Die Legende vom Hermunduren. G. K. Grasse. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: G. K. Grasse
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия: Die Legende vom Hermunduren
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347036130
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dann her damit!“ fuhr der Adler auf.

      Belletor schnappte seinen Hörnersattel, zückte einen seiner Dolche und trennte die größeren Hörner am Sattel auf. Er reichte dem Aquila beide Botschaften.

      „Herr, die eine Botschaft ist Tremorinus Bericht und das andere Dokument ist ein Schuldgeständnis des Statthalters…“

      „Ein Schuldgeständnis, dass der Statthalter dem Legat überreichte… Das kann ich kaum glauben… Du hast es bisher nicht erwähnt! Wie gelangte Verginius Rufus an dieses Geständnis…“

      „Herr, erlaube mir auch dazu zu berichten…“

      „Warte einen Moment, Belletor, lass es mich erst lesen…“

      „Sehr ungewöhnlich…“ quittierte Lartius den gelesenen Text und ließ das Schreiben an einem Ende los, worauf sich dieses wieder aufrollte.

      „Herr, Gerwin schaffte es doch, sich der Bedrohung durch die Triarii der Legio IV Macedonica, die der Statthalter gegen ihn schickte, zu entziehen… “

      „Ja doch, Belletor, das habe ich begriffen… Weiter…“ drängte Lartius.

      „Was, Herr, denkst du, musste Scribonius Proculus befürchten, käme er nicht sehr schnell mit einem Ansinnen zu Legat Verginius Rufus?“

      Belletor wartete auf eine Äußerung des Adlers, der aber schwieg, so dass er selbst eine Antwort bieten musste.

      „Der Hermundure brachte die besten Kämpfer der Macedonica verschnürt zum Legat. Beide trugen keinerlei Verletzung! Beide waren zum Töten ausgesandt worden und kannten den Auftraggeber… Sprach nur Einer, war Scribonius gescheitert und zog auch seinen Bruder mit in den Abgrund…“ Lartius schien begriffen zu haben, denn er nickte auf bedächtige Art.

      Belletor trank und besann sich, bevor er seinen Bericht fortsetzte.

      „Ist Verginius Rufus des Kaisers Mann in Germanien, der Tötungsversuch scheint dies zu bestätigen, muss er weichen, sollte die Absicht der Brüder Scribonius gelingen, die Legionen vom Rhenus dem Senat zu überantworten. Der Angriff aber war gescheitert, weil es den Hermunduren gab…“ Belletor nahm sich Zeit und der Adler folgte nachsinnend dessen Worten. „Also musste der Hermundure weg, doch auch dies scheiterte! Der Bursche brachte auch noch die besten Zungen mit, die er bekommen konnte…“ Der Evocati grinste den Aquila an. „So kamen zwei verfehlte Missetaten zusammen und Scribonius Proculus verglich deren Bedeutung und mögliche Wirkungen … Möglicherweise gelangte er zu der gleichen Folgerung, wie Tremorinus…“

      „Nun spann mich nicht auf die Folter, Miles!“ fluchte Lartius.

      „Die erste Missetat war nicht mehr zu beweisen, denn von den Tätern lebte keiner mehr! So Herr, musste Scribonius Proculus doch glauben? Die einzige Ausnahme war dieser Julius Tutor…“

      Dieser Zusammenhang erschloss sich Lartius aus Tremorinus Schreiben und Belletors Bericht.

      „… doch dessen Parteinahme galt doch den Brüdern Scribonius!“ setzte der Bote nach, als er die Schlussfolgerung des Aquila zu erkennen glaubte.

      „Außerdem war Tutor inzwischen längst bei Proculus Bruder in der Colonia Claudia Ara Agrippinensium. Schließlich hatte er doch selbst für dessen ungehinderte Flucht gesorgt, als er diesen Mann ausgerechnet an den Präfekt der Treverer Auxiliaren, einen Mann Namens Montanus, übergeben ließ…“ Belletor lauerte auf das Erkennen auch dieser Zusammenhänge. „Selbst wenn Scribonius Proculus also zugab, nicht ganz so unbeteiligt gewesen zu sein, ließe sich diese Beteiligung doch im richtigen Augenblick herabmildern und letztlich zu einem erpressten Zugeständnis umdeuten…“

      „Das aber scheint in dieser Sache nicht alles zu sein?“ unterbrach ein misstrauischer Aquila Belletors Bericht.

      „Ja, Herr! Erst einmal überlebten zwei Treverer Auxiliaren den Angriff auf unseren Legat und wurden sofort vom Hermunduren überredet, den Auftraggeber preiszugeben. Er hatte wohl sehr stichhaltige Argumente…“

      In Belletors Händen zeigte sich einer seiner spitzen Dolche und der Kopf der Adler verstand.

