genau einen Querbalken aus »bois rouge26«, darüber den »platfond27« unter dem Wellblechdach; an den Wänden hängen nur ein paar Kleider und, sauber aufgereiht, Werkzeuge, vor allem für den Garten, von denen er einige von uns geschenkt bekommen hat, darunter auch die gute Astschere, die wir damals bei und mit Mi gekauft haben, und ich denke, dass es doch wieder mal interessant ist, zu sehen, mit wie wenig man leben kann, und nehme mir fest vor, meinen ganzen Ramsch auch entschieden zu reduzieren – er sitzt lächelnd in der Mitte des Zimmers, da hören wir draußen Lärm, gehen sofort raus und sehen, dass bei den Nachbarn hundert Meter weiter in der Steppe, die ein etwas größeres Häuschen haben, neben dem aber auf einer sehr langen Wäscheleine weiße Betttücher aufgehängt sind, ein Kamel ausgeflippt ist und laut röhrend durchgedreht im Kreis rast, einer Frau hinterherrast in die aufgehängten Betttücher rein, worin es sich verhakt, daraufhin noch wütender wird und erst recht rumrast, woraufhin das zweite Kamel auch ausflippt, genauso zu toben anfängt und die beiden in unsere Richtung zu laufen beginnen, weswegen wir