»Ist das die Richtung zur Ranch?«
»Yeah, aber nicht genau.«
»Ich muß mich weiter südlich halten?«
»Yeah!«
Wyatt setzte sein Tier in Gang und ritt weiter.
Meile um Meile legte er zurück.
Gefolgt von dem Schatten, der etwa dreißig Yards hinter ihm ritt.
Die Büsche traten jetzt an den Weg heran und führten ihn auf einen Hügelpaß.
Hier hielt Wyatt an.
Unten, in einer breiten Mulde, sah er eine Reihe großer und kleiner Gebäude wohlgeordnet beieinanderstehen. Es war eine Ranch, eine gewaltige Ranch.
Wyatt blickte sich nach seinem Verfolger um, und bemerkte, daß der Mann kehrtgemacht hatte.
Er konnte also sicher sein, daß er von nun an einen neuen Beobachter hatte.
Im leichten Trab näherte er sich der Ranch. Er sah jetzt, daß sie von einem hübschen Holzzaun umgeben war.
Am Tor lehnte ein Cowboy und blickte ihm plinkernd entgegen. Es war noch ein junger Mann mit strohblondem Haar und hellen Augen. Er hatte ein eckiges Gesicht, und seine harte Fäuste hingen in den Ausschnitten seiner hellen, ärmellosen Lederjacke.
»Guten Tag«, grüßte Wyatt.
»Hallo!« Der Cowboy hatte es gesagt, ohne auch nur ein Glied zu rühren. Auch in seinem Gesicht schien sich nichts bewegt zu haben.
»Ist das die Cumberland-Ranch?« fragte Wyatt.
»Yeah!«
Plötzlich ertönte unweit des Tores ein Schrei. Ein langer, knochendürrer Bursche kam nähergelaufen, blieb drei Schritte vor dem Tor stehen und starrte mit aufgerissenem Mund und großen Augen auf den Reiter. »Holly gee! Der Tramp!«
Zwei andere Männer kamen aus einem Schuppen heraus.
Wyatt erkannte sie sofort. Sie waren damals in Florence dabei gewesen, als Mac Hayley ihm den Whisky ins Gesicht geschüttet hatte. Und der lange Kerl, der hier am Tor stand, hatte bei Hunters Ranch auf ihn geschossen.
»Ed, hol den Vormann!« rief der Lange.
Einer der beiden Männer, die aus dem Schuppen gekommen waren, stiefelte los über den breiten Hofplatz auf ein langgestrecktes Gebäude zu.
Kaum war er darin verschwunden, als auch schon die Tür wieder aufflog und die breite, hohe Gestalt Mac Hayleys im Hof erschien. Mit ungläubigen Augen starrte er auf den Reiter.
Langsam, ganz langsam, kam er über den Hof zum Tor.
Aus dem Bunkhaus kamen jetzt auch die anderen.
Auch drüben vor dem Stall erschienen Leute.
Nur oben am großen Ranchhaus war niemand zu sehen.
Die Cowboys blieben hinter Mac Hayley stehen.
Der kam bis ans Tor heran und blickte dem jungen blonden Burschen hart ins Gesicht. »He, Jeff, hast du mit dem Stinktier gesprochen?«
Der blonde Cowboy rührte sich nicht. Nur seine Unterlippe ging etwas hinunter. »Yeah.«
»Und?«
»Er fragte, ob hier die Cumberland-Ranch wäre.«
Langsam wandte Hayley den Kopf. Sein Blick haftete auf Wyatts Gesicht. Dann flog er auf einen vierschrötigen Mann zu, der eine grüne Schürze trug. »He, Slim, nimm den kleinen Mistwagen und eine Schaufel, spann an! Du wirst gleich den Kadaver eines dreckigen Landstreichers oben im Hole verscharren müssen.«
Wyatt stieg langsam vom Pferd. Er sah hinüber zum Wohnhaus. Es war sehr groß, beigefarben gestrichen, hatte an allen Fenstern Blumenkästen und eine breite, protzige Veranda. Es war fast schon ein Palast, den der Goldene Bill sich da hatte errichten lassen.
Und hier vorn standen seine Männer wie eine Meute kläffender Hunde, um einen Besucher zu zerreißen.
Wyatt blickte die Männer der Reihe nach an, so wie er es immer getan hatte, wenn er von einer Reihe von Gegnern stand, und wie er es immer wieder tun sollte.
