63
Anders ist die Rechtslage bei sogenannten „Welcome-Boni“ oder „Sign-on-Boni“ zu beurteilen. Solche Einmalzahlungen werden in der Praxis vermehrt in hervorgehobenen Positionen als Anreiz zum Vertragsabschluss und/oder zugleich zum Ausgleich entgehender Zahlungen beim vorangegangenen Arbeitgeber gewährt. In der Regel werden solche Sonderzahlungen mit einer Rückzahlungsverpflichtung oder Stichtagsklausel versehen. Da diese Sonderzahlungen nicht als Gegenleistung für die Arbeitsleistung gezahlt werden, dürften Rückzahlungsverpflichtungen oder Stichtagsklauseln hier wirksam sein.108
4. Sondervergütungen
64
Sondervergütungen109 sind alle Leistungen, die nicht regelmäßig mit dem Arbeitsentgelt ausgezahlt werden, sondern aus bestimmten Anlässen oder zu bestimmten Terminen gewährt werden und in der Regel nicht von Leistungs- und Erfolgskriterien abhängen.110 Hierzu gehören u.a. Gratifikationen, „13. Monatsgehalt“, Jahresabschlussvergütungen, Weihnachtsgeld und Jubiläumsgelder,111 Urlaubsgeld wie auch Welcome oder Sign-on Boni.
65
Im Bereich der Sondervergütungen sind gerade im AT-Bereich Entgeltflexibilisierungsinstrumente von Relevanz. Zu den Grundsätzen von Änderungsvorbehalten (Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt) sowie von Befristungen bei Sonderzuwendungen und seinen rechtlichen Grenzen wird auf das Kapitel 20 verwiesen.
66
Bei sämtlichen Entgeltflexibilisierungsinstrumenten ist noch nicht abschließend geklärt, ob der in ständiger Rechtsprechung vertretene Kernbereichsschutz mit den vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Prozentgrenzen uneingeschränkt auch auf außertarifliche Anstellungsverhältnisse Anwendung finden kann. Hiernach ist ein Widerrufsvorbehalt nicht nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam, wenn der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende widerrufliche Teil des Gesamtverdienstes unter 25 % liegt und der Tariflohn nicht unterschritten wird. Sind darüber hinaus Zahlungen widerruflich, die keine unmittelbare Gegenleistung im Arbeitsverhältnis darstellen, sondern Ersatz für Aufwendungen sind, die an sich der Arbeitnehmer selbst tragen müsste, erhöht sich der widerrufliche Teil der Arbeitsvergütung auf bis zu 30 %.112
67
Auf Besserverdiener dürften die für Durchschnittsverdiener entwickelten Prozentgrenzen nicht ohne weiteres übertragbar sein. Nach der überwiegenden Auffassung im Schrifttum ist dem Besserverdiener ein größeres Maß an Entgeltflexibilität im Rahmen der Angemessenheitsprüfung (§ 307 BGB) zuzumuten.113 Das Bundesarbeitsgericht wies im Zusammenhang mit der Klauselkontrolle bei Widerrufsvorbehalten darauf hin, dass sich die gebotene Interessenabwägung in Anlehnung an § 307 BGB insbesondere nach der Art und Höhe der Leistung, die widerrufen werden soll, nach der Höhe des verbleibenden Verdienstes und der Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen richtet.114 Bislang hat das Bundesarbeitsgericht aber nur für leitende Angestellte angenommen, dass sich ein Arbeitgeber weitergehende einseitige Bestimmungsrechte vorbehalten kann als gegenüber Mitarbeitern in weniger herausgehobener Stellung. Bei einem Chefarzt ging das Bundesarbeitsgericht von der Zulässigkeit einer einseitigen Kürzung von 40 % eines Gesamteinkommens aus, da dieser nach der Kürzung noch ein Vielfaches des höchsten Tarifgehalts beanspruchen konnte.115
68
Es überzeugt nicht, die 25 % Grenze stereotyp auf alle Mitarbeiter – außer den Leitenden – anzuwenden. Dies berücksichtigt nicht ausreichend die doch sehr unterschiedlichen Höhen eines verbleibenden Verdienstes und AT-Angestellte in hervorgehobene Stellungen im Unternehmen. Eine darüberhinausgehende Entgeltflexibilisierung muss für besserverdienende AT-Angestellte in hervorgehobenen Positionen zulässig sein. Es bleibt die Frage offen, wer als Besserverdiener angesehen werden kann und welche generellen betragsmäßigen Höchstgrenzen auf Besserverdiener Anwendung finden. Hier könnte u.U. auf die vom Bundesarbeitsgericht für Mehrarbeitsvergütung herangezogene Definition des Mitarbeiters, dessen Vergütung die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung übersteigt, herangezogen werden. Eine weitergehende Entgeltflexibilisierung bei den Besserverdienern könnte bis zu einer Höchstgrenze bis zu 33 % (1/3 des Gehalts) angemessen erscheinen.
