Der Deutsch-Französische Krieg: 1870/71. Jochen Oppermann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jochen Oppermann
Издательство: Bookwire
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Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783843806657
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Pforten geöffnet und ihre Teufel losgelassen, die nun mit einem dämonischen Heulen umherfahren, um das Menschengeschlecht zu vernichten und es in seinen Qualen zu verspotten. Man empfindet Entrüstung, Entsetzen über diese Macht, die den Tod verspricht, den Einzelnen aber nicht warnt, wen der Tod ereilen wird« (zitiert nach: ebd., S. 246 f.). Der maschinelle, anonyme Tod hatte die Schlachtfelder Europas bei Düppel das erste Mal erreicht.

      Hinsichtlich des Deutschen Bundes zeigte sich, dass die beiden tonangebenden Mächte, Preußen und Österreich, ihre eigene Politik verfolgten. Auf wirtschaftlicher Ebene war der »Deutsche Zollverein« das preußische Instrument, um eine Entscheidung über das künftige Deutschland herbeizuführen. Diesen richtete Berlin nach Westen hin aus; Österreichs Beitritt war nie eine ernsthafte Option, weil Wiens Interessen eher in Mittel- und Osteuropa lagen. Bereits im März 1862 war zwischen Preußen und Frankreich ein Handelsvertrag geschlossen worden, der im Prinzip nur noch die Frage ungeklärt ließ, welche von den übrigen deutschen Staaten sich auf wessen Seite, Österreich oder eben Preußen, stellen würden. Traditionsgemäß standen die süddeutschen Staaten Österreich näher. Als eine Art inoffizielle Grenze zwischen den Blöcken galt der Main, zumal ab 1864 alle nördlich des Mains gelegenen deutschen Staaten dem preußisch-französischen Freihandelsbund beitraten. Im Prinzip war damit bereits das Territorium des »Norddeutschen Bundes« abgesteckt. Bismarck konnte den nächsten Schritt machen zur Verwirklichung einer alleinigen preußischen Vormachtstellung in Deutschland. Und dies war der sogenannte Deutsch-Deutsche Krieg, der sich an der Schleswig-Holsteinischen Frage entzündete.

      Am 7. Juni 1866 waren preußische Truppen in das Herzogtum Holstein einmarschiert. Damit reagierte Berlin auf den Bruch des »Gasteiner Abkommens«, als Wien die Weisung an den Statthalter Holsteins gab, die Ständeversammlung möge den Bundestag in Frankfurt über die Zukunft des Herzogtums entscheiden lassen. Österreich tat nach dem preußischen Einmarsch nun das, was im Deutschen Bund in einem solchen Fall zu tun war. Es beantragte am 9. Juni in Frankfurt die Mobilisierung der Bundestruppen zum Zwecke einer Bundesexekution gegen Preußen. Auf diesen Antrag hin tagte der Bundestag am 14. Juni, wobei Preußen den österreichischen Antrag bereits im Vorfeld als rechtswidrig ansah (Neuhold, S. 57).

      Am 14. Juni 1866 wurde auf Antrag Österreichs der Kriegszustand mit Preußen beschlossen. Der damit verbundenen vertraglichen Bündnispflicht kamen alle großen Staaten nach. Kleinere Mitgliedsstaaten, die nahe an Preußen lagen, wie die Hansestädte, verweigerten sich diesem Bündnisfall und hielten zu Preußen, wobei man an deren freiwilliger Entscheidung durchaus zweifeln darf. Preußen trat mit diesem Tag offiziell aus dem Deutschen Bund aus, sodass man korrekterweise nun von einem Krieg zwischen dem Deutschen Bund und Preußen sprechen muss. Aber natürlich war es der seit Jahrzehnten erwartete Krieg zwischen Österreich und Preußen um die endgültige Vorherrschaft in Deutschland.

      Die Entscheidung des Krieges sollte jedoch nicht im hohen Norden, sondern in Böhmen fallen. Maßgeblich dafür war das strategische Konzept der »Äußeren Linie«, das der preußische Generalstabschef Helmuth von Moltke (1800–1891) in Anlehnung an Clausewitz’ »Innerer Linie« entworfen hatte. Dafür ließ er drei Armeen getrennt voneinander konzentrisch aufeinander zumarschieren – eine riskante Strategie, die den Österreichern lange das Gefühl des Sieges gab. In achteinhalb Korps eingeteilt sollten sich die drei Armeen zwischen Elbe und Schlesien nach Böhmen hineinbewegen. Die größte Gefahr war dabei, dass die Österreicher die Armeen einzeln schlagen würden. Die Möglichkeit lag hingegen in einer Einschließung der Gegner.

      Am Abend des 3. Juli 1866 ging eine der größten Schlachten des 19. Jahrhunderts zu Ende, bei der sich rund 440 000 Soldaten 24 Stunden lang gegenübergestanden und versucht hatten, sich gegenseitig zu töten. Dementsprechend sah es auf den wenigen Quadratkilometern zwischen Elbe und Bistritz auch aus. Kronprinz Friedrich (1831–1888) war erschüttert vom Anblick. »Das Schlachtfeld zu bereiten war grauenvoll, und es lassen sich die entsetzlichen Verstümmelungen, die sich dem Blicke darstellten, gar nicht beschreiben. Der Krieg ist doch etwas furchtbares, und derjenige Nichtmilitär, der mit einem Federstrich am grünen Tisch denselben herbeiführt, ahnt nicht, was er heraufbeschwört« (Friedrich, 1929, S. 450). Wahre Worte, die keinen Nachhall fanden.

