DIE KLAUE - Der Kannibale von New York. Robert W. Walker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert W. Walker
Издательство: Bookwire
Серия: Die Fälle der Jessica Coran
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958353800
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biss die Zähne zusammen. »Sonst noch was?«

      Perkins deutete mit einem Stift auf ein paar braune, kleine Stückchen, die wie Reste eines Hundehaufens zwischen den Blutflecken aussahen. »Der Großteil ihrer Leber wurde gleich hier verspeist.«

      »Was ist mit dem Hirn?«

      »Intakt.«

      »Das mit der Enthauptung ist mir ein Rätsel.«

      »Der Killer wurde wohl dabei überrascht. Ich glaube, er wollte den Kopf mitnehmen.«

      Rychman nickte. »Ja, gut möglich, aber es kann auch sein, dass irgendein Witzbold versucht, die Klaue zu imitieren.«

      »Ein Nachahmungstäter, der die Polizei hinters Licht führt? Bisher sieht alles an dieser Leiche nach einem weiteren unglücklichen Opfer desselben brutalen Raubtiers aus, Captain.«

      »Hat Ihr Labor schon eine Theorie, welches Schneidwerkzeug er benutzt, Doktor?«

      »Nein, nein, haben wir noch nicht. Sorry, aber so siehtʼs nun mal aus.«

      »Sorry?« Rychman hatte schon seit einiger Zeit den Eindruck, dass Perkins langsam die Nerven verlor. Er hatte es bei einem früheren Fall bemerkt, bei dem es um eine jüngere, hübsche Frau namens Laura Schindler gegangen war. »Wir müssen wissen, welche Waffe er benutzt. Wenn wir das wüssten …«

      »Sorry, aber momentan haben wir gar nichts!«, rief Perkins und sein Blick verfinsterte sich vor Wut.

      »Bisher haben Ihre Leute also kein Sperma, keine Körperflüssigkeiten und keine Fingerabdrücke. Was haben Sie dann? Ein paar Fasern, Haare und die Zahnabdrücke, doch die sind nutzlos, wenn wir sie nicht mit irgendetwas abgleichen können.«

      »Mit den verdammten Zahnabdrücken wurde der Computer schon gefüttert, die wurden an jede Polizeidatenbank im Land und auch im Ausland geschickt.«

      »Ja, ich weiß, weil ich euch dazu gedrängt habe, genau das zu tun.«

      Rychman starrte in die andere Richtung, bis plötzlich Perkins seinen Arm packte. Er wirbelte auf dem Absatz herum, um dem Mann ins Gesicht zu sehen, der ihn anschrie. »Wieso haben Ihre Männer dieses Tier noch nicht gefunden?«

      »Was denken Sie denn, was wir …«

      »Der Dreckskerl muss doch auffallen!« Perkins redete sich in Rage. »Nach einer solchen Aktion ist der doch völlig blutüberströmt. Das muss ein Verrückter sein, ein tobender Irrer, ein durchgedrehter Sexualstraftäter! Beschweren Sie sich nicht über unsere Arbeit, wenn ihr nicht einen Finger gekrümmt habt, um dieses Abschlachten zu stoppen!« Dabei deutete er auf die verstümmelte Frau.

      Rychman schnappte sich Perkins am Hemdkragen und schob ihn gegen die Waschmaschine, auf der der Trockner stand, was ein metallenes Scheppern verursachte, das alle anderen zurückweichen ließ.

      »Zuerst mal, Freundchen, haben wir alle 6.092 Sexualstraftäter in unserem Computer ganz genau unter die Lupe genommen und zweitens haben wir schon 110.000 Arbeitsstunden auf diesen verfluchten Fall verwendet, also erzählen Sie mir hier keinen Scheiß, okay? Okay?«

      Rychman war groß und respekteinflößend und Perkins fühlte sich völlig wehrlos in seinem Griff. Für einen Moment sah er in Rychmans Augen einen animalischen Killerinstinkt aufblitzen. Perkins hatte sein Gesicht mit seinen knochigen Armen bedeckt und wartete auf einen Schlag, aber Rychman wurde von mehreren anderen Cops weggezerrt. Als er sich wieder beruhigt hatte, ging der hochgewachsene Captain davon, doch vorher wandte er sich noch einmal Perkins zu: »Sorgen Sie dafür, dass mein Büro am Morgen einen kompletten Bericht erhält, Perkins. Verstanden?«

      Perkins zitterte zwar, war aber froh, überhaupt noch etwas zu spüren. Einige Zeit vorher hatten seine Sinne ihren Dienst quittiert. Sein Geist war überwältigt davon, das kannibalisierte Opfer zu sehen, zu riechen und anzufassen. Er wartete, bis Rychman fast durch die Tür war, bevor er ihm eine Antwort hinterherrief: »Sie kriegen den verdammten Bericht, wenn er fertig ist.«

      Während Rychman hinausstürmte, dachte sich Perkins, dass dieser im Grunde eine ähnliche Gewalt war wie die Klaue. Ein Mann, der Interesse an Macht und Kontrolle hatte und daran, andere Menschen zu erniedrigen. Nur trug er in Rychmans Fall eine Dienstmarke.