5. Sozialleistungen – „Cafeteria“-Konzepte
69
Häufig erhalten AT-Angestellte auch Sozialleistungen sowie Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung als Teil ihres Vergütungspakets. Die Sozialleistungen werden immer häufiger in ein sogenanntes „Cafeteria“-Konzept eingebunden, nach dem der außertarifliche Mitarbeiter – wie in einer Cafeteria – aus mehreren Vergütungsbestandteilen auswählen kann. Es wird dem AT-Mitarbeiter ein monatlicher Betrag zur Verfügung gestellt, für den er sich aus einem Leistungsangebot die für ihn individuell passenden Leistungen auswählt. In der Regel geht es hier um zusätzliche betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung (deferred compensation), Firmenwagen zur dienstlichen und privaten Nutzung, Barauszahlung etc.116
6. Entgeltumwandlung
70
Mitarbeiter können bis zu vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung von ihrer Vergütung in die Altersvorsorge einbringen. Bis zu diesem Betrag bleibt eine Entgeltumwandlung (deferred compensation) steuer- und sozialabgabenfrei (vgl. § 3 Nr. 63 Satz 1 EStG). Wegen der Umwandlung von Lohn in zukünftige betriebliche Altersversorgungsansprüche entfällt auch der Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung. Hinzu kommt für den Arbeitnehmer ein weiterer Steuerfreibetrag von Euro 1.800 (vgl. § 3 Nr. 63 Satz 3 EStG), der aber sozialversicherungspflichtig ist. Oftmals werden diese Regelungen ergänzt mit arbeitgeberfinanzierten Beiträgen. Zur steuerlichen Privilegierung muss sich um künftige Entgeltansprüche handeln. Sie müssen aus Einmalzahlungen vorgenommen werden, regelmäßige monatliche Entgeltbestandteile dürfen nicht umgewandelt werden. Insbesondere lassen sich daher Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld, Boni, Gratifikationen oder Guthaben auf Arbeitszeitkonten für Gehaltsumwandlungen in die betriebliche Altersvorsorge nutzen.
7. Dienstreisen
71
Angeordnete Dienstreisen sind grundsätzlich als Arbeitszeit zusätzlich zu vergüten. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Dienstreisen zur geschuldeten Hauptleistung gehören oder die mit ihr verbundene Mehrleistung nach den Umständen von der Vergütung abgedeckt.117 Will ein Arbeitgeber Reisezeiten pauschaliert abgelten, ist auch hier eine angemessene und transparente Vertragsgestaltung erforderlich.118 Eine solche ist bereits unwirksam, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag nicht, welche Reisetätigkeit in welchem Umfang von der Vergütung erfasst werden soll.119
8. Mehrvergütung für Überstunden/Mehrarbeit
a) Objektive Vergütungserwartung
72
Bedeutsam ist bei außertariflichen Angestellten die Frage der Mehrvergütung für Überstunden/Mehrarbeit.120 Es gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass Mehrarbeitszeit stets zu vergüten ist.121 Eine Vergütung gilt nur dann als stillschweigend vereinbart, wenn die Umstände der Arbeitsleistung im Einzelfall nur gegen zusätzliche Vergütung zu erwarten war (§ 612 Abs. 1 BGB). Die Vergütungserwartung ist anhand eines objektiven Maßstabs