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Im AT-Bereich sind sowohl Zielvereinbarungen wie auch Zielvorgaben weit verbreitet.87 Bei Zielvereinbarungen oder -vorgaben gelten rechtliche Grenzen, die ausführlich in Kapitel 24 dargestellt werden. Bei den AT-Anstellungsverträgen gelten diesbezüglich keine Besonderheiten.
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Zielvereinbarungen werden in der Praxis in der Regel vom Arbeitgeber vorformuliert und unterliegen, auch bei nur einmaliger Klauselverwendung, der Transparenzkontrolle, nicht aber der Billigkeits- oder Inhaltskontrolle.88 Das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) fordert, dass die Ziele und die Voraussetzungen der Zielerreichung zu definieren sind.89
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Bei arbeitgeberseitig gesetzten einseitigen Zielvorgaben, aber auch bei Zielvereinbarungen, soweit die Parteien die Zielbestimmung nach den vertraglichen Bestimmungen dem Arbeitgeber überlassen haben, ist eine Billigkeitskontrolle (§§ 106 GewO, 315 BGB) durchzuführen. Letzteres ist z.B. der Fall, wenn bestimmt ist, dass die Ermittlung der Zielerreichung durch Beschluss der Gesellschafterversammlung90 oder, wie in der Praxis häufig, einem vom Arbeitgeber gebildeten Komitee übertragen wurde. Hierbei muss der Arbeitgeber nach billigem Ermessen handeln und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigen und die wesentlichen Umstände des Falles abwiegen.91 Die Entscheidung der Billigkeit unterliegt der gerichtlichen Kontrolle.
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Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht und damit eine Billigkeitskontrolle scheidet allerdings aus, wenn die Parteien die einzelnen Voraussetzungen der Zahlung vertraglich vereinbart haben und die Vergütungshöhe somit durch Auslegung ermittelt werden kann (§§ 133 157 BGB).
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Wenn der Arbeitgeber den Bonus nicht oder nicht in voller Höhe zahlt, kann der Arbeitnehmer Leistungsklage vor dem Arbeitsgericht erheben. Da dem Arbeitnehmer in der Regel entscheidungserhebliche Tatsachen nicht bekannt sind, kann er einen Auskunftsanspruch (§ 242 BGB) gegen seinen Arbeitgeber gegebenenfalls im Wege der Stufenklage mit einem Leistungsantrag geltend machen. Der Arbeitgeber hat hier die für seine Ermittlung zu Grunde gelegten Kriterien offenzulegen.
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Den Arbeitgeber trifft auch die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit seiner getroffenen Entscheidung.92 Entspricht die Leistungsbestimmung nicht billigem Ermessen oder wird sie durch den Arbeitgeber nicht bestimmt, wird diese gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch das Gericht getroffen.
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Geht es um eine Zielvereinbarung und soll die Zielerreichung einvernehmlich festgestellt werden, so trifft den Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er die vereinbarten Ziele erreicht hat.93 Einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast, nach der eine überdurchschnittlicher Leistung vom Arbeitnehmer und eine unterdurchschnittliche Leistung vom Arbeitgeber zu beweisen ist, wird abgelehnt.94
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Fehlt eine Zielvereinbarung oder Zielvorgabe führt dies nicht stets zum Wegfall eines Bonusanspruchs des Arbeitnehmers. Vielmehr kann der Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen bei Fehlen einer Zielvereinbarung zum Schadensersatz (§§ 280 Abs. 1 und 3, 283 BGB) verpflichtet sein.95 Dieser setzt aber voraus, dass dem Arbeitgeber eine Initiativpflicht zur Führung eines Gesprächs mit dem Arbeitnehmer über eine Zielvereinbarung oblag oder er der Aufforderung des Arbeitnehmers nicht nachgekommen ist, mit ihm eine Zielvereinbarung zu schließen.96 Bleibt ein objektiver Zweifel hinsichtlich des Bestehens der Initiativpflicht, ist zulasten des Arbeitgebers von einer einseitigen Initiativpflicht auszugehen (§ 305 Abs. 2 BGB).
