Es wird vielleicht Bedenken erregen, wenn wir an den Mithraskult hier den von Persien her in das Römische Reich eingedrungenen Manichäismus kurz anreihen, da er nicht zu den Mysterien gehört. Allein als christliche Sekte ist er einmal nicht zu betrachten, vielmehr als eine besondere erlösende, überwiegend heidnische Religion. Ob er unter römischen Händen auch eine mehr römisch-heidnische Gestalt angenommen als er im Sassanidenreich besitzen konnte, bleibt dahingestellt, ebenso ein späteres Eindringen in die christliche Kirche. Er durchkreuzt mit seinem Dualismus einstweilen ganz eigentlich den klassischen Glauben, indem er alles in lauter Symbole auflöst, durch welche die beiden grossen Grundprinzipien, Licht und Finsternis, Gott und Materie, sich äussern. Das höchste Hervorgebrachte, der Christus dieses Systemes (mit offenbarem Anschluss an Mithras), ist Weltseele, Sohn des ewigen Lichtes und Erlöser, aber kaum eine Person; seine historische Erscheinung wird in einem Scheinkörper gedacht. Die Erlösung ist denn auch kein einmaliger Akt, etwa ein Opfertod, sondern eine fortwährende; aus dem sittlich unfreien Zustand des Kampfes zwischen Geist und Materie (oder zwischen der guten und bösen Seele) hilft Christus dem einzelnen Menschen beständig empor zum Lichtreich. Wie weit da von einer streng persönlich gefassten Unsterblichkeit die Rede sein konnte, wird schwer zu entscheiden sein: der »Grundbrief« der Sekte redet allerdings von einem »ewigen und glorreichen Leben«, und dies war es vermutlich auch, was den römischen Proselyten am meisten einleuchtete. Das Weitere dieses merkwürdigen Systemes gehört nicht hieher. – Der Stifter Mani hatte selber noch Apostel ausgesandt und trotz aller Verfolgung die Anfänge einer Hierarchie in seiner Gemeinde hinterlassen. Kaum zehn oder zwanzig Jahre nach seinem Martertode (272 bis 275) war seine Lehre schon weit im Römischen Reiche verbreitet. Ein kaiserliches Reskript (287, eher 296) an den Prokonsul von Afrika, Julian,404 beweist dies für Africa proconsularis. Es müssen hier beträchtliche Unordnungen auf Veranlassung der neuen Sekte vorgekommen sein, auch wusste man, dass dieselbe nach Art mehrerer orientalischer Religionen sich gegen die römische nicht friedlich, sondern ausschliessend verhalte, und überdies war sie als eine persische doppelt verdächtig und verhasst. Diocletian war in der übelsten Stimmung; er befahl, die Anstifter samt ihren Büchern zu verbrennen und die übrigen Teilnehmer teils ebenfalls zu töten, teils (wenn es Leute vom Rang der Honorati oder sonst von einer Dignität seien) sie in die Bergwerke zu senden, unter Einziehung ihres Vermögens. Das Motiv ist wesentlich die Feindseligkeit der neuen Religion gegen die alte, welche letztere sich hier im heiligsten Rechte fühlt, als eine urzeitliche Stiftung der Götter und Menschen. – Von dieser auffallenden Erwähnung an verlieren wir den Manichäismus für mehrere Jahrzehnte aus den Augen. Bis zu Constantins Tode kann er keine bedeutende Rolle mehr gespielt haben, wenigstens wird er in dem grossen Ketzeredikt405 nicht mit Namen genannt. Erst im fünften Jahrhundert erhebt er sich für einige Zeit zum gefährlichsten Feinde der Kirche406.
Die obige Auseinandersetzung zeigt, dass die späten Heiden nicht mehr bloss um Fruchtbarkeit, Reichtum und Sieg zu den Göttern beteten; eine dunkle Sorge um das Jenseits hat sich ihrer bemächtigt und treibt sie zu den sonderbarsten Lehren und Weihen.
