Bei dem Toten handelte es sich laut Reporter um Mohammad Ghani, einem Importeur mit Zweigniederlassungen in Boston und Portland. Die Polizei würde bestimmt keine genaueren Details preisgeben, aber eine anonyme Quelle wusste zu berichten, dass man Ghani wohl außerhalb seines Hauses niedergestochen und getötet hatte. Eine andere Quelle bestätigte die Anwesenheit von Bundesagenten am Tatort, aber die zuständige FBI-Dienststelle in Portland enthielt sich hierzu ebenfalls jedes Kommentars. Daniel entschied sich, das Thema zu wechseln.
»Hey, wirst du heute Abend mit den Ladys etwas trinken gehen? Ich könnte dich danach zum Dinner treffen.«
»Das wäre nett. Wir könnten uns dann Sushi aus dem Sakura holen. Es befindet sich nämlich direkt gegenüber von The Lounge auf der anderen Straßenseite«, lautete ihr Vorschlag, während sie sich ihm zuwandte.
»Ah, die Lounge, wo sich immer all die jungen Damen einfinden, um Cosmos zu schlürfen …«
»Und die Männer um sie herumstehen und sie anstarren«, beendete Jess den Satz.
»Ich kann es kaum abwarten, dich vor den Augen all der verzweifelten Jungs abzuschleppen. Können wir nicht so tun, als ob wir uns gar nicht kennen?«
»Ich kann dann aber keine Garantie für die Reaktion der übrigen Frauen aus meinem Büro aussprechen, daher halte ich es für keine gute Idee. Obwohl es sich lustig anhört«, meinte sie, und gab ihm einen Kuss.
»Die verlobten Mitglieder aus der Crew machen sich für gewöhnlich immer um zwanzig Uhr auf den Nachhauseweg. Danach kannst du mich jederzeit aufsuchen.«
»Ich kann es schon kaum noch abwarten«, flüsterte er und küsste sie leidenschaftlich.
Kapitel 5
07:14 Uhr, CIA-Hauptquartier McLean, Virginia
Randy Keller befand sich in einem Flügel innerhalb des CIA-Hauptquartiers, welcher dem National Clandestine Service vorbehalten war, und ging einen überfüllten Korridor entlang. Um sieben Uhr in der Früh präsentierte sich die Counterterrorism Center Section noch ganz ruhig, denn der Großteil der Analysten sowie des weiteren Personals waren Gefangene eines träge dahinfließenden Stromes aus Blech und konnten sich noch gut und gern dreißig bis sechzig Minuten Fahrtzeit von den ersten Ausläufern des sich weit verzweigenden McLean, Virginia-Areals der CIA entfernt befinden. Aber in etwa einer halben Stunde würde dieser Ort aus allen Nähten platzen, und er beabsichtigte, zu dieser Zeit schon wieder unterwegs auf der Straße zu sein. Er musste lediglich das nach Vorschrift geforderte »von Angesicht zu Angesicht« Check-in erledigen, dann wäre er frei und könnte wieder zu seinem Arbeitszimmer im FBI-Hauptquartier fahren, und in Gedanken stellte er sich bereits vor, dort die nächste Woche durchzuschlafen, bis man herausfand, was nun der Task-Force HYDRA tatsächlich widerfahren war.
Er erreichte nun das Ende des Korridors und hielt vor einer Tür mit der Aufschrift Karl Berg, Assistant Director, Counterterrorism an. Er klopfte an und wartete.
»Herein«, hörte er sofort jemanden rufen. Als er hineintrat, sah er sich erst einmal prüfend um, und war erstaunt, neben Karl Berg auch Audra Bauer hier vorzufinden, die Direktorin des Counterterrorism Centers. Sie saßen gerade um eine kleine, spärliche PC-Arbeitsstation herum, direkt neben Bergs eigenen Schreibtisch. Beide blickten sie zu ihm auf, als er zügig näher trat. Er hatte nicht damit gerechnet, seinen Bericht der Direktorin persönlich darlegen zu müssen.
»Schnapp dir einen Stuhl, Randy. Die Direktorin und ich sind gerade eben mit dem aktuellen Feed des FBI fertig geworden. Dieser Link ist wirklich fantastisch.«
»Danke. Sie können hier alle Informationen einsehen, welche das FBI ihren vor Ort ermittelnden Agenten und den entsprechenden Bereichsleitern zukommen lässt. Jeder Agent, der zu den Arbeiten hinzugezogen wird, erhält deshalb Zugriff auf diese Plattform. Dadurch werden alle stets auf dem Laufenden gehalten, und es wird außerdem sichergestellt, das jeder über denselben Wissensstand verfügt. Allerdings repräsentiert es nicht immer das Gesamtbild«, erklärte ihnen Keller.
