Aber die Männer verhielten in ihrem Sturmlauf.
»Was ist los?« polterte Hayley.
Seroon sah wieder zu dem Reiter hinüber. »Ich glaube, ich habe den Kerl schon irgendwo gesehen...«
»Und?« krächzte der Vormann ungehalten. »Wir werden gleich wissen, wer er ist! Los, Boys!«
Fünf harte Burschen stürmten vorwärts, rissen den Mann vom Pferd und warfen sich über ihn. Er schleuderte zwar noch zwei zurück und konnte dem dritten einen Fußtritt versetzen, der ihn gegen die Treppe warf – aber dann zerrte ihn die Übermacht doch in den gelben Staub der Straße.
Indessen machte sich Hayley über die Satteltaschen her. Er warf alles was er daraus hervorholte, auf die Straße; Tabakszeug, ein Handtuch, Seife, ein eingewickeltes Stück Brot, einen Kamm, ein Brotmesser, ein paar Lederriemen und Flickzeug.
Seroon stand genau daneben und hatte die Hände hinten in den Waffengurt gesteckt.
Hayley blickte auf das tobende Knäuel seiner Leute, die anscheinend immer noch mit dem Mann zu schaffen hatten.
»Laßt ihn los!« befahl er dröhnend.
Die Cowboys ließen von dem Mann ab.
Der erhob sich von der Erde. Sein Gesicht war blutig und beschmutzt, sein dunkler Anzug war vom gelben Staub der Straße gepudert. Der Hut lag zerknautscht neben ihm.
»Hör gut zu, Tramp«, sagte Hayley hart. »Wir leben hier in einer verdammt rauhen Gegend. Erst vor wenigen Tagen ist dreißig Meilen von hier die Postkutsche von Abilene überfallen worden. Von unseren Weiden verschwindet immer wieder Vieh. Wir haben einen Pferdedieb und sieben Rustler aufgeknüpft; anscheinend genügt das nicht. Immer wieder kommen Banditen in diese Gegend. Wir können keine Tramps hier gebrauchen. Sieh zu, daß du bis morgen mittag fünfzig Meilen hinter dich gebracht hast, Brother, sonst ziehen wir dir die Knochen lang, klar?«
Der Fremde klopfte sich wortlos den Staub aus den Kleidern, nahm seinen Hut auf und ging zu seinem Schimmel.
Hayley trat dicht an ihn heran. »Ob du verstanden hast?«
Der Mann setzte den linken Fuß in den Steigbügel und wandte langsam den Kopf. Dicht vor dem des Vormannes sagte er: »Doch, Hayley, es war ja deutlich genug.« Dann zog er sich in den Sattel und ritt ohne Hast die Straße hinauf.
Hayley und die Cowboys drängten lärmend in den Schankraum zurück.
Der Fremde sah vor dem Store einen kleinen Planwagen stehen. Ein Mann schleppte aus dem Wagen schwere Drahtrollen, Säcke und Kissen heraus.
Der Reiter trieb sein Pferd an den Vorbau, stieg ab und stellte sich neben den Wagen. Gerade hob der Mann eine schwere Kiste an, um sie in den Wagen zu laden.
Da packte der Fremde mit zu, riß die Kiste hoch und verstaute sie im Wagen.
Der andere blickte ihn fragend an.
»Ich suche Arbeit«, sagte der Fremde.
»Arbeit? Hm, Arbeit hätte ich schon Freund, aber ich bin kein reicher Mann...«
»Ich suche keinen reichen Mann. Haben Sie nicht eine Ranch, Mister?«
»Doch, eine kleine Ranch. Aber ich kann mir keinen Cowboy leisten.« Der Mann kratzte sich hinterm Ohr. »Oder halt, warten Sie...« Er blickte auf den Wagen. »Ich habe eine Arbeit, da könnte ich verdammt gut einen Mann gebrauchen. Können Sie einen Draht ziehen, Mann?«
»Doch, Mister, das kann ich bestimmt!«
»Hm?« Der Small-Rancher Harry Walker musterte den Fremden eingehend. »Hatten Sie einen Streit?«
Der Fremde lachte ein bißchen. »Nichts Besonderes, Mister.«
»Hier in der Stadt?«
»Oben beim Saloon. Ich hatte einen Vormann nach Arbeit gefragt.«
»He!« machte der Rancher. »Mac Hayley etwa?«
»Yeah – er führt die Cumberland-Ranch, nicht wahr?«
»Ja, das tut er.« Walker ging zurück in den Store, zahlte seine Rechnung und stieg auf.
