Eine Woche später kamen Ed Chester und Frank Macirian, der wieder gesund war, mit den leeren Wagen zurück.
Macirian beteuerte, daß er und Ed nichts von den Kindern gewußt hätten. Erst in Cassedys Hof sei ihnen ein Licht aufgegangen.
Es gab eine lange Verhandlung, aber wo kein Kläger mehr war, konnte auch der Richter nichts sagen.
Für die Menschen von Tucumcari war nur eines wichtig: Die drei verschwundenen Kinder waren wieder da.
Mit harten Augen blickte der Reiter in die Talsenke auf die wenigen Rinder, die am Creek weideten.
Roger Elliot war dreiundzwanzig. Er hatte eine mittlere Figur, schlanke Hüften und lange, schlaksige Beine. Niemals hatte ihn jemand ohne seidene Krawatte und weißes Hemd gesehen. Er kehrte den Sohn des wohlhabenden Ranchers heraus. So hatte er sich eigens aus Arizona eine echte Jacarilladecke kommen lassen und sie unter den mit dem Brandzeichen der Ranch verzierten Sattel gelegt. Sein Fuchshengst war hochbeinig und von edler Rasse. Alles an dem jungen Elliot wirkte aufgeputzt und gewollt.
Roger wurde von jedermann im County gefürchtet. Außer von den Barrings.
John Barring war im gleichen Jahr, ja, im gleichen Monat wie der Rancher James Elliot, Rogers Vater, in das Land zwischen dem Red Rock und dem Black Trail im Beaverhed County in der südwestlichen Ecke Montanas gekommen.
Anfangs waren die beiden Männer miteinander befreundet. Jeder baute seine kleine Ranch auf. Sieben Meilen nur trennten ihre Höfe voneinander.
Da lernten sie eines Tages in Dillon, der einzigen Stadt weit und breit, June Halloway kennen. Die hübsche Mayortochter tanzte mit beiden auf dem Fest, das Mayor Gallard zu seinem fünfundsechzigsten Geburtstag gegeben hatte.
Und dann wußten beide, daß sie das Mädchen liebten. Aber June konnte nur einen erhören – und nahm den stilleren, besonneren Mann, den Schotten Barring.
Von diesem Tag an war die Freundschaft der beiden Männer zu Ende. Die hübsche junge June Barring war sehr unglücklich darüber.
Aus Zorn heiratete Elliot Junes Freundin Mary.
Schon nach einem knappen Jahr hatte der Rancher Elliot einen Sohn. Im nächsten Jahr schenkte ihm Mary den zweiten. Darauf waren es Zwillinge und danach kam wieder ein Junge.
Fünf Jungen waren auf dem Hof des Ranchers Eliot und wuchsen heran, als June Barring ihrem Mann eine Tochter schenkte.
Zum erstenmal in seinem Leben haderte der Schotte mit seinem Geschick. Eine Tochter!
Was tat ein Rancher mit einer Tochter?
Zwei Tage lang kam er nicht nach Hause, stand in Dillon an der Theke des Montana Saloons und trank einen Whisky nach dem anderen. So etwas hatte er niemals zuvor getan.
Barring konnte sich bald etwas trösten, denn die kleine Ann wurde ein bildhübsches Mädchen.
Die fünf Jungen jedoch ersetzten drüben auf der Elliot Ranch eine Cowboy-Mannschaft und konnten dem Vater helfen, den Hof auszubauen, die Rinderzahl zu verdoppeln und immer mehr Land dazu zu nehmen.
Bei den Barrings indessen stand es schlecht. Der Schotte schuftete sich halb tot. Frau und Tochter vermochten ihm nicht einen einzigen Cowboy zu ersetzen, so sehr sie sich auch abmühten.
Barring hatte es schwer. Die Ranch kam nicht vorwärts, im Gegenteil. Barring mußte Rinder verkaufen, um den Hof überhaupt halten zu können.
Barring sah oft voller Neid die fünf jungen Elliots über die Prärie reiten, die große Herde zusammenhalten und überall nach dem Rechten sehen.
Sie hatten im Westen den großen Red Rock, von dem sie einige Wassergräben abgeleitet hatten, um sie durch die Weide zu führen. Das gab dem Gras neue Kraft.