»Und genau aus diesem Grund haben wir Sie hierher bestellt. Ich habe Ihre Zusammenfassung der frühmorgendlichen Ereignisse des heutigen Tages gelesen, und stimme mit Ihnen überein, dass das FBI kompromittiert worden ist. Bitte setzen Sie sich«, sagte Bauer.
Keller drehte einen Stuhl herum, sodass er ihnen ins Gesicht blicken konnte, und ließ sich nieder. Er betrachtete sich im Fenster und fragte sich, ob ihre Konstruktionsweise tatsächlich elektronischen Lauschangriffen standhalten würde. In den fünfzehn Jahren, die er nun schon bei der CIA war, hatte die Antwort auf diese Frage für Keller niemals Bedeutung gehabt, da er sich bisher nie hinter einem Schreibtisch in einem Raum mit Fenstern aufgehalten hatte. Sein Büro beim FBI kam dem, was man sich für gewöhnlich unter einem normal ausgestatteten Arbeitsplatz vorstellte, am nächsten … abseits des Raumes mit jenen begehrten Zimmern, in deren Wände Fenster eingelassen waren.
»Haben Sie irgendeine Idee, wo wir anfangen könnten?«, fragte Bauer nun.
»Ma'am, das ist nicht leicht zu beantworten. Im Gegensatz zu uns findet bei Ihnen keine Aufteilung der jeweiligen Missionen statt. Das hier ist eine Ihrer wichtigsten investigativen Arbeitsgruppen, aber Ihnen fehlen trotz allem spezifische Einheiten, die Sie zur Unterstützung heranziehen könnten. Das Kernteam ist permanent HYDRA zugeteilt, und setzt sich hauptsächlich aus Leuten zusammen, die sich mit der Terrorismusfinanzierung beschäftigen. Die übrigen, für Sie relevanten, täglichen Berichte wiederum stammen vom Personal anderer Sektionen. Diese mögen vielleicht zum Großteil für die Task-Force HYDRA arbeiten, aber sie unterstützen auch andere Gruppen innerhalb der gesamten Terrorismusabwehrdivision. Ich sehe wöchentlich neue Namen und Gesichter, mitunter sogar täglich. Es ist mir gelungen, eine Liste mit den Namen von allen Personen aufzustellen, die ich getroffen habe, aber ich kann Ihnen versichern, dass sie noch lange nicht vollständig ist. Dafür sind einfach zu viele Leute in diesen Fall involviert. Sie hätten mal sehen sollen, wie viel Personal man an diesem Morgen versammelt hat. Jede Menge frische und unbekannte Gesichter«, erklärte Keller und überreichte Berg einen USB-Stick.
»Gute Arbeit. Wir werden zunächst mit der Überprüfung der Finanzdaten anfangen, Kommunikationsspuren, den üblichen Größen nachgehen. Ich werde den Stick den Kollegen von der Gegenspionage bringen lassen.«
»Geben Sie es auch den Leuten von HUMINT. Sie müssen ebenfalls wissen, wonach sie Ausschau halten sollen. Sagen Sie ihnen, dass sie die Spuren mindestens ein Jahr zurückverfolgen sollen. Acht simultan ausgeübte Mordanschläge? Garantiert hat man das monatelang geplant, wenn nicht sogar jahrelang«, erwiderte Bauer.
»Keine Verlautbarung vonseiten Sharpes wegen eines möglicherweise vorhandenen Lecks?«, wollte Berg wissen.
»Nicht gegenüber der Gruppe oder zu mir.«
»Ist nicht wirklich eine Überraschung. Er vertraut Ihnen nicht vollends, und er möchte die Effizienz der Task-Force bei den Ermittlungen nicht wegen unbewiesener Spekulationen unterminieren. Mutmaßungen über einen Verräter beim FBI würden zwangsläufig dazu führen,« erklärte Bauer hastig und fügte hinzu: »Wir brauchen Sie noch. Sie sollten sich weiterhin auf das konzentrieren, worin Sie gut sind, während wir damit beginnen, uns in sämtliche Möglichkeiten hineinzuarbeiten.«
Sie nickten alle zur Bestätigung und die Direktorin erhob sich von ihrem Stuhl. Keller und Berg taten es ihr gleich.
»Okay. Ich werde zuallererst den Abgeordneten kontaktieren. Halten Sie mich auf dem Laufenden. Teilen Sie mir alle Neuigkeiten unverzüglich mit. Ich bin mir nicht sicher, was wir von unserem Mann beim FBI bekommen werden. Er ist zurück in D.C. und macht gerade dasselbe wie Sie. Randy, finden Sie einen Weg, wie wir an die beim Verhör