Die Legende vom Hermunduren. G. K. Grasse. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: G. K. Grasse
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия: Die Legende vom Hermunduren
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347036130
Скачать книгу
Leben, wenn dieser ihm den Frieden schwor…“

      „Unsinn, so denken Germanen nicht!“ fauchte Lartius.

      „Herr, verzeih wenn ich widerspreche! Genauso denkt Gerwin und wer von uns Beiden kennt den Burschen wohl besser…“ antwortete Belletor, nicht weniger beleidigend wirkend.

      „Herr, erinnere dich doch meiner Worte am Anfang meines Berichtes… Gerwin ist zu klug für sein Alter…“ dämmte Belletor seine Worte ein.

      Lartius Augen funkelten Zorn, dann aber, bevor dieser auszubrechen vermochte, milderte sich sein Blick. Es stimmte, so begann Belletors Bericht am Vortag… ‚Zu jung, zu klug und zu gut im Kampf…’ erinnerte er sich.

      Lartius fand sich unter einem gehörigen Druck wieder. Die Ereignisse in Mogontiacum und die Abwesenheit des Kaiser zwangen ihn zu zwei Dingen. Erst einmal benötigte er einen exakten, aber dennoch sehr kurzen Bericht an den Kaiser, der bewirkte, dass Nero die richtigen Erkenntnisse gewann und diese mit richtigen Schlüssen in die Tat umsetzte. Dies zu erzielen erforderte, die Launen des Kaisers einrechnend, alle Fakten aufzuführen sowie Recht und Schuld richtig zuzuordnen. Jeder Fehler dabei könnte verheerende Folgen zeigen… Er wusste, wie vorschnell Zorn in Nero die Oberhand gewann. Ein einmal toter Freund oder Gefährte, wenn Nero diesen erst einmal zum Schuldigen erklärt hatte, könnte nie wieder ins Leben zurückgerufen werden… Darüber hinaus musste er Schritte wagen, die falls diese im Nachhinein nicht des Kaisers Anerkennung fanden, zu seinem Verderben beitragen könnten… Was würde dann aus den vielen treuen Evocati werden, denen er vorstand?

      Der Kopf der Adler war ein Mann, der aus den Tiefen des römischen Abschaums kam. Er war unwissend, naiv und unschuldig, als er die Gedärme eines Gefährten auf den Boden klatschen sah. Seine Wut darüber machte ihn zum Mörder. Also begann seine Rache und damit der Weg seines Aufstiegs, bis zum Kopf der Adler der Evocati. Doch er war Römer und kein Barbar… Mit diesem Aufschrei in seinem Inneren war eine Erkenntnis verbunden, der er bisher noch nie begegnet war…

      Lartius begriff, dass zwischen seiner Wut, die ihn letztlich in die Verantwortung der Evocati führte und der Wut des jungen Hermunduren, der die Ermordung seiner Eltern aus der Nähe verfolgen musste, kein zu großer Unterschied bestand.

      Die Zielstrebigkeit seiner eigenen Rache führte ihn in die Fänge der Adler der Evocati. Die gleiche Zielstrebigkeit, so erinnerte er sich an des Belletors Schilderung, brachte den jungen Hermunduren in die Hand der fliehenden Römer.

      Warum sollte der junge Germane dann nicht auch begreifen, dass der Frieden seines Stammes ausgerechnet von dem Feldherrn abhing, der Kohorten zu seinem Stamm schickte? Von diesen Verlorenen lernend, mit der römischen Welt zusammentreffend, verstand Lartius plötzlich, trat im Wesen des Hermunduren ein Sprung ein, der weit über das Denken sonstiger Germanen hinausging. Lartius erkannte die Motive und es erschloss sich ihm, zu welcher Art der Beherrschung seines Zorns der Hermundure vorgedrungen sein musste…

      „Du meinst, der Hermundure war in der Lage seinen Hass auf den Legat zu zügeln und diesen darüber hinaus beim Überfall zu beschützen?“ Seine Frage drängte sich in sachlichem Ton über die Lippen.

      „Herr, selbst Verginius Rufus bestätigte unter Zeugen, dass er nur zwei der angreifenden Auxiliaren hatte töten können, während sie doch noch Weitere getötet fanden. Denen aber wären Dolche zum Verhängnis geworden… und mit Dolchen kämpfte nur der Hermundure…

      Der Aquila dachte über Belletors Worte nach. Wenn dies so war, er hegte inzwischen keine Zweifel mehr, sollte er sich diesen jungen Hermunduren selbst einmal ansehen…

      Im gleichen Augenblick erschloss sich ihm, dass dies wohl kaum möglich war… Wie gelänge es ihm dann, den Hermunduren für seine Zwecke einzuspannen? Über diese Frage sollte er noch einmal nachdenken.

      Dann waren da noch diese Verlorenen… Vom Schlachtfeld geflohen, von der Legion gejagt und, trotz der Bedrohung, wohl dennoch treue Römer… Ein merkwürdiger Trupp… War er einem der Kerle schon einmal begegnet? Lartius kramte in seinen Gedanken und fand dennoch keine Erinnerung.