      Kapitel 4

      Captain Alan Rychman kam am nächsten Morgen völlig fertig am Police Plaza 1 an, wo er eine Armee von Reportern vorfand, die ihr Lager direkt vor seiner Tür aufgeschlagen hatten. Fragen prasselten auf ihn ein wie Schnellfeuergewehre. Er gab den versammelten Mitgliedern der Presse mit erhobenen Händen zu verstehen, dass sie sich beruhigen sollten, und schob mehr als ein Mikrofon weg, das ihm direkt vor die Nase gehalten wurde. »Wir tun alles Menschenmögliche …«

      Ein Seufzen stieg von der Menge der versammelten Presseleute auf und mehrere riefen Fragen, die im Grunde darauf hinausliefen, was die Polizei denn überhaupt in letzter Zeit für die Allgemeinheit getan hätte. Ein Reporter, den Rychman als Jim Drake kannte, ein aufsteigender Journalist der New York Times, fragte: »Wieso sollten die Menschen glauben, dass Sie Ihr Möglichstes tun? Urlaub, formelle Partys … und es ist offensichtlich, dass Sie sich für das Amt des Polizeichefs zur Wahl aufstellen lassen wollen.«

      »Das ist bisher nicht offiziell, aber falls das passiert, sind Sie der Erste, der es erfährt, Drake.«

      »Denken Sie, dass Sie als Polizeichef Fälle wie den der Klaue effizienter bearbeiten können?«

      »In diese Auseinandersetzung werde ich mich nicht hineinziehen lassen«, antwortete er und sah den Reporter das erste Mal mit seinen stahlblauen Augen direkt an. »Also, Ladies und Gentlemen, ich versichere Ihnen, an diesem Fall wird intensiv gearbeitet.«

      Rychmans Adjutant, ein großer, rundlicher Sergeant in Uniform namens Lou Pierce, versuchte seinem Boss einen Weg durch die Menge zu bahnen, aber das war so, als wollte man Schakale davon abhalten, sich über Aas herzumachen.

      »Was ist mit dem Büro des Polizeichefs? Was sagt das Büro des Bürgermeisters dazu?«, rief Drake, während Rychman sich durch die Menge schob.

      »Alle arbeiten daran, Jim, Andy, Martha.« Sein Versuch, die Presse zu beruhigen, stieß auf taube Ohren. Sein freundlicher Polizei-PR-Tonfall reichte nicht aus, um diese Leute zufriedenzustellen, das war ihm klar.

      »Es gibt Spekulationen, dass die Klaue möglicherweise eine medizinische Ausbildung hat. Gibt es dafür irgendwelche Indizien, Captain Rychman?«, drängte Drake.

      »Keinerlei Belege, aber es wurde nicht ausgeschlossen.«

      »Gab es ein sechstes und siebtes Opfer, Captain?«

      Rychman hatte von dem sogenannten siebten Opfer gehört, eine Hausfrau, die an diesem Morgen von ihrem Ehemann verstümmelt worden war, der sich in Gewahrsam befand. Der Ehemann dachte, er könnte mit dem Mord davonkommen, wenn er ihn so aussehen lassen würde, als wäre es das Werk der Klaue gewesen, aber das hielt einem genauen Blick des gerichtsmedizinischen Chefassistenten nicht stand. Dr. Simon Archer war die rechte Hand von Luther Darius und er hatte Rychman angerufen und ihm gesagt, womit sie es auf der Lower East Side zu tun hatten.

      »Wir haben ein sechstes Opfer«, erwiderte Rychman. »Das siebte war ein Nachahmungsmord. Die genauen Details stehen in der Pressemappe, die in diesem Moment zusammengestellt wird. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen?«

      »Was ist mit dem obdachlosen Pärchen?«, wollte eine Reporterin wissen.

      »Es gab nichts, was diese Todesfälle mit der Klaue in Verbindung brachte, soweit das ermittelt werden konnte.«

      »Arbeitsreiche Nacht gehabt, was, Captain?«, fragte ein anderer Journalist.

      »Ein normaler Samstagabend im Big Apple.«

      Drake kehrte wieder zu seiner früheren Frage zurück. »Stimmt es, Captain Rychman, dass Sie unser nächster Polizeichef werden wollen?«

      »Ich habe gesagt, kein weiterer Kommentar.« Rychmans starrer Blick fixierte Drake