Wyatt fixierte die Reiter oben auf der Anhöhe. Sie standen noch ebenso reglos da wie seit dem Augenblick, wo er sie entdeckt hatte.
Auch die drei Reiter vor ihm rührten kein Glied.
Der Marshal griff mit der Linken in die Satteltasche, die direkt vor ihm war, nestelte den silbernen Marshalstern hervor und hielt ihn hoch. »Hier, Weißer Adler, kennst du dieses Zeichen? Es gehört mir. Ich bin ein Mann des Gesetzes.«
Wieder kroch dieses steinerne Lächeln über das harte Gesicht der Rothaut. »Auch diese Story ist alt, weißer Mann. Da du ein Wolf bist, der tötet, wirst du auch einen Sheriff getötet haben, um ihm das blinkende Metall von seiner Brust zu reißen.«
»Mein Name ist Wyatt Earp, ich bin Marshal in Wichita...«
Da hob der Comanche die Hand. »Schweig endlich. Diese Story ist nicht alt, aber zu schlecht, als daß ich sie mir anhören möchte. Wyatt Earp muß ein älterer Mann sein, als du bist. Und er wird nicht hier unten in der Savanne unseres Landes herumstreichen...«
»Ich suche einen Mörder!« rief Wyatt zornig. »Ich habe es dir doch gesagt!«
»Komm hinter dem Pferd hervor. Meine Geduld geht zu Ende!«
Wyatt wußte, daß er ohne den Schutz, den der Körper ihm bot, nicht die geringste Chance gegen diese Übermacht hatte. Er durfte seinen Platz nicht verlassen. Um keinen Preis. Unbegreiflich war ihm, daß die Roten auf der Anhöhe blieben. Eine Armbewegung des Häuptlings, und sie würden im weiten Bogen von den Seiten und von hinten auf ihn zujagen. Dann hatte er verspielt. Er durfte nicht warten.
Er mußte etwas tun, irgend etwas, das ihn aus dieser verteufelten Klemme herausbrachte.
Aus der Falle, in die ihn der Mörder Hogeeter gebracht hatte.
Verzweifelt zermarterte er sein Hirn nach einem rettenden Gedanken.
»Kannst du lesen, Häuptling?« rief er dem Indianer zu.
»Ja, aber nicht die Schriftzeichen der Blaßgesichter.«
»Ich habe Papiere bei mir, die dir beweisen können, daß ich wirklich ein Mann des Gesetzes bin, daß dieser Stern mir gehört.«
»Ich kann sie nicht lesen.«
Und dann kam jener Augenblick, der so oft im Leben des Wyatt Earp aufgetaucht war. Ein Augenblick, der jedem anderen Menschen unerklärlich war.
Er wußte doch, daß er den Platz hinter dem Pferd nicht verlassen durfte, daß er damit seine letzte Trumpfkarte verloren hatte. Zehn Schüsse saßen in der Winchester. Und in jedem Revolver warteten sechs mattschimmernde Bleigeschosse. Er war ein gedankenschneller Schütze und hätte fraglos eine gewaltige Lücke in die rote Horde reißen können.
Aber da oben standen so viele Krieger, daß er wirklich keine Chance besaß.
Viele Wölfe sind auch des größten Bären Tod.
Und warten durfte er nicht mehr.
In jeder Sekunde konnte der Chief die Hand zu dem vernichtenden Befehl heben.
Der Augenblick war angebrochen, der dem unbegreiflichen Mann wieder über diesen steinigen Paß helfen sollte.
Wyatt nahm die Büchse unter den Arm, schritt um das Pferd herum und ging mit festen Schritten auf den Häuptling zu. »Hier, hier ist mein Stern. Und hier ist ein Papier, das dir beweist, wer ich bin. Wenn du wirklich der große Häuptling Weißer Adler bist, roter Mann, dann wirst du Weisheit genug besitzen, wenigstens meine Worte nachzuprüfen.«
Verblüfft starrte der Rote auf den blinkenden Blechstern und die beiden zerknitterten Papiere, die Wyatt aus der Satteltasche gezogen hatte.
Der Weiße Adler ließ eine halbe Minute verstreichen, dann rutschte er von seiner Jacarilladecke, die ihm als Sattel diente, und kam näher.