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Ein Schadensersatzanspruch kann nur dann begründet sein, wenn der Arbeitgeber das Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung zu vertreten hat. Ein Mitverschulden des Arbeitnehmers ist angemessen zu berücksichtigen, schließt den Schadensersatzanspruch hingegen nicht aus. Die Schadenshöhe richtet sich grundsätzlich nach dem für den Fall der Zielerreichung zugesagten Bonus. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer die vereinbarten Ziele erreicht hätte, wenn nicht besondere Umstände diese Annahme ausschließen. Solche besonderen Umstände hat der Arbeitgeber darzulegen und ggf. zu beweisen.97 Es ist daher grundsätzlich bedeutungslos, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Arbeitnehmer in vorhergehenden Zielperioden die vereinbarten Ziele erreicht hat.98
c) Vorzeitiges Ausscheiden, Stichtagsregeln/Rückzahlung
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Für den Fall eines unterjährigen Ausscheidens kann nach einhelliger Meinung eine proportionale Kürzung eines Bonus oder sonstiger variabler Vergütung vorgesehen werden.99
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Ein Streitpunkt ist, ob die Vertragsparteien für den Fall des unterjährigen Austritts auch einen vollständigen Ausschluss vorsehen können. Die Wirksamkeit von Klauseln, die als Bedingung für den Bonusanspruch vorsehen, dass der Arbeitnehmer an einem bestimmten Zeitpunkt noch oder gar noch in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis (sog. Stichtagsklauseln) steht, ist zweifelhaft. Das Bundesarbeitsgericht geht von der Unwirksamkeit von Stichtagsklauseln außerhalb des Bezugszeitraums aus.100 Hingegen ist über Klauseln, die den Fortbestand bzw. den ungekündigten Bestand eines Arbeitsverhältnisses im oder am Ende des Bezugszeitraums vorsehen, noch nicht abschließend entschieden. Zum Teil werden solche Klauseln im Schrifttum und von Instanzgerichten für zulässig erachtet.101 Das Bundesarbeitsgericht differenzierte und ging davon aus, dass eine Stichtagsklausel, die auf den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses am Ende des Geschäftsjahres abstellt, zwar eine unangemessene Benachteiligung darstellt, hat es aber für zulässig erachtet, wenn der Anspruch auf Bonuszahlung bei jährlicher Zielvereinbarung ein bestehendes Arbeitsverhältnis am Ende des Geschäftsjahres voraussetzt.102
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Von der wohl überwiegenden Meinung im Schrifttum wird dies eher abgelehnt.103 Leistungsbezogene Boni hängen von der im Bonusjahr tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung ab und stehen daher im synallagmatischen Verhältnis zur Arbeitsleistung. Ein Ausschluss wäre als unangemessene Beschränkung des Kündigungsrechts unwirksam (§ 622 Abs. 4 BGB). Ob ein Ausschluss für rein unternehmensbezogene Boni bei unterjährigem Ausscheiden zulässig ist, wird ebenfalls unterschiedlich beantwortet.104 Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu allerdings jüngst klargestellt, dass eine Sonderzahlung auch dann im Synallagma steht, wenn sie nur vom Betriebsergebnis abhängt.105 Damit wird man auch diesen Bonus nach den für leistungsbezogene Bonuszahlungen anwendbaren Grundsätzen behandeln müssen.
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Nichts anderes dürfte dann für Rückzahlungsklauseln bei Bonuszahlungen oder sonstigen variablen Vergütungsbestandteilen gelten, die als Gegenleistung für erbrachte Dienste gezahlt werden.106
d) Wartezeit/Probezeit
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Übereinstimmung besteht dahingehend, dass ein Bonusanspruch an eine Wartezeit, insbesondere eine erfolgreich bestandene