Selbst wenn Barring ein paar Leute gehabt hätte, wäre es ihm nicht möglich gewesen, etwas Ähnliches zu versuchen, da der Black Trail viel zu weit im Osten lag.
Und der kleine Creek, der durch seine Weide rann, der reichte kaum aus, die nächste Umgegend halbwegs frisch zu halten.
Als der Schotte hierher gekommen war, war er einem Indianer begegnet, der ihm geraten hatte, in der Nähe des Creeks zu bleiben, da er wertvoll sei. Aber Barring vermochte nichts von diesem Wert zu entdecken.
Und in den darauffolgenden Jahren hatte John Barring den Roten noch einmal getroffen.
Der hatte weise gelächelt und erklärt: »Du hast keine Geduld, weißer Mann; es ist ein wertvoller goldener Creek, der Silver Creek…«
Well, für die Indianer mochte er wohl ein heiliger Creek sein, aber dem Rancher Barring brachte er nur wenig Nutzen. Und die Vermutung, der Rote habe vielleicht andeuten wollen, es sei Gold im Creek, bestätigte sich nach Barrings Prüfung nicht.
Die Jahre gingen dahin.
Sie waren beide mit fünfunddreißig gekommen, Barring und Elliot, und jetzt waren sie fast sechzig. Beide noch gesund und stark – aber Barring weit mehr verarbeitet und älter wirkend als der wohlhabende James Elliot.
Da schlug das Schicksal zu.
Zuerst bei Barring. Die Ranch brannte nieder.
Der Schotte baute sie mit einer Verbissenheit ohnegleichen wieder auf.
Dann wurde ihm Vieh gestohlen.
Er hatte keine Leute, es wieder einzutreiben. In Cowboytracht jagte seine Tochter über die Prärie, und es gelang ihr tatsächlich, versprengte Rinder, die den Rustlern nicht gefolgt waren, wieder zurückzutreiben.
Aber der Verlust war doch spürbar. Verzweifelt stand der Schotte auf dem Hof und starrte in die Weite der Savanne.
Weshalb war er so vom Unglück verfolgt?
»Nichts, gar nichts ist mir gelungen!« knurrte er vor sich hin.
Daß es ihm gelungen war, die schöne Frau zu erringen, um die sich der Nachbar vergebens bemüht hatte, das hatte der Schotte längst vergessen.
Da schlug das Schicksal bei den Elliots zu.
So furchtbar, daß selbst die Barrings den Atem anhielten.
Es war an einem glutheißen Julinachmittag in Dillon. Die fünf Elliot- Brothers waren in der Stadt. Sie hatten vier Pferde mit, und Martin, der jüngste, erst sechzehnjährige, lenkte den großen Wagen, auf den der Strohschneider geladen werden sollte, der an der Station abzuholen war.
Die Maschine war so leicht zu handhaben, daß nur ein Mann das Stroh in die Bahn zu schieben brauchte und ein zweiter das Rad betätigen mußte. Früher waren zum Strohschneiden wenigstens vier Mann nötig gewesen. Der Rancher hatte die Maschine im vergangenen Frühjahr auf seinem Ritt nach Kansas auf einer Ranch gesehen und sich gleich eine bestellt.
An diesem Julitag waren die fünf Elliot-Brüder aufgebrochen, um die Maschine mit vereinten Kräften von der Eisenbahnrampe auf den Wagen zu bringen.
Sie brauchten nie fremde Hilfskräfte, da sie ja Hände genug hatten, die Elliots.
Es war eine schwere Arbeit, aber die fünf kräftigen jungen Männer schafften sie in einer Stunde.
Die neue Strohschneidemaschine stand auf dem Wagen, wurde mit Stricken befestigt, so daß sie auf dem Weg von neun Meilen bis zur Ranch nicht verwackeln konnte, und Martin stieg wieder auf den Kutschbock.
Jonny, der älteste, ritt voran. Roger, der zweitälteste ritt ein Stück hinter ihm.
Dann kam der Wagen. Ted und Willie bildeten den Schluß.
Sie hatten die Mitte der Mainstreet erreicht, als Roger vor dem Montana Saloon sieben Pferde stehen sah.
»He, Jonny, die Hacatts sind da!« rief er dem Bruder zu.