Er stand hochaufgerichtet da, der schwarze, ungekniffene Hut saß ihm tief in der Stirn, aus seinem dunklen lederbraunen Gesicht blickten die tiefblauen Augen kalt auf die Männer hinter dem Tor.
»Ich möchte den Rancher sprechen.«
Mac Hayley ließ die Hände sinken und stieß den Kopf vor. »Was war das? Hat das Stinktier eben gesprochen?« Dann schrie er plötzlich unbeherrscht: »Du möchtest den Rancher sprechen? Bist du denn verrückt, Tramp? Ein Sattelstrolch will Big Bill Cumberland sprechen! Ein Mann, der entweder längst aus dem Lande oder aber tot sein sollte, kommt hierher ans Ranchtor der C-Ranch und will Big Bill sprechen! Hör zu, Mann, das ist wohl die größte Unverschämtheit, die mir je passiert ist!«
»Kann sein, Hayley – ich möchte trotzdem den Rancher sprechen.«
Da holte der riesige Vormann aus.
Wyatt hatte blitzschnell abgeduckt.
Von der Wucht des eigenen Schlages wurde Hayley an die Erde gerissen.
Seine Männer lachten auf.
Noch am Boden warf er aus glänzenden Augen einen wütenden Blick auf seine Leute, sprang blitzschnell auf die Beine und schrie die Cowboys an: »Los, an die Arbeit, ihr Faulenzer!« Er riß den Colt aus dem Halfter und gab rasend schnell vier Schüsse ab, die er hart vor die Stiefel seiner erschrockenen Kumpane setzte.
Langsam zogen sich die Männer zurück.
Hayley drehte sich um, lehnte sich mit dem Rücken gegen das niedrige Tor und legte die ausgebreiteten Arme über den Querbalken. »So, Brother, nun machen wir die Sache allein ab.« Plötzlich entdeckte er den blonden Jeff. »He, Revolverschwinger, verschwinde!«
Jeff blieb stehen.
Hayley riß die Augen auf, schob seinen Kopf weit vor und streckte die klobigen Hände aus. Mit bedrohlich leiser Stimme sagte er: »Der Boß hat mich ans Tor befohlen, Vormann. Ich werde also ins
Ranchhaus gehen und fragen, was ich jetzt tun soll.«
Hayley ging auf ihn zu, krallte blitzschnell seine rechte Faust in die Jacke des Burschen und hob ihn langsam an.
»Gib genau acht, Jeff Lopin. Du bist hier als Aufpasser mit deinem Colt angeworben worden. Du bist nicht einmal ein Cowboy; nur ein Bursche mit seinem Colt. Und ich bin hier der Vormann. Klar?« Hayley stieß ihn zurück.
Der junge Mann mit dem harten Gesicht nickte und ging in den Hof.
Hayley kam auf Wyatt zu. »So, Brother, und nun zu dir. Weißt du, was jetzt geschieht? Jetzt werde ich dich also zusammenschlagen, daß es kaum einen Menschen geben wird, der noch eine Kugel an dich verschwenden mag. Slim wird dich auf den Mistkarren werfen und oben am roten Hole in den Sandgruben verscharren. Da liegen übrigens eine Menge übler Burschen, verstehst du?«
Wyatt blieb gelassen. »Kann sein. Wenn keine anständigen Leute dort liegen, kümmert es mich nicht.«
Da zuckte die Faust des Vormannes nach vorn und packte Wyatts Rockaufschläge zusammen. »Ah – wie war das, Brother? Wie war das eben? Bist du etwa doch ein Polizeispitzel? Sollte Seroon etwa doch recht haben? Nun hör mir zu. Ich schlage dich jetzt Stück für Stück auseinander und lasse dann deine Sachen durchsuchen. Wenn wir einen Blechstern bei dir finden, wirst du was erleben!«
Wyatt sah an dem breiten Nacken des rauhen Mannes vorbei zum Rathaus hinüber.
Oben, an einem der hellgestrichenen Verandapfosten, lehnte eine Frau. Sie war noch sehr jung, hatte langes lackschwarzes Haar, ein dunkles Gesicht, trug eine weiße Bluse, eine rotlederne Weste, enge Purdomhosen und blanke schwarze Texasstiefel. Die Windschnur hielt hinten