»Doc Holliday?«
»Ja, er ist drinnen.«
Tracy ging weiter, schob die Tür auf, durchmaß den Flur und öffnete die Stubentür.
Mit schmalen Augen blickte er auf den hochgewachsenen Mann, der mit Sonde und Pinzette, Skalpell und Spitzzange über den Körper des besinnungslosen Burschen gebeugt stand.
Tracy hatte den berühmten Gambler nie zuvor gesehen.
Das also war Doc Holliday. Welch eine unheimliche Ruhe von diesem Mann ausging.
Niemand im Zimmer rührte sich.
Und sofort gehörte auch der Sheriff zu den schweigenden, reglos dastehenden Zuschauern.
Unendlich vorsichtig arbeitete der einstige Bostoner Arzt. Plötzlich zog er die Brauen zusammen.
Die Menschen starrten ihn mit brennenden Augen an.
Seine Linke schob die Sonde in die Wunde, und dann zuckte seine Rechte mit der Pinzette hoch.
Ein verformtes Bleistück saß zwischen den beiden metallenen Klammern.
Holliday wischte sich mit dem Unterarm über die Stirn.
Eine mörderische Hitze herrschte in dem kleinen Raum.
Daß er dabei überhaupt arbeiten kann! dachte Tracy.
Da sah er, wie Holliday sich plötzlich nach vorn beugte. Er legte das Ohr über Sterling Bucks Gesicht.
Rasch richtete er sich dann auf und holte ein Fläschchen aus seiner Tasche, hielt es einer Frau hin und wies sie an, es unter die Nase des Verwundeten zu halten.
Mit fliegenden Fingern säuberte er abermals die Wunde und legte dann einen Verband an.
Die Menschen blickten auf das fahle Gesicht des Verwundeten. Lebte er noch? Oder hatte er den Eingriff nicht überstanden?
Doc Holliday wusch seine Instrumente, packte sie ein, nahm seine Jacke und seinen Hut und wollte hinaus.
Da hielt ihn der Sheriff auf. »Wie steht es, Doc?«
»Da fragen Sie am besten den lieben Gott, Sheriff…«
Eine Nacht lang bangte eine ganze Stadt um das Leben eines Menschen.
Am nächsten Morgen wußten sie, daß Sterling Buck noch lebte.
Und unten im Jail saß Stanlay Ripper, festgenommen, weil er die Kugel, die Doc Holliday aus Sterling Bucks Brust geholt hatte, abgeschickt haben sollte.
Als der Georgier und Virgil Earp gegen halb acht aus dem Hotel traten und ihre Pferde von einem Peon gebracht wurden, weil sie sich zur Station begeben wollten, kam ein kahlköpfiger kleiner Mann auf den Spieler zu.
»Ich bin Doktor Bernard, Mister Holliday. Ich habe gehört, daß Sie den Burschen von dem Blei befreit haben. War eine großartige Leistung. Damned, ich weiß bestimmt nicht, ob ich es gewagt hätte, so dicht neben dem Herzen.«
»Wie geht es ihm?«
Doc Berhard entgegnete: »Ich glaube, den Verhältnissen entsprechend gut, Doc. Er wird durchkommen. Nur hat er die Augen immer noch nicht geöffnet.«
Da drückte Holliday dem Peon die Zügel in die Hand und wandte sich an Virgil.
»Ich bin sofort zurück.«
Er wandte sich an den alten Arzt und erkundigte sich: »Wo liegt der Junge?«
»Noch oben beim Schmied. Die Leute kennen die Mutter des Verwundeten und haben ihn dagelassen. Wahrscheinlich ist das auch besser gewesen.«
»Bestimmt sogar.«
Holliday ging mit dem Arzt zur Schmiede.
Nach zehn Minuten sah Virg ihn zurückkommen.
Der Spieler gab dem Peon einen Wink.
»Bring mein Pferd wieder in den Stall.«
»All right, Sir.«
Virgil zog seine Brauen zusammen.
»Der Zug fährt in zehn Minuten, Doc!« krächzte er.
»Ja, weiß ich.«
»Wollen Sie nicht mit?«
»Nein.«
»Weshalb nicht?«
»Ich warte noch.«
»Wieso. Ist etwas mit dem Burschen? Der kleine Doc meinte doch, es ginge ihm ganz gut.«
Das Gesicht des Georgiers war hart wie Felsstein.
»Der Bursche stirbt.«
Virg rieb sich unbehaglich das Kinn.
»Aber das kann doch gar nicht sein! Der Arzt sagte doch…«
»Er hat keine Ahnung!« entgegnete der Gambler schroff und ging ins Hotel zurück.
Virg stand neben seinem Pferd auf der Straße und blickte unschlüssig hinter dem Spieler drein.
»Ein schwieriger Mann, dieser Doktor Holliday. Was Wyatt bloß an ihm findet. Mich würde er mit seiner eisigen Ruhe auf die Dauer nur nervös machen.« Leise hatte er es vor sich hin gemurmelt und gar nicht bemerkt, daß der Sheriff hinter ihn getreten war.
»Na, Mister Earp, gibt es was Unangenehmes?«
Virgil wandte den Kopf.
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