Termolen winkte ab. »Ja, das weiß ich. Er war ja schon vor zwanzig Jahren so. Golden Bill ließ er sich nennen!« Der Greis lächelte schrill auf. »Golden Bill! Er fühlte sich wie ein König, dieser Mann.«
»Kannten Sie ihn?«
»Doch, ja, wir haben uns ein paarmal gesehen. Beim erstenmal vor dreißig Jahren. Ich war damals neunundsechzig. Ich weiß es noch genau, weil ich mit einem alten Indianeragenten während eines Einkaufs in Florence meinen Geburtstag begoß. Da kam Bill in den Saloon von Henry Collins...«
»Er gehört heute seinem Sohn Jeffries«, unterbrach ihn Wyatt.
»Ja, da war Bill Cumberland Mitte der Zwanzig. Aber er führte sich auf, als sei er fünfzig und könne auf ein arbeitsreiches und erfolgreiches Rancherleben zurückblicken. Er hatte eine Menge Geld und ein großes Maul. Texas-Jim bekam Streit mit ihm. Texas-Jim war ein gerader Bursche. Er mochte Prahler und Lügner nicht. Bill forderte ihn spät in der Nacht zum Zweikampf auf. Sie schossen sich mitten auf der dunklen Mainstreet. Zweimal schossen beide vorbei. Dann traf Bill den Tex’ in den Hals. Ich wollte eingreifen, aber Bill schoß weiter, bis Jim vier Kugeln im Leib hatte. Seit dieser Stunde habe ich kein Wort mehr mit ihm geredet, wenn ich ihn gesehen habe. Und glücklicherweise sahen wir uns nicht oft. Es liegen viele Meilen zwischen seinem Land und meinem.«
»Er ist daran, diesen Abstand zu verkürzen«, begann Wyatt.
Der Alte sah ihn forschend an.
Und nun berichtete der Marshal, wie sich Big Bills Leute aufführten, in der Stadt Florence und überall im Land. Wie sie den kleinen Ranchern und Siedlern mitgespielt hatten, und schließlich erzählte er auch von Hunters Tod.
Termolen lehnte sich zurück. »Was habe ich? Big Bill mein Land verkauft?« Er lachte grimmig in sich hinein. »Das ist doch wohl ein übler Scherz. Solange ich lebe, werde ich diesem Halunken keinen yardbreit Boden abgeben. Das schwöre ich Ihnen. Und Hunter ist tot? Das tut mir bitter leid um den armen Kerl, er war noch blutjung und fleißig. Er hat geschuftet wie ein Pferd. Ich weiß es. Und Walker ist also der Letzte?«
»Ja, der Letzte auf Ihrem Land. Und er will bleiben. Er beruft sich auf seinen Vertrag mit Ihnen.«
»Walker?« Der Alte schloß die Augen. Sein Gesicht schien sich zu entspannen. Dann öffnete er die schmalen Lippen und sagte, ohne die Augen zu öffnen: »Er ist der beste Mann, den ich in diesem Land getroffen habe. Wenn er zwanzig Jahre früher gekommen wäre, hätte ich ihn hier auf meiner Ranch zum Vormann gemacht. Aber so... Es war alles zu spät. Ich sagte Ihnen ja, ich bin übriggeblieben. Ein sitzengebliebener, vom Tod vergessener Mensch, der in die Indianerzeit gehört.«
Wyatt nahm auf einem Hocker Platz. Er fühlte, daß es dem Greis sichtlich wohltat, einmal reden zu können. Er nutzte die seltene Gelegenheit weidlich aus. Mit glänzenden Augen berichtete er von den guten Zeiten seiner Ranch und von den traurigen Tagen, da sie mehr und mehr verfallen sei. Er hatte sie über zwanzig Jahre allein gehalten. Dann konnte er nicht mehr weiter. Er wurde zu schwach für die harte Arbeit. Aber fort wollte er nicht von hier. Und so verfiel nach und nach alles. Das Vieh wurde verkauft, das, was nocht nicht gestohlen war. Denn wo keine Cowboys mehr waren, die etwas bewachen konnten, gab’s für Rustler kein Hindernis, Rinder zu stehlen.
»Ja«, sagte Termolen jetzt und lehnte sich wieder vor. »Kümmern Sie sich um den armen Teufel, den Walker. Er hat mit mir den Vertrag. Und dabei bleibt es. Lassen Sie ihn nicht untergehen, Marshal. Ich... ich finde es verdammt anständig von Ihnen, daß Sie sich um die Sache kümmern...«
»Es ist nur meine Pflicht«, wehrte Wyatt ab.
*
Die Nachricht, daß Termolen noch lebte, noch ziemlich wohlauf sei und bestätigt hatte, daß sich am alten Vertrag nichts geändert hatte, war für Harry Walker eine echte Freudenbotschaft gewesen.
Er machte für seinen Cowboy ein gewaltiges Steak und sprach bis spät in die Nacht hinein mit ihm über seine Sorgen.