      Machte es überhaupt Sinn, den Hermunduren und die Verlorenen zu erwähnen? Sprach er über deren Flucht vom Schlachtfeld, könnte dies zu deren Tod führen…

      Lartius begriff den Vorteil, über diese Männer zu wissen. Mit den wichtigen Vorfällen aber standen diese Männer wohl nur am Rande in Verbindung… Durch diese Überlegungen hervorgerufen, irrten sämtliche Gedanken zu den Vorfällen, Positionierungen und wer ist wessen Feind, durch seinen Kopf, stießen sich ab, vereinigten sich und fanden letztlich eine Ordnung, die er auf wenige Kernaussagen zusammenfassen konnte.

      Die Brüder Scribonius verloren des Kaisers Gunst und suchten beim Senat Ersatz. Das grenzt an Verrat! Verginius Rufus, als Mann des Kaisers, stand im Widerspruch zum Statthalter Scribonius Proculus! Sollte die Macht des Kaisers in den Legionen am Rhenus gebrochen werden können, musste Verginius Rufus weichen. Deshalb das Attentat der Wegelagerer! Diesen Angriff führte ein Treverer Präfekt der Auxiliaren, der in des Legats Hände fiel und dann von diesem, mittels einer Täuschung, zur Freiheit gelangte und als zukünftiger Spion in das Lager der Brüder Scribonius zurückkehren konnte. Dieser Präfekt und zukünftige Spion, mit dem Namen Julius Tutor, gehörte zu den Untergebenen des Scribonius Rufus, des Statthalters des Exercitus Germania Inferior. Tutor berichtete, im Austausch für sein Leben, von Bemühungen der Kelten Galliens, sich Zugriff zu den Legionen am Rhenus verschaffen zu wollen… Dieser Mann wisse von einem Angebot der Gallier an Scribonius Proculus und auch Scribonius Rufus…

      Lartius erkannte diese Überlegungen als Kern der Ereignisse, die er so auch dem Kaiser zu verstehen geben sollte. Welche Lücken wies das Gespinst auf, wo verließ die Darstellung die Wahrheit und unter welchen Aspekten drohte ihm selbst und den Evocati Gefahr?

      Er war, aufgrund seiner Erfahrungen, zu einem klugen Mann gereift, der sich in der Politik und bei Intrigen inzwischen sehr gut auskannte. Ob Nero die Abwendung der Brüder Scribonius von ihm und deren Zuwendung zum Senat, als Verrat erkannte, sollte er dem Kaiser selbst überlassen…

      Musste er zum Grund, warum das Attentat auf den Legat Verginius Rufus scheiterte, weitere Angaben machen? Lartius überlegte und entschied sich dagegen. Warum sollte ein so befähigter Legat wie Verginius Rufus, mit seinen zuverlässigen Legionären, nicht den Sieg über einen Haufen Wegelagerer erringen, auch wenn sich unter denen Treverer Auxiliaren fanden?

      Musste er den Präfekt der Treverer, der in den Verdacht der Teilnahme kam, schützen?

      Lartius entschloss sich dagegen. Der Befehl an den Präfekt kam mit Sicherheit vom Statthalter. Was interessierte ihn schon dieser Präfekt Montanus? Kam dieser mit Scribonius Proculus unter die Räder, dann war es eben so…

      Würde Nero wissen wollen, wie die Täuschung des Statthalters gelang, die letztlich diesen Tutor zwang zum Spion zu werden?

      „Nein, denn Julius Tutor erkaufte sich sein Leben doch mit einer wichtigen Information zu den Bemühungen der Gallier. Sicher gefiel Nero der neue Spion und wenn er diese Möglichkeiten etwas ausbaute, würde dieser Tutor sicher überleben und sich auch noch gegenüber den Galliern ausnutzen lassen…

      Wich er in einer der Darstellungen von der Wahrheit ab? Lartius verneinte diese Möglichkeit.

      Wen brachte er in das Zentrum von Neros Zorn? Nur die Brüder Scribonius, denen der Kaiser schon jetzt nicht mehr zu trauen geneigt war, weil auch er inzwischen begriffen zu haben schien, dass die Machtkonzentration von mindestens sieben Legionen in deren Händen ein schwerwiegender politischer und auch militärischer Fehler war…

      Mit seiner Darstellung bestärkte er den Kaiser darin, die Statthalter machtlos zu stellen. Dies konnte nur zum Vorteil ausschlagen… Gleichzeitig hob er Verginius Rufus im Wohlwollen des Kaisers etwas an. Auch dies schien ihm nützlich.

      Lartius prüfte, ob er etwas Wesentliches übersehen haben könnte…

      Noch ein paar Fragen zum Hermunduren und zu den Verlorenen, die er nicht erwähnen musste, reichten aus, um die Gedanken seines Beraters Belletor etwas in die Irre zu leiten.

      Lartius