      „Beide Treverer waren vom Hermunduren, im vorangegangenen Kampf, ziemlich heftig verletzt worden. Also beließ der Legat den Treverern das Leben. Der Hermundure versprach Heilung und sorgte für deren Sicherheit. Diese beiden Männer lebten noch, als sie das vorläufige Ziel ihrer Flucht erreichten…“

      „Zum Anderen…“ forderte Lartius. Die gefangenen Treverer interessierten ihn nicht sonderlich.

      „…gibt es da noch einen Irrtum des Scribonius…“ ergänzte Belletor.

      „Welchen? Lass dir nicht jeden Wurm einzeln aus der Nase ziehen…“ beklagte sich der Ältere. Der Kopf der Adler der Evocati hatte so richtig Feuer gefangen und hechelte förmlich von Ereignis zu Ereignis.

      Lartius schien auf ein Ziel ausgerichtet zu sein, welches Belletor nicht sehen konnte. Der Aquila drängte vorwärts, sog jedes Wort des Boten förmlich in sich auf, verglich, vervollständigte, verwarf und folgte den inneren Zusammenhängen der in Mogontiacum abgelaufenen Ereignisse mit einer Inbrunst, die Belletor in Unruhe versetzte und gleichfalls in den Bann zu ziehen drohte.

      Indem Belletor erneut trank, sich dabei Zeit nahm, wirkte er auf sich und den Adler beruhigend. Lartius, gezwungen aus der Negierung seiner Umgebung auszubrechen, starre Belletor an.

      „Mann…“ fluchte er „… zwinge mich nicht, dir Beine zu machen…“

      „Herr, du verlierst dich! Die Ereignisse sind längst geschehen. Du kannst nichts mehr beeinflussen oder gar verhindern…“

      Die leise gesprochenen Worte waren ein Wagnis. Belletor empfand die Gefahr und dennoch drängten die Worte über seine Lippen.

      Diese leise Botschaft kam beim Aquila an.

      „Verzeih meine mangelnde Beherrschung!“ Lartius lehnte sich völlig entspannt zurück. „Trotzdem setze fort!“

      „Zwischen Verginius Rufus und diesem Tutor lief ein Spiel der Täuschung ab, das vom Hermunduren geschickt gesteuert wurde. Tutor war, ginge er nicht darauf ein, ein toter Mann… Trotzdem würde er aber zuvor zum Verräter seines bisherigen Herrn werden… Beides gefiel ihm nicht und dennoch blieb zumindest eine der Bedrohungen…“ Belletor nippte an seinem Pokal.

      „Den möglichen Folterungen des Germanen ausweichend, ließ Tutor sich in ein Netz verstricken, dass am Ende eigentlich nur seinen Tod bringen kann… Entweder er geht als Spion zurück in das Lager der Brüder Scribonius und berichtet an Verginius Rufus jede Gefahr, jedes Ereignis und auch jede beabsichtigte Tat der Brüder oder wir offenbaren seinen Verrat… Wie sollte sich Tutor herauswinden können?“ Belletor lächelte und löste damit weitere Verspannungen im Aquila.

      Den Aquila anblickend, ergänzte Belletor. „Gingen doch der Legat, Tremorinus und der Hermundure, mit dem Tutor, zum Statthalter und klagten diesen, vor dessen Angesicht, des Verrats an Rom an, ohne auf dessen Beteiligung am Überfall einzugehen…“

      Lartius stutzte und fast hätte er seine Verwunderung in Worte gefasst, erkannte jedoch rechtzeitig, dass der Bote noch mehr dazu berichten wollte.

      „Tutor fand keine Gelegenheit, das Spiel zu offenbaren. Machte er erst einmal mit, war sein späteres Umschwenken, zurück auf die Seite der Brüder, fragwürdig? Was denkst du, Herr, wie Scribonius Proculus darauf antworten würde? Tutor kennt doch die Eigenschaften der Brüder, die zuweilen sehr schnell und sehr im Zorn handelten… Wer, wenn nicht er, wusste vom Jähzorn der Brüder, die wichtige Fragen oft erst stellten, wenn eine Antwort unmöglich geworden war. Tutor aber wollte leben…“

      Der Miles machte eine Pause und trank einen Schluck vom Wein.

      Der Kreis der abgelaufenen Handlungen schloss sich und Belletor wagte es jetzt endlich, dem Aquila freien Blickes zu begegnen. Bisher bestimmte immer Vorsicht sein Verhalten. Er öffnete sich immer nur soweit er unbedingt musste. Doch in diesem Augenblick, in dem er dem Kopf der Adler einen äußerst