Walker hatte gerade seine Pfeife ausgeklopft und erhob sich, um sich zur Ruhe zu legen, als ein Cowboy ihm seelenruhig erklärte: »Morgen ziehe ich den Draht weiter um Hunters Land.«
Walker nickte mit besorgter Miene. »Es ist bloß..., ich meine..., Sie sind ein brauchbarer Bursche, Wynn. Aber es hat keinen Sinn, daß ich Ihr Leben riskiere. Mac Hayley wird zurückkommen und Sie niederknallen, wenn er Sie trifft. Er spaßt nicht.«
»Er hat kein Recht, auf mich schießen zu lassen!« begehrte Wyatt auf.
»Natürlich nicht, aber was fragt dieser Mann nach Recht und Gesetz? Sein Gesetz heißt Macht und Gewalt. Und alles andere ist unwichtig. Danach wird er handeln. Wir haben nichts gewonnen, Wynn, wenn wir auch Ihr Leben aufs Spiel setzen.«
»Es ist mein Leben, Mr. Walker.«
»Schon, aber Sie reiten für mich.«
Wyatt Earp nickte. »Richtig. Und Ihre Ranch braucht einen Zaun, Boß.«
Der Rancher wischte sich über die Nase. »Äh, Sie sind ein Dickschädel, Wynn. Gute Nacht.«
*
In der Frühe des nächsten Morgens machte sich Wyatt auf den Weg. Er hatte all das jahrelang gelernt, was ein Cowboy können mußte. Schießen, Rindereinfangen, Brennen, Treiben, Pferdearbeiten, Hofarbeiten, Stallarbeiten, Corralarbeiten und was sonst noch alles dazugehörte. So war ihm auch das Ziehen eines Weidedrahtes nichts Neues gewesen. Er hatte schon mit dreizehn Jahren, lange bevor er mit dem Vater auf den langen Treck nach Californien ging, auf einer Ranch gearbeitet.
Als er jetzt auf den Wagen stieg, stand der Rancher neben dem offenen Hoftor. »Sie sollten wenigstens einen Colt mitnehmen, Wynn.«
Aber der Cowboy schüttelte den Kopf. »Nein, Mr. Walker. Wozu? Rothäute streifen hier nicht mehr umher. Und die Menschen, die mich treffen könnten, kommen in solcher Überzahl, daß mir ein einzelner Colt nicht viel Spaß bringen würde.«
»Vielleicht nehmen Sie zwei mit«, meinte der Rancher ein wenig trübselig lachend. »Nichts für ungut, Evans. Nicht jeder kann mit einer Schußwaffe umgehen. Und Sie brauchen sich nicht zu schämen, daß Sie es nicht können. Ich habe es längst bemerkt. Sie weigern sich nicht umsonst so hartnäckig, eine Kanone mitzunehmen. Dafür sind Sie aber ein prächtiger Cowboy. Es tut mir leid, daß ich keine größere Ranch habe und Ihnen keinen besseren Lohn anbieten kann.« Damit machte der Rancher kehrt und stapfte über den Hof davon.
Wyatt lenkte den Wagen hügelan über die Wagenspur nach Westen. Obgleich er gegen fünf Uhr in der Frühe losgefahren war, erreichte er erst gegen Mittag die Stelle, wo der Draht zu Ende gewesen war. Sofort zerrte er die nächste Rolle auf die Halterung, wickelte das Ende um einen Pfahl, und vorwärts ging’s im Zuckeltrott nach Westen, immer den Pfählen nach, durch das hohe gelbe Gras der Weide.
Er war ein harter Arbeiter, dieser Wyatt Earp. Er gönnte weder sich noch dem Braunen eine Rast. Als die Sonne sich schon orangerot färbte und dem westlichen Horizont zuneigte, hatte er den großen Bogen nach Norden schon weit hinter sich gebracht und konnte im Osten die Dächer der verlassenen Hunter Ranch sehen.
Plötzlich hielt er inne. Hatte sich da drüben nicht etwas bewegt? Wyatt zog die Brauen zusammen und beobachtete angestrengt die Stelle vor den Ranchbauten, wo er die Bewegung wahrgenommen hatte. Richtig, da drüben waren Menschen. Das scharfe Auge des Marshals hatte zwei Reiter erkannt. Was hatten sie bei der verlassenen Ranch zu tun?
Es sollte nicht lange dauern, bis er erfuhr, was sie dort zu tun hatten...
Im gestreckten Galopp sprengten die beiden heran. Als sie ungefähr noch dreißig Yards entfernt waren, hielten sie ihre Pferde an.
Wyatt tat, als kümmere er sich nicht um sie, und ließ den Draht weiter durch den schweren Handschuh gleiten; dabei aber behielt er die beiden scharf im Auge. Er hatte sie längst erkannt. Es waren zwei Leute von der Cumberland-Mannschaft.
Da brüllte der eine, ein langer, dürrer