Der Fremde stand noch vor dem Wagen.
Walker sah ihn an. »Wie heißen Sie eigentlich?«
»Wynn Evans.«
»Steigen Sie auf, Wynn!«
Evans nahm sein Pferd, band es hinten am Wagen fest und setzte sich neben den Rancher auf den Kutschbock.
Langsam rollte der Planwagen aus der Stadt.
*
Schon nach drei Tagen wußte Harry Walker, daß er mit Wynn Evans einen erstklassigen Cowboy angeworben hatte. Dieser dunkelhaarige, drahtige Bursche wußte mit dem Vieh umzugehen, wie nur irgendeiner; er verstand sich auf Pferde wie ein Pferdezüchter, und war mit allen
Rancharbeiten so vertraut, daß man nicht zu fragen brauchte, wo er seine Jugend und auch viele Mannesjahre verbracht hatte.
*
An einem brütend heißen Vormittag war Wynn mit dem Planwagen draußen auf der Weide. Er zog eine Fenz. Einen Zaun, der nur mit einem Drahtfaden gesetzt wurde. Dieser einfädige Zaun hatte weniger den Sinn, die Weide vor fremden Reitern oder auch Tieren zu schützen, er war mehr als Markierung gedacht. Nur sehr reiche Rancher konnten sich eine richtige, volle, fünffädige Fenz leisten, der anderthalb Yards hoch war und wirklich einen gewissen Schutz bot. Für solch einen Zaun hatte der Small-Rancher Walker natürlich kein Geld. Er mußte sich mit einem einzigen Draht in Yardhöhe von Pfahl zu Pfahl begnügen. Überall da, wo Walker die Pfähle in den letzten Wochen eingeschlagen hatte, zog Wynn jetzt den Draht durch die kleinen Eisenschlaufen an den Hölzern.
Der Himmel war bleigrau und wolkenverhangen.
Dem Mann lief der Schweiß in kleinen Bächen übers Gesicht. Sein graues Hemd war auf dem Rücken durchgeschwitzt. Gerade zog er die Drahtrolle von einem der Pfähle hinüber zum Wagen und wollte sie hinten an die Zughalterung einhängen, als er lauten Hufschlag hinter sich vernahm.
Er blickte sich um und sah mehrere Reiter im Galopp näherkommen. Zu seinem Mißbehagen erkannte er Mac Hayley mit fünf seiner Leute. Sie hielten ihre Pferde im gelben Gras vor dem Zaun an und blickten finster zu dem Mann am Wagen nieder.
Endlich öffnete der Vormann die Lippen. »Sieh an, wen finden wir denn da? Ist das nicht der dreckige Satteltramp, den wir neulich aus der Stadt gejagt haben? Sollte der Halunke nicht schon am nächsten Tag aus der Gegend verschwunden sein?«
»Doch, Mac – du hast recht«, krächzte der bohnenstangendünne Hal Fallings. »Er sollte am nächsten Tag verschwinden! Das stimmt genau, Hal!«
»Und jetzt kraucht der Bursche hier herum«, maulte Yul Potter, ein Mann mit einem breiten Bullenbeißergesicht und eingeschlagener Sattelnase. »Er zieht sogar Draht! Für wen machst du das, Amigo?«
Wynn wischte sich über die Nase. »Ich arbeite für den Small-Rancher Walker.«
Stille.
Nur der Wind, der dem Sturm vorauszueilen pflegt, rauschte durch die hohen, gelben Gräser und ließ sie wie Meereswogen auf und nieder gleiten.
Da sagte Mac Hayley hart: »Du arbeitest für Walker? Für den dreckigen, kleinen Walker unten am Hole? Was tust du denn hier oben? Das ist doch nicht mehr Walkers Weide?«
»Doch«, versetzte Wynn gelassen. »Es ist Walkers Weide!«
Das Gesicht des Vormannes verschob sich zur wütenden Fratze. Er legte den Kopf ein wenig auf die Seite und fauchte: »Was soll das, Tramp? Willst du dich etwa über mich lustig machen? Walkers Land hört drüben weit vor dem Hügel auf. Hier...«
»Das war einmal«, erklärte Wynn ruhig. »Er hat dieses Land von dem ermordeten Small-Rancher Hunter geerbt.«
Die Cowboys blickten