Aber auch das Diesseits erscheint jetzt in einem andern Lichte. Bei Anlass der Isismysterien wurde kurz darauf hingedeutet, wie man durch den mühsam zu erwerbenden Schutz einer grossen Gottheit nicht bloss dem Untergang der Seele, sondern auch dem trüben, von den Gestirnen abhängigen Erdenschicksal zu entgehen hoffte. Es wird nun zu zeigen sein, wie alles Überirdische in einem andern Verhältnis zum Erdenleben stand als früher, wie astrologische, magische und dämonische Beziehungen über die frühern Opfer, Orakel und Sühnungen das Übergewicht bekamen. Vorhanden waren sie immer gewesen407, und schon Homer hatte als Urbild aller Magie die Circe geschildert. Plato redet von herumziehenden Wundertätern, welche durch geheime Begehungen Segen und Fluch zuwegebringen wollten; anderwärts finden sich Zauberer, welche Witterung und Fruchtbarkeit, Sturm und Meeresstille in ihrer Gewalt haben. Thessalien ist und bleibt bis tief in die Kaiserzeit das klassische Land zumal des Liebeszaubers, durch Sprüche sowohl als Geheimmittel. Das alte Italien stand jedoch hierin neben Griechenland schwerlich zurück, da zum Beispiel die Götterbeschwörung, die dem Tullus Hostilius so übel bekam, selbst im altrömischen Kultus ihre Stelle hatte. Wie die Magie in eine Masse abergläubischer Hausmittel für Krankheiten und dergleichen ausmündete, zeigt das achtundzwanzigste und das dreissigste Buch des Plinius hinlänglich. Besonders namhaft war die Zauberei der Etrusker, Sabiner und Marser, also der meisten alten Bewohner Mittelitaliens. Abgesehen von magischen Heilungen aller Art trauten die Römer von jeher diesen Künsten die Verzauberung von Kornfeldern, das Wettermachen, die Erregung von Liebe und Hass, die Verwandlung in Tiere und vieles andere zu. Dieser Glaube reflektierte sich dann in den merkwürdigsten Spukgestalten, u. a. der blutaussaugenden Lamien und Empusen. Wohl dem, welcher sich reichlich mit rettendem Gegenzauber schützte! Man behing sich zu diesem Zweck mit Amuletten von oben bis unten; ja, es existierte ein ganzes grosses System magischer Verteidigung, aus welchem beiläufig noch einzelne Züge mitgeteilt werden sollen.
Wenn man die grosse Menge von einzelnen überlieferten Zügen dieses Zauberwesens überblickt, so möchte man glauben, dass die ganze alte Welt davon gänzlich bestrickt und im täglichen Leben unaufhörlich dadurch geängstigt gewesen sei. Und dennoch taten diese früher vereinzelt auf tretenden Superstitionen der alten Religion lange nicht so starken Abbruch, das heisst sie störten das naive Verhältnis des Menschen zur Gottheit lange nicht so sehr, als der spätere systematische Aberglaube, welcher namentlich seit der Kaiserzeit zu herrschen begann.
Zunächst ist hier von der Sterndeutung zu reden, welche als ein altes Vorrecht des Orientes galt, und deren Adepten auch in der Regel noch Chaldäer heissen, obwohl sie nur geringstenteils wirklich aus dem Lande am untern Euphrat stammen mochten. Wenigstens haben die bekanntern unter ihnen, der Thrasyllus des Tiberius, der Seleucus und Ptolemaeus des Otho, griechische Namen. Ausser der babylonischen Weisheit berief man sich übrigens auch auf die ägyptische, welche an die Namen Petosiris und Necepso geknüpft ist, die als Autoren der verbreitetsten astrologischen Schriften galten.
Abgesehen davon, dass die Sterndeuter sich mit der blossen Astrologie nicht immer begnügten, sondern noch zu andern schrecklichern Erforschungsweisen der Zukunft die Hand boten, lag schon in der Sterndeutung allein die stärkste Veranlassung zur Gottlosigkeit. Der konsequent astrologisch Gesinnte wird aller sittlichen Erwägung und aller Religion spotten, da sie ihm gegen das aus den Sternen erkannte Fatum weder Trost noch Hilfe gewähren können. Die Praxis dieser geheimen Wissenschaft ist es vorzugsweise, welche zum Beispiel die Kaiser des ersten Jahrhunderts mit dem grauenvollsten Fluche beladen hat. Unaufhörlich werden die Chaldäer verbannt, weil man aus ihrer Wissenschaft kein kaiserliches Vorrecht machen kann, weil alle Welt ihre Weissagung in Anspruch nimmt, und ebensooft werden sie zurückgerufen, weil man ihrer nicht mehr entraten will. Wer dann nach Rom zurückkehrte mit den Schwielen von den Fesseln, die er auf irgendeiner Insel des Ägäischen Meeres getragen, der war gewiss, dass man sich um ihn streiten würde408. Der Inhalt dieser Wissenschaft ist kurz der, dass für alle möglichen relativen Stellungen der Planeten zu den Zeichen