DIE KLAUE - Der Kannibale von New York. Robert W. Walker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert W. Walker
Издательство: Bookwire
Серия: Die Fälle der Jessica Coran
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958353800
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Coran so aus, als gehörten sie in die finstere Galerie eines Horrorwachsmuseums. Die Schädel waren eingeschlagen, wie weiche Melonen, die man mit einem Schlosserhammer, einer Axt oder einem Fleischerbeil getroffen hatte, je nach Laune des sadistischen Monsters, nahm sie an. Die Torsos boten einen noch schlimmeren Anblick zerstörten Fleisches, wo die Klaue ein unbekanntes Werkzeug eingesetzt hatte, um den Bereich aufzuschlitzen, den man normalerweise bei einer Autopsie öffnete. Der Inhalt des Brustkorbs und der Bauchgegend der Opfer war herausgenommen worden, um als Nahrung für Fliegen und Ratten zu dienen.

      Der Killer genoss es anscheinend, weibliches Fleisch zu zerfetzen.

      Diese Brutalität war nichts völlig Neues für Jessica oder die Polizisten im Raum. Brutale Verbrechen gegen Frauen nahmen zu, so sehr, dass drei von vier amerikanischen Frauen mindestens einmal in ihrem Leben Opfer eines gewalttätigen Verbrechens wurden. Für Jessica, die Matisaks letztes Ziel gewesen war, bevor er festgenommen und eingesperrt wurde, war diese Statistik des Justizministeriums mehr als eine bloße Zahl. Sie wusste, dass jedes Jahr etwa 2,5 Millionen gewalttätige Verbrechen an Frauen begangen wurden, von Übergriffen bis zu Vergewaltigungen. Es war eine niedrige Schätzung, denn die Statistiken beinhalteten nicht die drei bis vier Millionen Frauen, die bei Fällen von häuslicher Gewalt verletzt wurden.

      Aber es waren nicht nur die Statistiken, die Jessica Angst machten, es war die Beliebigkeit dieser Verbrechen, die Brutalität um der Brutalität willen. Sie konnte sich an eine Zeit erinnern, als es selten gewesen war, dass eine Frau, die sich nicht gegen eine Vergewaltigung gewehrt hatte, auch sonst verletzt worden war, aber heute wurde sie oft zusammengeschlagen, auch wenn sie sich nicht wehrte.

      Die Klaue hasste ganz sicher Frauen und seine Verbrechen waren Hassverbrechen. Die meisten Verbrechen konnten auf das Hexengebräu sozialer Missstände zurückgeführt werden: Straßengangs, die Verfügbarkeit von Waffen und Drogen, der Zusammenbruch der Familie und von Gemeinschaftswerten. Aber was hatten solche erklärbaren Verbrechen mit dem unerklärlichen Meister des Todes, der Klaue zu tun, der sich wie ein moderner Jack the Ripper Frauen suchte, um sie zu verstümmeln und seinen Kannibalismus an ihnen auszuleben? Sehr wenig, vermutete sie. Sie hatten es wahrscheinlich eher mit einem Kriminellen mit sehr hohem IQ zu tun und einer überdurchschnittlichen Bildung, einem männlichen Weißen, der weit besser gestellt war als jedes Gangmitglied; jemand der höchstens weiche Drogen nahm, wenn überhaupt; jemand, der wahrscheinlich seine Mutter hasste, ein Hass, der übergebrodelt war und ihn dazu gebracht hatte, jemanden als Ersatz für seine Mutter zu suchen und umzubringen, wieder und wieder. Hatte das etwas mit dem allgemeinen Zusammenbruch der familiären Werte zu tun? Nein, es hatte mit einer einzigen, heimtückischen und furchtbaren Perversion zu tun, die den Geist des Killers vergiftet und zu seinem Hass gegen Frauen geführt hatte.

      Weder sie noch die anderen Polizisten konnten den Fall der Klaue mit einem Anstieg der Straßenkriminalität oder der Gewalt gegen Frauen in Zusammenhang bringen, auch wenn das vielleicht eine verlockende Erklärung gewesen wäre. Nein, es war offensichtlich, dass sie es mit jemandem zu tun hatten, der durch und durch ein Misogyn war, ein Irrer, der genau eines von Grund auf hasste: Frauen. Dennoch war dieser Kannibale sicher schlau genug, seinen Hass am Tag, in einem hell erleuchteten Zimmer, zu verbergen. Er holte ihn im Dunkeln hervor, um einen Blick darauf zu werfen, ihn zu liebkosen und ungebremst auszuleben, wie ein Vampir, der nach Blut dürstet; nur hungerte dieser Bastard nach Blut und sein Hass wurde nur befriedigt, wenn er Frauen prügelte und zerfetzte und ihre Leichen entweihte. Das war der eigentliche Zweck der Verstümmelungen und des Kannibalismus, so glaubte sie: die Entwürdigung des Körpers und vielleicht der Heiligkeit der menschlichen weiblichen Gestalt.

