Der Deutsch-Französische Krieg: 1870/71. Jochen Oppermann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jochen Oppermann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783843806657
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Karriere in Frankreich beendet. Zumal er zu lebenslanger Festungshaft verurteilt worden war, aus der er nach sechs Jahren nach England fliehen konnte. Doch die Februarrevolution 1848 brachte ihm nun die Möglichkeit, auf legalem Wege die Macht in Frankreich zu erlangen (vgl. Fontane, Okkupation, S. 169). Neben seinem berühmten Namen sprach bei seiner Wahl auch sein Programm die Menschen an, das den Spagat zwischen Wiederherstellung nationaler Größe und sozialen Reformen versprach. Jedoch hatte er nur den Namen seines Onkels geerbt – nicht dessen kriegerischen Charakter.

      Schon im April 1849 hatte Napoleon Gelegenheit zu außenpolitischen Aktionen, als er nach der Ausrufung der Römischen Republik den Papst unterstützte und dessen Kirchenstaat mit Truppen wiederherstellte. Fortan sah er sich als Schutzmacht des Vatikans. Dennoch stand zunächst die innenpolitische Machtsicherung auf seiner Agenda. Während seiner ersten Jahre tauschte Napoleon die Minister immer wieder aus, bis er eine ihm loyale Basis für sein nächstes Vorhaben hatte. Kurz vor Ablauf seiner Amtszeit putschte er ein drittes Mal und diesmal erfolgreich. Als Zeitpunkt hatte er sich den 2. Dezember gewählt, den Tag, an dem sich sein Onkel 1804 die Kaiserkrone aufs Haupt gesetzt hatte. Mit einer Volksabstimmung verschaffte sich Napoleon die Legitimation seiner Herrschaft. Am 21. Dezember 1851 stimmte ein Großteil der Wahlberechtigten für eine neue Verfassung, die ihm diktatorische Vollmachten garantierte. Ein knappes Jahr später, am 21. November 1852, ließ er abermals abstimmen, diesmal über die Frage, ob das Kaisertum wiederhergestellt werden sollte. Auch hier stimmte eine große Mehrheit dafür und Napoleon ließ sich am 2. Dezember 1852 zum Kaiser ausrufen (Langewiesche, 1993, S. 109). Als Namen trug er fortan »Napoleon III.« – Nach Napoleons I. Abdankung hatte dessen Sohn Napoleon Franz Joseph Karl Bonaparte (1811–1832) als kurzzeitiger Titularkaiser Frankreichs den Namen »Napoleon II.« geführt.

      Da sich Napoleons III. Staatsstreich hauptsächlich auf das Militär gestützt hatte, musste er diesem nun etwas bieten. Auch das übrige Volk wollte den Beweis geliefert bekommen, dass das nunmehr Zweite Kaiserreich mit dem ersten, was Ruhm und Ehre anbelangte, mithalten konnte. Deswegen kam dem Kaiser der Krimkrieg gerade recht. Als neunter in der langen Reihe der russisch-türkischen Kriege nahm dieser 1853 seinen Anfang und hatte seine Ursache vor allem im Niedergang des Osmanischen Reiches und dem kulturellen und religiösen Gegensatz zu Russland. Da aber vor allem England um seine Macht im östlichen Mittelmeer bangte, stellte es sich auf die Seite der Osmanen, um eine Erweiterung des russischen Einflusses zu verhindern. Als ein »echter« Napoleon hatte man seit 1812 mit Russland sowieso noch eine Rechnung offen, und so gelang es dem Kaiser mühelos, die französische Öffentlichkeit für ein militärisches Eingreifen zu begeistern. Der Konflikt gipfelte in der Belagerung von Sewastopol auf der Krim, die von Oktober 1854 bis September 1855 dauerte. Am 30. März 1856 wurde in Paris der »Dritte Pariser Frieden« geschlossen, der den Krieg schließlich beendete. Hinsichtlich des bis dahin auf dem Kontinent herrschenden Mächtegleichgewichtes war der Friedensvertrag eine Zäsur (Gall, 1997, S. 43). Die 1815 geschlossene Heilige Allianz zwischen Österreich, Russland und Preußen zerbrach, und Frankreich wurde die neue (alte) Großmacht, ganz wie es Napoleon III. versprochen hatte.

      Doch auch hinsichtlich der Geschichte der Kriegsführung war der Krimkrieg eine Zäsur. Er gilt als erster »moderner« Krieg und hält alle Zutaten künftiger militärischer Auseinandersetzungen bereit. Es tauchten gepanzerte Dampfschiffe auf, Geschütze mit immenser Sprengkraft und großer Reichweite kamen zum Einsatz, Gewehre mit gezogenen Läufen stabilisierten die Flugbahn der Projektile und erhöhten somit die Durchschlagskraft und Reichweite, die Eisenbahn wurde militärisch genutzt und Befehle wurden per Feldtelegrafen weitergegeben (Arand, S. 80).

      Napoleon III. konnte mit den eingerichteten Telegrafenleitungen unmittelbar per Befehl eingreifen, obwohl er sich weit entfernt aufhielt – nicht immer zum Vorteil der eigenen Truppen. Auch die Nachrichten von der Front kamen schneller in die europäischen Hauptstädte, sodass die Bevölkerung gut und zeitnah über die Vorgänge informiert war. Die erste echte unmittelbare Begegnung mit dem modernen Krieg sollte Napoleon 1859 bei Solferino haben. Beim Ritt über das Schlachtfeld am 25. Juni, einen Tag nach der Schlacht, war er so schockiert, dass er zusammenbrach. Offensichtlich fehlten ihm die Kaltblütigkeit und Nervenstärke seines Onkels (ebd., S. 81).