      Die Preußen trieben die Reste der österreichischen Nordarmee vor sich her und standen Mitte Juli an den Vororten Wiens. Nun begann im Grunde bereits die Vorbereitung des Krieges gegen Frankreich. Bismarck musste seinen König von einem raschen und mäßigenden Frieden mit Österreich überzeugen. Dieser war im Siegestaumel und wollte die Österreicher weiter über die Donau verfolgen. Sogar der ansonsten eher kühle von Moltke stimmte dem König zu, doch Bismarcks Hinweis auf die Nachschublinie brachte die Herren zum Nachdenken: »Sind wir ganz drüben, so verlieren wir die Verbindungen nach rückwärts; es würde dann das geratenste sein, auf Konstantinopel zu marschieren, ein neues byzantinisches Reich zu gründen und Preußen seinem Schicksal zu überlassen.« (zitiert nach: Krockow, 2000, S. 203). Auch wenn Bismarck hier weniger mit Argumenten als mit Emotionen begründete, so konnte schließlich vor den in den preußischen Truppen ausbrechenden Cholera-Erkrankungen niemand mehr die Augen verschließen (ebd.). Im Süden wartete die österreichische Südarmee unter Erzherzog Albrecht von Österreich-Teschen (1817–1895), der vom geschlagenen Ludwig von Benedek (1804–1881) den Oberbefehl übernommen hatte, hinter gut ausgebauten Stellungen an der Donau.

      Der preußische König forderte ganz im Stile des 19. Jahrhunderts Gebietsabtretungen von Österreich und Sachsen. Am 24. Juli kam es zu einer dramatischen Auseinandersetzung zwischen Bismarck und Wilhelm. Jeder Punkt eines eventuellen Friedens wurde ohne Konsens durchgegangen, bis man sich im Streit trennte, »und ich mit dem Eindruck, meine Auffassung sei abgelehnt, das Zimmer verließ mit dem Gedanken, den König zu bitten, daß er mir erlauben möge, in meiner Eigenschaft als Offizier in mein Regiment einzutreten.« (Bismarck, Gedanken, S. 332). Sogar Selbstmordgedanken will Bismarck gehabt haben, doch sein König gab nach. Am 26. Juli wurde zwischen Österreich und Preußen der Vorfriede von Nikolsburg geschlossen. Dabei sollte Preußen nicht völlig ohne Annexionen bleiben. Schleswig-Holstein, Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt gehörten fortan zu Preußen. Ebenso stimmte Österreich zu, dass der Deutsche Bund aufgelöst wurde und es selbst bei einer Neugestaltung keine Rolle spielte. Der Prager Frieden vom 23. August 1866 bestätigte dies alles nochmals.

      Mit den norddeutschen Staaten schloss Preußen am 18. August das »Augustbündnis«, das als militärischer Beistandspakt die Vorstufe zum Norddeutschen Bund war. In einem norddeutschen Reichstag wurde eine Verfassung vorbereitet. Im »Frieden von Prag« war ein Südbund vorgesehen (Artikel 4), der jedoch nicht realisiert werden konnte. Bis zum 21. Oktober 1866 schlossen 21 deutsche Staaten ein Bündnis mit Preußen, das den Namen »Norddeutscher Bund« erhielt (Krockow, 2000, S. 214 f.).

      Gerade die Uneinigkeit, die sich beim Mainfeldzug unter den Süddeutschen auf militärischer Ebene gezeigt hatte, wurde nun auf die politische Ebene übertragen. Insbesondere Bayern, das sich als größter Staat in einem solchen Bund sah, gelang es nicht, seinen Anspruch als Führungsmacht auch durchzusetzen. Da der Friedensvertrag einen Beitritt zum Norddeutschen Bund untersagte, die Auflösung des Deutschen Bundes die süddeutschen Staaten aber ohne militärischen Schutz gegen Frankreich zurückließ, wurden mit Preußen einzelne Verträge geschlossen. Diese »Schutz- und Trutzbündnisse« waren rein defensiver Natur und wurden vom französischen Kaiser Napoleon III. (1808–1873) und seinen militärischen Beratern nicht besonders ernst genommen (Arand, S. 72). Das sollte sich noch als fatal erweisen.

      II. DAS ZWEITE FRANZÖSISCHE KAISERREICH

      »Frankreich war nie republikanisch, weil es das Reich der Eitelkeit ist. […]

      Der Kaiser ist ein Überlebender von Waterloo: unter diesem Gesichtspunkt und keinem andern ist die Rolle zu beurteilen, die er in der Welt verkörpert. Es ist zugleich seine Entschuldigung, seine Schwäche und seine Größe.«

      Horace de Viel-Castel

      Die Geschichte des zweiten französischen Kaiserreiches begann mit der Präsidentschaftswahl am 10. Dezember 1848. Bei ihr setzte sich Charles Louis Napoleon Bonaparte knapp durch. Er wurde als Neffe des großen Napoleon Bonaparte geboren und hatte bereits 1836 vergeblich gegen den Bürgerkönig Louis-Philippe geputscht,