      Während der Raum um sie herum zur Ruhe kam, dachte sie an ein Lied von den Geto Boys. Bevor es die Cop-Killer-Texte gab, sangen sie über den Mord an Frauen. Bei Jessica war die Botschaft angekommen und sie erinnerte sich, dass sie nach der Attacke durch Matisak nicht mehr allein hatte duschen können. Es war eine rein animalische Angst und ein wachsender Hass auf sich selbst, verursacht von der Person, die ihr das angetan hatte. Angst hatte verändert, wie sie jede Nacht ins Bett ging, wie sie am Morgen aufwachte; sie hatte alles verändert, was sie tat.

      Rychmans Stimme durchschnitt ihre Gedanken. »Man hat mir gesagt, ich solle hier sein, genau wie Ihnen, aber ich habe einen weiteren Befehl erhalten …«

      »Und?«, fragte OʼToole, ein grobschlächtiger Detective, mit dem Rychman schon zusammengearbeitet hatte.

      »Und ich soll Ihnen sagen, dass wir – Sie und ich – der Kern einer besonderen Taskforce sind …«

      »Sie leiten also die Taskforce?« OʼToole runzelte nachdenklich die Stirn.

      »So ist es vorgesehen, ja. Irgendein Problem damit?«

      OʼToole lachte nur, bevor er antwortete: »Besser Sie, als ich.«

      »Gute Wahl. Gratulation, Captain!«, sagten andere.

      »Ich bin mir nicht so sicher, ob eine Gratulation wirklich angebracht ist, Leute.« Sein Blick glitt durch den Raum.

      »Also, was ist Ihre erste Anweisung, Alan?«, fragte OʼToole.

      »Ich würde sagen, wir setzen jeden Detective ein, den wir auftreiben können.«

      »Was ist mit den regulären Fällen?«, fragte jemand.

      »Zur Hölle damit … die wandern erst mal auf die lange Bank. Einige Ihrer Fälle können Sie auch an die Abteilung für vermisste Personen weitergeben oder an die Verkehrsbehörde, ist mir egal.«

      Einer der anderen Detectives warf ein: »Leichter gesagt als getan. Haben wir dafür den Segen von ganz oben, Captain Rychman?«

      »Ja, die Anweisung kommt von ganz oben.«

      »Wieso dieser plötzliche Sinneswandel?«, wollte ein anderer wissen.

      Rychmans Gesicht versteinerte sich, er war es offensichtlich nicht gewohnt, Fragen gestellt zu bekommen.

      »Wir sind nicht hier, um die herrschende Politik infrage zu stellen, Leute. Wir sind hier, um sie umzusetzen, verstanden?«

      Damit meinte er, dass die quasi-militärische Hierarchie beschlossen hatte, sich auch so zu verhalten.

      Rychman musterte erneut seine frisch zusammengestellte Taskforce. »Leute, die Presse und andere werfen uns vor, dass wir bei diesem Fall nur ratlos in der Nase bohren. Bürgermeister und Polizeichef sind bei denen Witzfiguren, und wenn es so weitergeht, werden Sie und ich das auch. Einige vergleichen das mit dem Yorkshire Ripper 1980 in England. Und das ist nicht gut. Die Polizei hatte den Killer neunmal befragt, ohne zu wissen, wen sie da vor sich hatten. Nicht mal Scotland Yard konnte den Kerl schnappen, denn keine der Polizeibehörden kooperierte mit der anderen. Und das behauptet die Presse auch über uns, dass wir nicht gut zusammenspielen im großen New Yorker Sandkasten. Vielleicht ist das so und vielleicht wird es teilweise immer so sein; vielleicht ist es sogar unvermeidlich, wenn man bedenkt, dass wir alle Cops sind und Cops nun mal ihr Revier verteidigen. Aber ich sage Ihnen was: Der Killer, mit dem wir es hier zu tun haben, den interessieren Reviere nicht. Wie wir gesehen haben, ist es ihm ganz gleich, ob er in Queens, in der Bronx oder in Manhattan mordet. Er grast einfach alles ab.«

      »Wir sind also so was wie eine Spezialeinheit?«, fragte Louis Emmons, ein weiblicher Detective aus Queens.

      »Ganz genau. Wir stehen in vorderster Front, wenn Sie also Familie haben, eine Freundin oder einen Freund, dann werden Sie die ein wenig auf Abstand halten müssen.«

      Die Männer begannen sich zu beschweren und stöhnten auf.

      Rychman bewahrte Ruhe. Dr. Jessica Coran beobachtete ihn von ihrem Platz aus und fand ihn auf herbe Weise attraktiv. Für einen so großen Mann war er schlank und seine Augen forderten Aufmerksamkeit und Respekt.

      »Uns mangelt es nicht an dem ganzen Bürokratiekram, auch wenn wir jetzt Computer haben«, meinte Rychman. »Genauso wenig fehlt es uns an Psychiatern, Crack-Abhängigen und Idioten, die uns mit Informationen überhäufen. Außerdem haben wir genug Geständnisse, um damit St. Patrick zu füllen, aber was wir nicht haben, ist eine zentrale Stelle, wo das alles zusammenläuft. Das FBI wurde hinzugezogen, und die schicken einen absoluten