Die Legende vom Hermunduren. G. K. Grasse. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: G. K. Grasse
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия: Die Legende vom Hermunduren
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347036130
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und dennoch wusste er, dass der ältere Sohn Sertor eine Verpflichtung übernehmen musste, die ihn wenig begeistern würde.

      Diese letzte Forderung war eine Pflicht der Ehre. Er selbst war inzwischen schon so alt und durch die zurückliegenden Ereignisse geschwächt und verhärmt, dass er sich die Strapazen einer derartigen Reise nicht mehr zumuten wollte. Sein jüngerer Bruder Amantius würde seine Absicht auch so verstehen…

      Servius lies das Schweigen der Besinnung gewähren. Dann raffte er sich hoch und forderte die Söhne zur Begleitung auf. Langsamen Schrittes ging er in die Richtung des Forums.

      „Hört Beide zu und merkt euch, was ich verkünde. Meine Worte werden eure Zukunft bestimmen. Die Nussschale werden wir stilllegen.“

      Er wartete auf Zustimmung. Die Söhne nickten nur.

      „Jeder von euch erhält eine Corbita und wird als Trierarch auf unsere Schiffe zurückkehren. Ihr seid Beide tüchtige Männer und wisst euch zu behaupten. Der Gewinn, den ihr jährlich einbringt, gehört euch. Bis auf nur drei Teile von Hundert, die ihr mir zukommen lasst. Es ist also eure eigene Sache, für eure und auch meine gute Zukunft zu sorgen… Mutter und ich ziehen in eine neue Hütte, unmittelbar am Meer. Sie wird nicht groß sein, keinesfalls ein Palast werden, dafür aber unseren Ansprüchen genügen. Soweit dazu!“ Servius schwieg, jetzt folgte der Teil, der Widerspruch herausfordern dürfte.

      „Allerdings stehen wir in einer Ehrenschuld, die du, Sertor, für uns alle abtragen wirst! Du bist der Ältere, deshalb du! Du wirst dich zu meinem jüngeren Bruder nach Germanien begeben und unsere Dankbarkeit überbringen! Dies ist ein Dienst an der Ehre unserer Familie!“ Servius schwieg und ging, in seinen langsamen Schritten, weiter.

      Die Söhne aber verharrten. Er merkte, wie sie sich einander zuwandten. Worte hörte Servius nicht und umwenden wollte er sich nicht. Dann aber holten sie ihn ein und liefen wieder, im gleichen Schrittmaß, an seiner Seite.

      „Vater, hast du dir das gut überlegt?“ fragte Volero.

      „Das habe ich! Warum fragst gerade du, mein Sohn?“ Servius erwartete die Ablehnung des älteren Sohnes.

      „Du hast sicher bedacht, dass Sertor ein Weib hat und auch bald einen Sohn haben wird, während ich…“ Volero zögerte.

      „Du bietest dich an? Was ist mit dir, Sertor?“ fragte er verwundert, den älteren Sohn anblickend.

      „Vater, du entscheidest! Ich bin bereit, dennoch stimme ich Volero zu. Ich werde bald Vater…“

      „Das, mein Sohn, ist kein ausreichender Grund! Dein Onkel tat etwas, was ich gerade von ihm, auch weil ich ihn schmählich behandelte, niemals erwartete. Dennoch verzieh er mir und gab uns, damit auch euren möglichen Söhnen, diese Zukunft. Meinst du nicht, dafür Dank zu schulden… Denkst du, meine Entschuldigung zu überbringen, wäre keiner Ehre wert?“

      „Doch Vater, du hast recht!“ stimmte Sertor zu.

      Sie schwiegen wieder, erreichten das Forum und erblickten drei wartende Männer. Plötzlich verhielt Servius seinen Schritt und zwang auch seine Söhne zum Halt.

      „Der Sohn ist kein Grund! Du fährst zur See, bist auch so oft fern von zu Hause. Dein Weib wird auch unter diesen Umständen jeden deiner Söhne in Liebe aufziehen…“ Der Vater schwieg. Nach einiger Überlegung setzte er fort. Seine Stimme klang nachdenklich, leise und dennoch war seine Überlegung von überzeugender Art.

      „Ihr Beiden gleicht euch sehr und der Altersunterschied ist kaum von Bedeutung. Hinzu kommt, dass ihr euch versteht und ich hoffe niemals erleben müsst, was mir ein von mir geliebter Bruder zufügte…“

      Er schwieg und prüfte seinen Entschluss ein letztes Mal.

      „Ich bin einverstanden! Volero übernimmt die Pflicht! Folgt mir!“

      Servius Versatius trat auf die wartenden Männer zu.

