Mein Leben als Schneekönig. Reinhard Lutz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Reinhard Lutz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9783905896428
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lachte und empfand seine Vorsichtsmassnahme als vollkommen übertrieben, doch wollte ich nicht unhöflich sein, so unterliess ich jeglichen weiteren Spott bezüglich dieser unwürdigen Metallkiste auf vier Rädern. Ich setzte mich auf den Beifahrersitz, holte eine Zigarette aus meiner Jackentasche und tastete nach meinem Feuerzeug. Als ich nicht fündig wurde, griff ich nach dem Feueranzünder, der im Auto eingebaut war, dieser liess sich jedoch nicht herausziehen, ohne es noch mit brachialer Gewalt zu versuchen, steckte ich die ungebrauchte Zigarette zurück. Pauli erzählte mir währenddessen das Neuste aus seinem Leben und gerade als wir kurz vor seinem Anwesen ankamen, fuhren wir direkt in eine Strassensperre der Polizei. Ein Beamter trat auf uns zu.

      «Bitte öffnen Sie ganz vorsichtig die Tür», wies uns der Polizist an.

      «Ganz vorsichtig, dann steigen Sie aus», ergänzte er.

      Pauli blickte mich an. Sein Blick verriet mir, dass er die Situation ebenso wenig wie ich deuten konnte.

      «Was wollen die Pauli?», frage ich leise, doch Pauli zuckte lediglich mit den Schultern.

      Unterdessen näherten sich uns von der Seite weitere Beamte in Schutzanzügen.

      «Wir haben eine Meldung erhalten, dass sich in diesem Golf eventuell eine Bombe befindet.»

      Pauli und ich wurden schneeweiss.

      Gerade noch hatte ich Pauli wegen seiner übervorsichtigen Vorkehrungen veräppelt und nun schien selbst dies nicht genug gewesen zu sein, denn wir sassen auf einer Autobombe, und nur dem Glück war es zu verdanken, dass wir nicht das Zeitliche gesegnet hatten. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass tatsächlich eine Autobombe eingebaut war, ja sogar, dass das Ding hochgegangen wäre, hätte ich den Feueranzünder herausgezogen. Wer immer das Ding montiert hatte, schien Paulis Rauchgewohnheit zu kennen. Im Nachhinein, als wir uns von dem Schock wieder erholt hatten, scherzte ich: «Pauli, das Auto wechseln bringt nichts. Stell dir nur vor wir wären heute draufgegangen. Das wäre ja das Eine, aber in einem VW Golf draufzugehen, statt in einem Mercedes, das wäre dann echt das Letzte gewesen.»

      Zurück zum Rehtobel, wo ich mich auf meiner Flucht immer noch im Zimmer oberhalb der Diskothek versteckt hielt. Dort kam nach einigen Tagen ein weiterer untergetauchter Typ namens Max dazu. Ein seltsamer Vogel, der wegen einer Kleinigkeit untertauchen musste. Ich befreundete mich etwas mit ihm, so hatte ich zumindest jemanden zum Reden, und so konnte ich die Langeweile in der Zeit ’auf der Matratze’ leichter ertragen.

       Mein Freund von der Mafia

      Mein damals bester Freund Renzo kam mich im Rehtobel besuchen. Renzo war der Bruder von Roberto, mit dem ich ebenfalls befreundet war, im Gegensatz zu seinem Bruder, entpuppte sich dieser leider bald als Verräter, aber dazu kommen wir später. Als Renzo bei mir war, unterhielten wir uns zuerst über meine missliche Lage, dann übers Geschäft. Endlich begannen wir etwas herumzualbern, was uns jedoch schnell langweilig wurde.

      «Also Reini, ich kenne dich normal als besseren Gastgeber. Ist ja voll öde hier. Kannst du nicht für etwas Stimmung sorgen?»

      Renzo neckte mich, irgendwie fand ich dummerweise, dass er recht hatte und so bestellte ich über eine Escort Firma ein paar Mädels, damit etwas Leben in die Bude kam.

      Gelockert durch die Stimmung wurde ich unvorsichtig, so bestellte ich die Frauen ganz cool unter meinem richtigen Namen. Ich konnte ja nicht wissen, dass der Escort Service, bei dem ich erstmals Girls bestellte, ebenfalls abgehört wurde. So geriet ich in den Fokus der Polizei, die nicht nur ein Signal von mir mitbekam, sondern auch gleich meinen Aufenthaltsort auf dem Silbertablett serviert erhielt. Die Polizei griff jedoch nicht direkt zu, entweder wollten sie mich zuerst beobachten, oder die Information gelangte nicht direkt durchs Abhören an sie, sondern durch einen Informanten am nächsten Tag. Wie auch immer. Jedenfalls verbrachten wir die Nacht mit den Escort Ladies. Am nächsten Morgen verabschiedete sich Renzo. Ich fuhr mit dem Hotelbesitzer und Max nach St. Gallen, wo ich mir dringendst neue Kontaktlinsen besorgen musste. Dort angelangt, bekam der Besitzer der Diskothek einen Anruf seiner Serviertochter, dass ein Überfallkommando der St. Galler und Appenzeller Polizei gerade das ganze Gebäude umstellt hätte. Während des Anrufs, hörte man im Hintergrund, wie die Tür eingerammt wurde, und das plötzliche Verstummen der Serviertochter am anderen Ende der Leitung lies vermuten, dass gerade einige Maschinenpistolen auf sie gerichtet wurden. Somit war klar, das Versteck war aufgeflogen und ein Zurück würde es nicht mehr geben. Ich dachte über ein neues Versteck nach und da kam mir ein alter Bekannter in den Sinn: Luciano de Maria.

