»Und Willie?«
»Liegt auf dem Wagen: er ist leider tot.«
»Und Ted… Mein…« Plötzlich schrie er, daß es über den ganzen Hof gellte: »Nein! Nein!«
Barring sagte rauh: »Ted liegt noch beim Arzt. Aber es steht nicht gut um ihn.«
Dann ging er weiter und stellte den Eimer neben die Frau.
Die schwarze Köchin war auf zitternden Beinen neben ihre Herrin getreten.
»Was gaffen Sie denn?« herrschte Barring, dem die Fassung jetzt auch zu schwinden drohte, sie an. »Nehmen Sie ihr das Halstuch ab und tränken Sie es im kühlen Wasser. Auf die Stirn und die Schläfen, den Hals und in den Nacken.«
Während er es sagte, blickte er bereits voller Mitleid auf den einstigen Freund, der plötzlich ein alter Mann geworden zu sein schien. Der Schotte vermochte zu ermessen, was der Mann da verloren hatte.
»Roger!« Der Schrei des Vaters brach sich an den Wänden der Scheunen und Strohhäuser.
Der Cowboy rührte sich jedoch nicht.
»Roger, komm her!«
Da erst stieg der Bursche vom Wagen und kam langsam und mit gesenktem Kopf näher. Fünf Yard vor dem Vater blieb er stehen.
Der blickte ihn nicht an.
»Was hast du mir zu sagen?«
»Es war meine Schuld, alles…«, stammelte der Bursche leichenblaß.
»Wer hat Jonny getötet und Martin? Und Willie…?«
»Charlie ist auch tot. Und die anderen sind verwundet.«
»Wer ist Charlie? Welche anderen meinst du?«
»Die Hacatts.«
Da wandte sich James Elliot ab.
»Mein Pferd!«
»Vater, es ist doch… ein Gunfight gewesen. Da kannst du gar nichts machen.«
»Mein Pferd, habe ich gesagt!« beharrte der Rancher.
»Aber, Vater, ich bitte dich! Wir haben alle gleichzeitig geschossen. Charlie Hacatt ist ja auch tot.«
Da wandte sich der Rancher zum Corral hinüber und holte das Pferd des Vaters.
Der Rancher wartete mitten im Hof.
Seine Frau war inzwischen zu sich gekommen und starrte mit kreidebleichem Gesicht auf ihren Mann.
»James, bitte, bleib hier!«
Roger brachte das Pferd.
»Vater…«
»Halt den Mund.«
Elliot zog sich in den Sattel und riß die Zügelleinen hoch.
»James!« John Barring hatte es gesagt.
Und ein hartes metallisches Klicken folgte seinem Wort.
Elliot hielt an und drehte sich um. Er starrte in die Mündung eines Revolvers.
»Was soll das, John?« stieß er düster hervor.
»Steig ab!« Barring hatte es sehr ruhig gesagt.
Da stieg der Rancher vom Pferd und ging auf den Schotten zu.
»John!«
»Du mußt hierbleiben, James. Es reicht, wenn drei oder gar vier Elliots tot sind. Die Ranch braucht dich.«
Das sagte er, der seit einem Vierteljahrhundert kein gutes Wort mehr von dem Nachbarn gehört hatte.
Elliot brauste auf: »Was willst du überhaupt hier? Was geht dich das alles an? Du mußt dich doch freuen! Hast du mich doch endlich geschlagen. Vier meiner Söhne tot!«
John Barring maß den Rivalen mit einem verächtlichen Blick, stieg auf den Bock seines Wagens und fuhr aus dem Hof.
Roger Elliot fand auch jetzt kein Wort. Keine Erklärung, mit der er wenigstens dem Vater hätte von der Tat des Schotten berichten können, daß es noch schlimmer, viel schlimmer ohne John Barring geworden wäre. Denn er selbst lebte ja! Und er hatte den Revolver gerade auf Hal Hacatt gerichtet gehabt, um ihn, der in dieser Sekunde gar nicht auf ihn achtete, niederzuschießen.
Aber was lag dem niedergeschmetterten Vater jetzt an Hal Hacatt?
Er hätte in dieser Stunde nicht begriffen, was der Schotte getan hatte, wie er sich eingesetzt hatte, um die Boys von ihrem verblendeten Vorhaben abzubringen.
Er hat mir den toten Sohn gebracht, meinen Jonny, um den er mich seit mehr als vierundzwanzig Jahren beneidete! Jetzt bin ich arm. Arm fast wie er.
Roger – ja, Roger lebte. Aber das war eben auch nur ein Trost.
Als Barrings Wagengeräusch vom Hof nicht mehr zu vernehmen war, zog sich der Rancher müde in den Sattel.
Da stand oben auf der Veranda seine Frau auf.
»James.«
Es war kein Ruf, kein Schrei…, nur die Bitte einer gequälten Mutter.
Der Mann blickte sich um.
»James, bleib hier.«
»Ich… ich muß zum Sheriff.«
»Nein.«
»Ich muß, Mary. Es ist meine Pflicht. Vielleicht war es Mord und…«
»Es war kein Mord«, krächzte Roger.
»Mord nicht!« fuhr ihn da der Rancher grimmig an, »aber Wahnsinn war es. Blutiger, tödlicher Wahnsinn. Und es sollte mich wirklich wundern, wenn du nicht ein Teil Schuld an diesem Unglück trägst.«
Da brach es zerknirscht aus dem Burschen hervor: »Doch, Vater, ein Großteil – wenn nicht die ganze Schuld.«
Fassungslos blickte ihn der Rancher an.
»Sprich, sprich doch endlich! Ich muß es doch wissen!«
»Ich habe die andern verleitet, in den Montana Saloon zu gehen. Jonny wollte nicht. Er ritt sogar weiter, und Martin folgte ihm mit dem Wagen.«
»Und die Zwillinge?«
»Sie hatten nichts gegen einen Drink.«
»Kann ich mir denken. Aber die Hacatts waren da. Und du wußtest es.«
»Ja, ich habe es genau bemerkt, daß Willie stockte, als er die Pferde sah. Und Ted blieb sogar stehen.«
»Aber sie wollten keine Angst haben, stimmt’s? Die unseligen Boys wollten nicht hinter dir zurückstehen.«
»Ja, so war es, Vater, genauso.«
Und nun berichtete der Cowboy dem Vater alles, was er noch wußte. Die Schuld, die er sich dabei in übertriebener Art zumaß, war größer als in Wirklichkeit. Sie war schon groß – und sie lag doch nicht einzig bei ihm. Die anderen Brüder und auch die sieben Hacatts hatten ihren freien Willen und hätten nicht zu kämpfen brauchen, wenn sie besserer Einsicht gewesen wären.
Aber Roger Elliot hatte doch den gefährlichen Anstoß gegeben, sogar zweimal in zwei entscheidenden Minuten. Daran gab es nichts zu rütteln.
Stumm und mit gesenktem Kopf stand er vor dem Vater, in der Erwartung mit dröhnender Donnerstimme für alle Zeiten vom Hof verwiesen zu werden.
Aber es geschah etwas Sonderbares, etwas, das der junge Mann nie und nimmer erwartet hätte.
Der Alte taumelte benommen zum nahen Brunnen, ließ sich auf dessen holzgefaßten Rand nieder, und sein Kopf sank auf die Brust. Ein konvulsivisches Zucken lief durch seinen Körper.
Weinte der Vater?
Das nicht! Nein, nur das nicht! Das wäre fürchterlich!
Aber James Elliot stand wieder auf und kam auf den völlig niedergeschlagenen