»Durchaus nicht, Sheriff.«
Gennan trat an den Rappen heran und betrachtete ihn genauer. Da hörte er hinter sich den Händler sagen: »Ich an Ihrer Stelle nähme das Geschenk an, Sheriff. Das Tier ist Klasse! Ich sehe es auch mit dem Staub...«
An diesem Tag hatte Wyatt Earp nicht nur einen Freund gewonnen, den er viele Jahre später unter anderen Verhältnissen drüben am Rand der Sandwüste einmal wiedertreffen sollte...
Die beiden Männer setzten sich in die Cantina eines dickbauchigen kahlköpfigen Mannes, der so rot im Gesicht war, daß Wyatt glaubte, der Mann halte ständig die Luft an. Die beiden tranken zusammen ein Glas des roten, hier so beliebten Tampicos und unterhielten sich eine Weile.
Wyatt erzählte von seinem Ritt.
Und der Sheriff erzählte, daß er oben in der gelben Ebene im Indian Territory (im späteren Oklahoma) lange Jahre als Hilfssheriff in einer kleinen Stadt gearbeitet habe.
»Das Land, durch das Sie geritten sind, gehört eigentlich nicht zu Texas, es ist Indianerland, und die Texaner haben es nur an sich gerissen. Das alte Texas fängt eigentlich erst am Red River an. Zwischen Childress und Shermann. Die Leute lügen sich ein Loch in den Bauch, wenn sie das alte Indianer-Land zu Texas rechnen...«
Wyatt unterhielt sich eine Weile mit dem gesprächigen Mann und machte sich dann auf den Ritt.
Er wußte jetzt, daß er den Sternsporenreiter vor sich hatte.
Wenn auch mit einem großen Vorsprung.
Er würde ihn jagen und stellen. Und wenn es am Rande der großen Sandwüste des Llano sein sollte, finden würde er ihn. Und er würde nicht umkehren. Um keinen Preis der Erde...
Aber er hatte noch nicht seinen härtesten Tag dieser Höllenfahrt hinter sich, der unbeirrbare Wyatt Earp.
Es war kurz nach Mittag, die Sonne stand hoch im Zenit, und die vereinzelten Kakteen und ausgetrockneten Tamariskenstauden standen schattenlos auf dem gelben Sand.
Wyatt rutschte aus dem Sattel, legte sich flach auf den Boden, schob den Hut über das Gesicht und mühte sich, so schwach wie möglich zu atmen, um die Hitze, die in seinem Körper wühlte, nicht unnötig zu vergrößern, um das Herz nicht zu stärkerer Tätigkeit zu bewegen.
Dann schlief er ein.
Das leise Wiehern des Falben ließ ihn hochschrecken.
Als er den Blick hob und über das flimmernde, in der Hitze wabernde Land sah, erkannte er kaum hundert Yards vor sich drei Reiter.
Indianer.
Wyatt fuhr wie von einer Feder geschnellt hoch und starrte auf die Männer, die in phantastischem, wildbuntem Aufzug auf sattellosen scheckigen Ponys herankamen.
Indianer.
Comanchen. Damned, gab es denn so etwas auch noch?
Wyatt sprang hinter sein Pferd, riß die Winchester aus dem Scabbard und legte sie schußbereit vor sich über den staubigen Sattel.
Die Roten hatten es bemerkt, kamen aber ungerührt näher.
Zehn Yards vor ihm hielten sie an.
Wyatt blickte in harte bronzebraune Gesichter mit schimmernden Kohlenaugen.
Einer der Reiter ritt drei Schritte vor. Es war ein alter Mann. Sein Haar war silberfarben und strähnig, fiel bis auf die Schultern hinunter und wurde von einem Schlangenhautband zusammengehalten.
Der nüchterne Missourier blickte zweimal hin, konnte es nicht fassen, mußte es aber doch schließlich glauben; hinten in dem Haarband steckten zwei schwarze weißgefleckte Federn.
Wyatt schluckte. Damned! Seit den längst vergessenen Tagen, da er oben weit im Norden den letzten Indianer, wie er glaubte – den Sioux-Häuptling Red Cloud getroffen hatte, war er nie wieder einem richtigen Indianertrupp begegnet. Es waren nicht nur die beiden Federn, die im Haar des Comanchen steckten, es waren die Köpfe der Reiter, die jetzt drüben hinter einer Bodenwelle auftauchten und gleich darauf wie Standbilder auf dem Kamm der Erhöhung standen, steif, reglos – und zu ihm und den drei anderen Roten hinüberstarrten.