Er sah auf den Stern und dann auf die Papiere. Dann senkte er seinen dunklen Blick, der den Weißen an den Blick eines großen Tieres erinnerte, tief in die Augen des Gegners.
Und plötzlich sagte er zu Wyatts grenzenloser Verblüffung die drei inhaltsschweren Worte: »Ich glaube dir!«
Er wandte sich um, schwang sich mit jugendlicher Behendigkeit auf den Rücken seines Schecken, hob die Hand und wollte sich abwenden.
Da rief ihm der Weiße zu: »Du glaubst mir? Und weshalb glaubst du mir?«
Das dunkle Auge des Indianers ruhte einen langen Augenblick auf seinem glühenden Gesicht. »Ich will es dir sagen: Weil du gekommen bist, obgleich du es nicht nötig gehabt hättest. In deinem Gewehr stecken zehn Kugeln. Und du trägst zwei große Revolver. Zumindest hättest du kämpfen können. Aber du hast auf den blutigen Kampf verzichtet. Und bist auf mich zugekommen. Das erfordert größeren Mut. Der Mann aber, der meine Krieger getötet hat, hatte keinen Mut. Er war eine feige Hyäne und hat sie von hinten niedergeschossen!« Er wandte sein Pferd auf der Hinterhand und ritt langsam zurück.
Die Roten folgten ihm.
Als er die Anhöhe erreichte, ließen ihn die Indianer vorbei und folgten ihm dann in Schlangenlinie.
Wyatt blickte mit zusammengepreßten Lippen hinter ihm her.
Sein Hemd war schweißnaß, und die Tropfen perlten ihm schwer von der Stirn über das brennende Gesicht.
Es war eine tödliche Viertelstunde gewesen, die er da überstanden hatte.
Langsam zog er sich in den Sattel, ritt auf die Anhöhe zu, schlug einen Halbkreis und sah weit in der Ferne die dünne Schlangenlinie der Comanchen auf den fernen westlichen Horizont zukriechen...
Weiter ging die höllische Jagd nach Bill Hogeeter. Nach dem Mann, von dem Wyatt noch nicht wußte, daß er eigentlich Cassebeater hieß.
Weshalb ritt er so weit in den Südwesten hinein, in die Einöde, dahin, wo ihm kaum jemand folgen würde?
Wähnte er den schwarzen Panther aus Wichita noch immer hinter sich?
Wahrscheinlich.
Nach zwei Tagen erreichte Wyatt eine kleine Ranch. Drei Holzbauten, die mitten im gelben Land wie eine grüne Insel lagen. Trockenes Gras umwuchs die Häuser, und mitten auf dem kleinen Hof war ein Brunnen.
Wyatt stieg neben dem Brunnen vom Pferd.
Aus einem der Blockhäuser kam ein schwerer hemdsärmeliger Mann mit kahlem Schädel und schrägstehenden Augen. Mißtrauisch blickte er den Reiter an. »Was wollen Sie?« knurrte er mürrisch.
»Kann ich Wasser haben?«
»Ja – aber dann verschwinden Sie!«
Wyatt nickte, tränkte den Falben an der Pferdetränke, wusch ihn ab und ging dann auf steifen Beinen auf den Mann zu.
Da lag plötzlich eine behaarte Hand auf seinem Unterarm.
Wyatt wandte den Kopf und sah in das Gesicht des Kahlköpfigen, in seine schrägstehenden Augen.
Als der Mann den Mund öffnete, sah Wyatt, daß er keine Zähne mehr hatte, obgleich er kaum vierzig Jahre alt sein konnte.
»Es gefällt mir, Mann, daß Sie erst Ihr Pferd versorgt haben, obgleich Ihnen der Durst aus den Augen schreit. Sie können drüben ins Haus gehen. Meine Frau macht gerade das Essen.«
Wyatt nickte.
Ein Essen, seit vielen Tagen endlich ein richtiges Essen! Er wusch sich, trank nur ein paar Schlucke aus dem Eimer, den der Mann aus dem Brunnen für ihn heraufgezogen hatte, tauchte die Handgelenke lange in das kühle Naß und fühlte sich schon wieder frischer.
Dann ging er neben dem vierschrötigen Mann her auf das Haus zu.
An der Tür kam ihnen eine stattliche, hartgesichtige Frau entgegen.
»Er