b) Auskunftsanspruch
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Die Darlegungs- und Beweislast für den Gehaltserhöhungsanspruch obliegt zwar grundsätzlich dem von der Gehaltserhöhung ausgeschlossenen AT-Angestellten. Da ihm die von dem Arbeitgeber angewandten Verfahrensregeln in der Regel nicht bekannt sein werden, steht ihm gegenüber seinem Arbeitgeber ein Auskunftsanspruch über die für die Gehaltserhöhung verwendeten Regelungen zu.57 Nach der st. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts besteht die Nebenpflicht zur Auskunftserteilung (§ 242 BGB), wenn die Auskunft zur Geltendmachung eines Leistungsanspruchs erforderlich ist, für den Vertragspartner keine übermäßige Belastung bedeutet und die gesetzliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Prozess gewahrt bleibt.58
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Der Auskunftsanspruch bezieht sich inhaltlich darauf, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die Gehälter anderer, vergleichbarer AT-Arbeitnehmer erhöht worden sind und die von dem Arbeitgeber dabei angewandten Verfahrensregelungen. Dabei sind die Arbeitnehmerdaten vom Arbeitgeber anonymisiert darzustellen.
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Von entscheidender Bedeutung ist, dass der Auskunftsanspruch des AT-Angestellten nicht nur bei linearen Gehaltserhöhungen, sondern auch bei nach leistungsbezogenen Kriterien erfolgten Gehaltserhöhungen besteht.59 Eine vom Arbeitgeber behauptete leistungsbezogene Gehaltserhöhung kann den Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers daher nicht präkludieren. Dieser kann gegebenenfalls im Wege der Stufenklage mit einem Leistungsantrag verbunden werden.
7. Gehaltsanpassungsanspruch aufgrund betrieblicher Übung
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Wenn der Arbeitgeber über Jahre die Gehälter seiner AT-Angestellten regelmäßig in Anlehnung an die Tarifentwicklung erhöht, stellt sich die Frage, ob dies einen Anspruch auf zukünftige Erhöhungen entsprechend der Tarifentwicklung begründen kann. Ein solcher Gehaltsanpassungsanspruch scheidet bei tarifgebundenen Arbeitgebern von vornherein aus, denn hier vollzieht der Arbeitgeber lediglich seine Verpflichtungen auf Umsetzung der Tarifregelungen – hier Wahrung des Mindestabstandsgebots –, und will keine weitergehende Bindungen eingehen.60
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Aber auch bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern entsteht aus regelmäßigen Erhöhungen in Anlehnung an die Tarifentwicklung grundsätzlich kein Anspruch aus betrieblicher Übung auf eine entsprechende Erhöhung auch in den Folgejahren.61 Eine betriebliche Übung liegt nur bei regelmäßiger Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen, die bei den Betriebsangehörigen den Eindruck einer Gesetzmäßigkeit oder eines Brauchs, jedenfalls aber eines Verpflichtungswillens des Arbeitgebers erwecken, vor. Aus einem solchen als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel gem. § 151 BGB stillschweigend angenommen wird, erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen.62 Die betriebliche Übung ist ein Unterfall des konkludenten Vertragsangebots und weist einen Kollektivbezug auf.63 Fehlt ein Kollektivbezug kann auch ein individuelles konkludentes Vertragsangebot vorliegen.64
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Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs aus betrieblicher Übung ist nach dem Bundesarbeitsgericht nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen musste und durfte (§§ 133, 157 BGB).65 Es ist im Wege der Auslegung des arbeitgeberseitigen Verhaltens zu ermitteln, ob der Arbeitnehmer davon ausgehen muss, die Leistung werde nur unter bestimmten Voraussetzungen oder nur für eine bestimmte Zeit gewährt.66
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Ein tarifungebundener Arbeitgeber will sich grundsätzlich nicht der Regelungsmacht der Verbände unterwerfen. Er will Löhne und Gehälter nicht stets entsprechend der Tarifentwicklung erhöhen, sondern sich seine Entscheidungsfreiheit für die künftige Gehaltsentwicklung erhalten. Genau dies drückt sich in seiner fehlenden Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband aus.67 Daher müsse es deutliche Anhaltspunkte im Verhalten eines tarifungebundenen Arbeitgebers dafür geben, er wolle auf Dauer die von den Tarifvertragsparteien ausgehandelten Tariflohnerhöhungen übernehmen.68
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Dabei betont das Bundesarbeitsgericht zutreffend, dass auch kein Widerspruch zur Rechtsprechung des Zehnten Senats besteht, der von einem arbeitgeberseitigen Verpflichtungswillen in der Regel bei der Gewährung von Zulagen oder Jahressonderzahlungen selbst bei unterschiedlichen Zahlungen und Zeitpunkten ausgeht, soweit nicht Umstände etwas anderes ergeben.69 Die nicht vorhersehbare Dynamik der Lohnentwicklung und die hierdurch entstehenden ggf. unüberschaubaren Personalkosten sprechen grundsätzlich gegen den bindenden Willen des Arbeitgebers für eine dauerhafte Entgeltanhebung entsprechend der Tarifentwicklung. Auch in den Fällen der Zulagen oder Jahressonderzahlungen entstünden zwar weitere Kosten; diese seien aber statisch und damit vorhersehbar und nicht unüberschaubar dynamisch ausgestaltet.70
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Dieses Ergebnis gilt selbst dann, wenn sich der Arbeitgeber zu jährlichen Gehaltsüberprüfungen verpflichtet hat,71 sei es aufgrund einer Betriebsvereinbarung oder eines Einzelarbeitsvertrages. Zwar kann nach dem objektiven Empfängerhorizont in dieser Formulierung kein Vorbehalt nach Grund und Höhe der Gehaltserhöhung gesehen werden.72 Hierauf kommt es aber nicht an, da der Anspruch regelmäßig an den weiteren Voraussetzungen scheitert.
1 BAG 18.9.1973, 1 ABR 7/73, NJW 1974, 334 = AP zu § 80 BetrVG 1972 Nr. 8; BAG 28.5.1974, 1 ABR 22/73, AP zu § 80 BetrVG 1972 Nr. 6; BAG 21.8.1990, 1 ABR 72/89, NZA 1991, 434; Schaub-Vogelsang, § 13 Rn. 13; ErfK-Preis, § 611 Rn. 108. 2 So zutreffend bereits Hunold, DB 1981 Beilage Nr. 26, S. 4. 3 Hunold, NZA-RR 2010, 505. 4 Seltener findet sich heute das Abgrenzungsmerkmal eines „andersartigen“ Aufgabengebiets in Tarifverträgen, hierzu von Friesen, DB 1980, Beilage Nr. 1, S. 3 f. 5 Blanke-Blanke, Außertarifliche Angestellte, Rn. 36; einen Überblick über in der Praxis vorkommende Regelungen bietet Breisig, AT-Angestellte, S. 16 ff. 6 BAG 30.4.1981, 6 ABR 77/78, AP zu § 80 BetrVG 1972 Nr. 13. 7 Franke, Der außertarifliche Angestellte, S. 17, 25; Hunold, NZA 2010, 505; Schaub-Vogelsang, § 13 Rn. 13 führt zwar aus, dass es begrifflich denkbar sei, dass leitende Angestellte ausnahmsweise nicht zugleich außertarifliche Angestellte sind, weil sie eine tarifliche Vergütung erhalten. Dieser Fall ist aber in der Praxis selten. 8 Hunold, NZA-RR 2010,