      „Ich stelle euch jetzt diese drei Männer vor und wünsche, dass ihr euch jeden Tag eures Lebens an diese Begegnung erinnert. Diesen Männern verdanken wir, neben meinen Bruder Julius Versatius Amantius, das heutige Glück! Zu diesen Männern gehört noch ein Trierarch, den ihr Beiden sehr gut kennt, weil ihr vieles, was ihr wisst und könnt, diesem Mann verdankt. Der vierte Mann in dieser Runde ist der Trierarch, der euch auf seinen Schiffen das Laufen beibrachte…“

      Servius ergriff seinen ehemaligen Secretarius bei der Schulter.

      „Novius Herenus war schon einmal mein Secretarius und wird es wieder sein. Er wird meine Geschäfte betreiben und besitzt mein absolutes Vertrauen. Wenn er zu euch spricht, hört ihr meine Stimme!“

      Servius blickte seine Söhne an.

      Dann griff er nach dem Arm von Numa Durio. „Numa war einst bei mir Segelmeister. Er wird in Zukunft auf deiner Corbita segeln, Sertor!“

      Dann legte er seine beiden Hände auf des letzten Mannes Schulter. „Das ist Hostus Frontalis. Es ist schon sehr lange her, dass er als Schiffsjunge auf der Nussschale herum sprang…“ Der Vater schwieg und lies den Söhnen Zeit für Fragen.

      „Was verdanken wir diesen Männern?“ begann er selbst, weil Sertor und Volero sich in Schweigen hüllten. Servius forderte die Neugier der Söhne heraus.

      „Ihr erinnert euch an meine Erzählung? Der Trierarch wählte diese Drei, mir die Botschaft der Ereignisse zwischen meinen Brüdern zu überbringen. Mein Wille ist Dankbarkeit! Jeder der Männer, und das wusste der Trierarch, würde mir gern diesen Dienst erweisen und wie ihr seht, war seine Wahl sehr gut. Deshalb leistet jeder von uns seine Dankbarkeit ab!“ Servius gelangte zum Ende der Anweisungen, die er seinen Söhnen zu hinterlassen gedachte.

      „Hostus wird dich nach Germanien begleiten, Volero! Was danach geschieht werdet ihr selbst bestimmen. In drei Tagen beginnt eure Reise. Jetzt begleitet mich zu euren Schiffen…“

      Servius Versatius hatte für alles vorgesorgt. Nicht nur dass die Männer auf ihn und seine Söhne warteten, auch Pferde standen dort bereit, wo sie den Tiberis, auf dem Weg zum Portus, überwanden.

      Diesen Weg über den Tiberis und dessen Seitenarm zum Portus würde er zum letzten Mal gehen. Seine Entscheidung stand fest. Seine Söhne waren Trierarchus und sollten deshalb, jeder auf seiner Corbita, zum Fortbestand der eigenen Familie beitragen. Er brauchte deren Geld oder Gewinn nicht. Solange ihm die Götter noch einen regen Geist bescherten, würde Herenus seine Geschäfte betreiben und Frachten für die Söhne beschafften, an denen er selbst noch verdienen konnte.

      So lange Volero in Germanien weilte, sollte der bisherige Trierarch, der Freund, dem er die Zukunft verdankte, dessen Platz besetzen und dann eine Rente von ihm beziehen. Denn auch dieser Trierarch war nicht mehr der Jüngste und verdiente sich einen Lebensabend in Beschaulichkeit und Ruhe. Servius Versatius hatte genug von den erschütternden Ereignissen der letzten Monate und ebenso alles für die Zukunft geordnet, ohne nur einen Einzigen der hilfreichen Geister vergessen zu haben.

       4. Der Bote der Evocati

       66 nach Christus - Sommer (20. September)

       Imperium Romanum – Rom

      Am Morgen dieses gleichen Tages ritt Belletor in den Adlerhorst ein. Er passierte das Tor, traf auf den Pferdeknecht, ergriff seinen Sattel und zwängte sich, mit diesem im Arm, in den Korridor zum Arbeitszimmer des Mannes, der sein Ziel war. Vor der Tür verharrte er, veränderte die Lage des geschulterten Sattels und klopfte. Unaufgefordert in des gefährlichen Mannes Arbeitsraum zu treten, wagte er sich nicht.

      „Komm rein, Belletor!“ hörte er, kurz nach dem sich die Tür öffnete, die ihm bekannte Stimme erklang und die Gestalt des Kopfes der Adler der Evocati, den Rahmen der Tür füllte.

      „Was schleppst du dort mit dir herum?“

      Belletor betrat den Raum, erkannte die Einrichtung und legte den Hörnersattel neben dem Kamin ab.

      „Sollte deine Botschaft an mich ein Sattel sein…“ Aus der bekannten Stimme glaubte