Wyatt preßte die Lippen zusammen. Heavens! War das ein böser Spuk?
Die Gesichter der drei Indianer vor ihm waren verschlossen und kalt.
Es verstrichen drei endlose Minuten.
Wabernd stieg die Hitze auf, ließ die Reiterkette oben auf der Erhöhung im silbernen Flimmer verschwimmen, auf und nieder tanzen, verzerrte sie zu grotesken Gebilden.
Nur nichts sagen! Und keine Bewegung! hämmerte es im Schädel des Weißen.
Gewalttätigkeit lag drohend in der Luft. Füllte die zehn Yards zwischen dem einzelnen weißen Mann und den drei Comanchen zum Bersten.
Es war still.
Drückend still.
Daß die Stille so laut sein kann, so dröhnend, dachte der Mann. Und er wunderte sich, daß er jetzt solch einen Gedanken in seinem Hirn fand.
Da öffnete der greise Indianer die Lippen. Es sah aus, als zerspränge sein Gesicht wie ein zerschlagener roter Gesteinsbrocken. Mit den harten, abgerissenen kehligen Lauten seiner Rasse sagte der Rote in gebrochenem Englisch: »Komm hinter dem Pferd vor. Du hast keine Chance!«
Wyatt schluckte. Seine Kehle schmerzte, als säßen tausend Nadeln darin. Ebenso hart und rauh versetzte er: »Was wollt ihr?«
»Dich, komm heraus!« befahl der Rote starrsinnig.
»Was wollt ihr?« beharrte Wyatt.
»Das wirst du erfahren, ehe du stirbst!«
»Ich habe nichts mit euch zu schaffen. Reitet weiter.«
»Komm heraus, weißer Mann. Du bist ein Wolf, der keinen Schritt weiter durch dieses Land ziehen darf.«
Eine böse Ahnung stieg in Wyatt auf.
Da sagte der Comanche: »Ich bin der Weiße Adler.«
Wyatt zuckte zusammen. Der Weiße Adler? Sollte er etwa hier den Comanchen-Chief vor sich haben, der vor drei Jahren oben bei der großen Indianerschlacht am roten Fluß gegen vierhundert Weiße angetreten war und die Feinde nach einer blutigen Schlacht bis in die gelbe Ebene zurückgeworfen hatte? Erst mehrere Reiterschwadronen hatten dem Comanchen nach erbitterter Gegenwehr den Laufpaß geben können. Dann waren die fliehenden Roten fürchterlich aufgerieben worden. Von allen Seiten hatten sich ihnen weiße Reitertrupps entgegengeworfen. Es hieß damals, daß die Horde des Weißen Adlers völlig aufgerieben worden war. Aber damals hatte sich oben in Wichita kaum jemand ernster um diese Ereignisse im Indian Territory und an der Grenze von Texas gekümmert.
Da erklärte der Häuptling: »Wir sind friedliche Krieger. Aber du bist ein Wolf und hast oben am blauen Wasser, südlich vom Cimarron, drei meiner Krieger getötet, obgleich sie dir Fleisch und Salz gegeben hatten.«
Dem weißen Mann stockte der Atem. Genau das, was er befürchtet hatte, war eingetreten: Hogeeter, der ihm an der Wagenburg oben in der Ebene in der Nacht das Pferd gestohlen hatte, war mit den Comanchen zusammengeraten. Einerlei, was er wirklich getan hatte, jetzt wollten diese Krieger es an ihm, dem tatsächlichen Unschuldigen, rächen.
Und die Rache eines Comanchen kannte Wyatt. Im ganzen Westen wurde abends nach getaner Arbeit an den Lagerfeuern davon erzählt. Indianerrache war die furchtbarste Rache, die man sich denken konnte. Auch heute noch sollte es vorkommen, daß die Rothäute einen Feind marterten, regelrecht zu Tode quälten.
Wyatt lud die Winchester geräuschvoll durch. »Hör zu, Chief...«, sagte er gedehnt. »Ich will dir die Story erzählen. Oben in der gelben Ebene wurde mein Pferd gestohlen, von einem Texaner, den ich von Kansas her wegen eines oder gar mehrerer Morde verfolge...«
Ein