      Luciano hatte ich einige Jahre zuvor kennengelernt. Er war ein Mafioso wie man ihn aus den Filmen kennt, ein Gangster ganz nach alter Schule. Wir haben einige Geschäfte zusammen abgewickelt, doch ein Erlebnis blieb mir immer besonders im Gedächtnis haften. Es war kurz nachdem sich der grosse Brinks Goldraub am Flughafen in London ereignete. Es ging dabei um dreieinhalb Tonnen Gold, 6800 Goldbarren, die in London Heathrow gestohlen wurden. Obwohl einige der Komplizen verhaftet werden konnten, ist der Verbleib des Goldes bis heute ungeklärt. Kurz danach rief mich Luciano an, um sich mit mir zu treffen. Er berichtete mir, dass wir nach Genf zu einem Haus fahren müssten, da sich das gestohlene Gold dort befinde. Luciano sei beauftragt worden, einen Käufer für den «Schatz» zu organisieren. Wir fuhren sogleich nach Genf, zu einer riesigen Villa, die von einigen bewaffneten Gestalten bewacht wurde. Der Anblick des ganzen Goldes, war einfach überwältigend. 6800 Barren! Wer hat je eine so grosse Menge live gesehen? Vielleicht in Zeitschriften oder in Fernsehdokus, doch es real zu sehen, ist um ein Vielfaches beeindruckender. Unbeschreiblich. Luciano hatte bereits unterwegs telefonisch einen Käufer organisiert und so kam bereits kurz nach unserer Ankunft ein Einkäufer der SBG, also der heutigen UBS Bank zu uns in die Villa, um das Gold zu begutachten. Der Name des Bankmitarbeiters war Dr. König, das weiss ich noch genau. Am Ende bekam ich noch mit, dass Dr. König das Gold im Namen der Bank gekauft hatte und es darauf in einer Schmelzerei im Tessin schmelzen liess. So wurde aus gestohlenem Gold wieder reines, unbeflecktes Schweizer Gold. Luciano war wirklich ein anderes Kaliber eines Kriminellen. Er war ein Typ Mensch, der über jegliche Kontakte verfügte, dem man aber auch gleich auf den ersten Blick ansah, was er auf dem Kerbholz hatte.

      Auf der Flucht kam mir endlich der Gedanke, nachdem das Rehtobel-Versteck aufgeflogen war, dass es für mich nur eine Unterkunft gab und zwar eine mir bekannte, konspirative Wohnung von Luciano. Max begleitete mich dorthin, denn für ihn war die Rückkehr in unser Versteck ja auch nicht mehr möglich.

      Leider war Luciano weder telefonisch zu erreichen, noch war er vor Ort anzutreffen. Ich hatte keine andere Wahl, als durch das Küchenfenster einzubrechen, im Wissen, dass mir Luciano nicht böse sein würde. Als ich mit Max durch das Fenster eingestiegen war, lief ich im Dunkeln durch die Küche in Richtung Wohnzimmer, wo seltsamerweise eine Lampe leuchtete. Auf dem Sofa erblickten wir zwei Aktenkoffer, einer davon geöffnet. Aus dem Koffer ragten unzählige Dollar Blüten hervor, grob geschätzt sechs Millionen Dollar. Gerade als mir bewusst wurde, mit Max wohl nicht allein hier zu sein, betraten zwei Gestalten im Nadelstreifenanzug das Wohnzimmer und noch bevor ich ein Wort sagen konnte, hatte ich zwei Pistolenläufe mit Schalldämpfer an meiner Brust.

      «Was machen Sie hier und wer seid ihr?», fragte mich einer der Mafiosi in knurrendem, fast zähnefletschendem Ton.

      Max machte sich beinahe in die Hose. Er bereute gerade eindeutig, mir auf der Flucht gefolgt zu sein, er sah sicher soeben sein letztes Stündchen schlagen. Max begann plötzlich zu jammern und erinnerte dabei an einen kleinen Jungen, der um Verzeihung fleht. Ich blieb ruhig, denn ich wusste, bei der Nennung des Codeworts «Luciano» würde alles gut werden. Und genauso kam es auch. Die Waffen senkten sich und einer der beiden Mafiosi rief Luciano an, der nach wenigen Minuten in der Wohnung eintraf und die Situation klärte. Die beiden Mafiosi wurden in ein anderes Versteck geordert. Danach erklärte ich Luciano meine prekäre Lage. Zudem bat ich ihn darum, mir einen Pass zu organisieren, der natürlich auf einen anderen Namen lauten musste. Luciano stimmte zu, bat mich um ein Passfoto, was ich natürlich in der ganzen Hetze nicht bedacht hatte. Also ging ich im Mantel und mit Sonnenbrille – etwas auffällig, beinahe wie die Zivilfahnder, die ich zuvor in diesem Buch noch hochgenommen habe – zum Bahnhof,