      Dennoch erlebte Frankreich und insbesondere Paris unter seiner Herrschaft eine wirtschaftliche Blütephase. Die Stadt wurde neben London zum wichtigsten Finanzzentrum Europas. Am offensichtlichsten kann man jene Jahre des Zweiten Kaiserreiches in der Architektur noch heute sehen. Georges-Eugène Baron Haussmann (1809–1891) wurde die Neugestaltung übertragen. Die »Transformation von Paris« sollte stärkster Ausdruck seiner Herrschaft werden und der Stadt ein modernes Antlitz geben. Doch damit ging nicht nur eine ästhetische Überlegung einher, sondern auch eine machtpolitische, weil man auf den breiten Boulevards – die breiteste Straße, die er anlegen ließ, war 120 Meter breit! – unmöglich effiziente Barrikaden errichten konnte (Willms, S. 150 ff.). Aufständische hatten so weniger Möglichkeiten zum Widerstand.

      Die Krux der napoleonischen Herrschaft war, dass es Stagnation nicht geben durfte. Sichtbare Erfolge waren die Legitimität der Herrschaft, ganz gleich in welcher Hinsicht. Wer sich davon nicht blenden ließ, konnte die nahende Katastrophe sehen. Selbst der Kaiser überspielte seine stetig zerfallende Gesundheit, wobei immer stärker seine Frau, Kaiserin Eugénie (1826–1920), das Zünglein an der Waage spielte. Sie war es, die die Bälle und Soireen organisierte und es gar soweit brachte, dass sich ihre modische Extravaganz in der Wirtschaft, eben der Textilwirtschaft positiv niederschlug. Jede Frau, die etwas von sich hielt, musste dem kaiserlichen Vorbild folgen und stets über den neuen Stil informiert sein (Arand, S. 75). Dafür wurde sie bereits von Zeitgenossen kritisiert, aber man sollte ihr zugutehalten, dass eben die gesamte Herrschaft auf jener Repräsentation aufbaute. Dass sie alles andere als nur ein modisches Aushängeschild des Zweiten Kaiserreiches war, sollte ihre Rolle in der Entstehung des Deutsch-Französischen Krieges zeigen. Bis dahin musste das Kaiserpaar jedoch darauf achten, dem Glanze Frankreichs Erfolge jeder Art zuzuführen (Gall, 1997, S. 44). Doch es kam anders.

      In das zweite Jahrzehnt der Kaiserherrschaft fällt ein äußerst desaströses außenpolitisches Abenteuer, das man durchaus als beginnenden Niedergang deuten kann. Nach dem Bürgerkrieg in Mexiko von 1857–1861 war das Land unter der liberalen Regierung Benito Juárez’ (1806–1872) wirtschaftlich am Boden und beschloss, alle Zahlungsverpflichtungen einzustellen. Frankreich hatte, wie England und Spanien auch, Kredite gegeben und beschloss nun, eine Strafexpedition nach Amerika zu schicken. Zusammen mit den Alliierten besiegten die Franzosen die Mexikaner rasch und handelten neue Zahlungsmodalitäten aus. Nachdem die Engländer und Spanier sich wieder aus dem Land zurückgezogen hatten, beschloss Napoleon III., seine 7000 Mann starke Truppe im Land zu belassen, um ein politisches Gegengewicht zu den USA aufzubauen. Natürlich sollte dies unter französischer Kontrolle geschehen und da die Vereinigten Staaten gerade ihren Bürgerkrieg ausfochten, sah der Kaiser die Gunst der Stunde, ein mexikanisches Kaiserreich zu errichten. Eine lateinamerikanische Republik in eine europäisch geprägte Monarchie umzuwandeln, darf durchaus als tollkühn bezeichnet werden. Dennoch fand sich ein europäischer Monarch, der sich auf den mexikanischen Thron setzte. Erzherzog Ferdinand Maximilian Joseph Maria von Österreich (1832–1867) bestieg am 10. April 1864 den neu geschaffenen mexikanischen Kaiserthron als Kaiser Maximilian I. Um seine Herrschaft gegen ein wütendes mexikanisches Volk zu sichern, befanden sich bald 50 000 französische Soldaten im Land, die unter dem Kommando Marschall François-Achille Bazaines (1811–1888) standen. Bazaine war ein erfahrener General, der schon im Krimkrieg und bei Solferino gekämpft hatte. Doch bereits ein Jahr nach der Thronbesteigung wendete sich das Blatt, und die Mexikaner, von den USA nach Beendigung ihres Bürgerkrieges unterstützt, entfachten einen entnervenden Guerillakrieg gegen die Franzosen. Auch die explodierenden Kosten brachten Napoleon III. letztlich zu der Einsicht, dass das Vorhaben abzubrechen sei. Anfang 1866 wurde der Rückzug der französischen Truppen aus Mexiko begonnen. Kaiser Maximilian I. konnte sich noch ein knappes Jahr mehr schlecht als recht auf dem Thron halten, dann wurde er gestürzt und am 19. Juni 1867 erschossen. Der impressionistische Maler Édouard Manet (1832–1883) hat die Hinrichtung Maximilians in mehreren Bildern verewigt, in denen die erschießenden Soldaten Uniformen tragen, die den französischen ähneln. Ein Soldat trägt die Züge Napoleons III., weshalb das Bild der Zensur zum Opfer fiel. Jedoch gab das Bild gut die Stimmung in Frankreich wieder, wo das gescheiterte mexikanische