Der Small-Rancher legte den Kopf ein wenig auf die Seite. »Verschwinden?«
»Ja, die Cumberland-Ranch braucht die Weide!«
»Meine Weide?«
»Gehört sie dir?«
»Ja, ich habe sie von Wim Termolen gepachtet.«
»Termolen?« meinte Hayley geringschätzig. »Der alte Dutch hockt schon seit Jahren im Lehnstuhl und kann sich nicht mehr rühren. Er hat alles Land an Bill Cumberland abgegeben.«
»Auch mein Land?«
»Alles!« versetzte der Vormann hart.
Walker zog die Brauen zusammen. »Das kann er nicht. Ich habe die Weide hier im Tal bis hinunter zum Black Hofe gepachtet, auf zehn Jahre. Es sind erst fünf Jahre verstrichen.«
»Die anderen fünf schenken wir dir. Du mußt weg, Brother. Es hat keinen Sinn. Du hast achtzig Rinder und drei Pferde. Damit kannst du hier nichts werden. Wenn Big Bill dich nicht wegjagte, würde es ein anderer tun. Der Hunger oder sonst jemand. Nimm also Vernunft an, Walker, und verschwinde.«
Der Small-Rancher legte den Kopf auf die Seite. »Das könnte euch so passen. Ihr habt sie ja alle vertrieben. Fast alle. Die Vaughams drüben auf den Plains, den kleinen Runnings, Lat Collins, Jesse Harris, Patterson und Askin. Mich kriegt ihr nicht weg, mich nicht, Pit Hartmann und Bob Hunter auch nicht!«
Der Vormann grinste wieder und sagte sanft: »Wir werden sehen, Walker. Der verdammte German Hartmann hat einen harten Schädel und glaubt mit seinen drei Söhnen so etwas wie eine preußische Armee darzustellen. Auch ihn werden wir ausräuchern...«
»Das wagt ihr nicht!« rief Walker erbost.
»Abwarten!«
»Er hat mit den Sioux um dieses Land gekämpft. Er ist wenigstens ebensolange hier wie Bill Cumberland!«
»Er wird verschwinden. Er und dein Freund Hunter auch. Und du mit!«
»Banditen!« fuhr es dem Rancher über die Lippen.
Die Augen des Revolvermannes Seroon wurden schmal. Seine Rechte rutschte am Gürtel längst auf das Colthalfter zu.
Hayley versetzte ruhig: »Sei vorsichtig, Brother. Es könnte mich die Lust anwandeln, dich windelweich zu schlagen!«
»Ja, das glaube ich, Hayley. Ich bin fast zwanzig Jahre älter als du. Noch vor zehn Jahren hätte ich Burschen wie dich in Stücke geschlagen. Verschwinde, sage ich dir!« Noch ehe der Vormann oder sein finsterer Begleiter zu einer Waffe hätten greifen können, hatte der Rancher neben sich hinter das Tor gegriffen und hielt plötzlich eine kurzläufige Flinte im Anschlag.
Ted Seroon starrte ungläubig auf den bläulich schimmernden Lauf der Waffe. Der Revolvermann war überrascht worden, weil er dem steif wirkenden Small-Rancher diesen schnellen Griff einfach nicht zugetraut hatte.
»Mach dein Maul zu, Seroon!« versetzte der Rancher grob. »Es könnte sein, daß sonst eines der Schrotkörner zwischen deine gelben Zähne fliegt. Und jetzt verschwindet, Boys; ich habe verdammt wenig Lust, mich mit solchem Gelichter länger herumzuärgern. Ich habe keine Angst!«
Hayley warf einen langen Blick auf die Schrotflinte. Dann schürzte er die Lippen und stieß einen leisen Pfiff aus. Langsam, unendlich langsam, wandte er den Gaul und ritt aus dem Hof hinaus.
Der Revolvermann folgte ihm wie ein Schatten.
Walker blickte ihnen eine Weile nach. Dann stieß er einen grimmigen Fluch aus. »Verdammte Bande!«
Er hatte eigentlich heute noch eine Menge tun wollen. Das Gatter neben der Scheune brauchte zwei neue Fenster. Eine Angel im Tor des Geräteschuppens war seit Tagen herausgesprungen. Der Fensterladen neben der Haustür war schon seit vergangener Woche entzwei; der Sturm hatte ihn mit solcher Wucht gegen die Hauswand geschmettert, daß er auseinandergeflogen war.
Aber Harry Walker hatte jetzt eine wichtigere Arbeit zu erledigen. Er sattelte den Braunen, schloß das Wohnhaus ab, saß auf und ritt hinter dem Haus nach Nordwesten davon.
*
Gegen Abend erst erreichte er die winzige Ranch Bob Hunters.
Der pausbäckige, bärtige Hunter kam ihm am Hoftor entgegen. »Hallo, Walker, was treibt dich denn so mitten in der Woche hierher?«
Walker berichtete dem Nachbarn von dem Besuch Mac Hayleys.
Dann packte Hunter seine Jacke, zog sie an und ging zum Stall hinüber.
»Wir reiten zu Hartmann!«
Walker nickte.
*
Mitten in der Nacht sahen die beiden Reiter von einer Anhöhe aus die dunklen Bauten der Hartmann-Ranch.
Sie waren bis auf Schußweite herangekommen, als ein harter Ruf sie zum Anhalten zwang.
»Wer seid ihr?«
»He, Jonny! Wir sind’s! Walker und Hunter! Wir müssen mit deinem Vater sprechen!«
Johnny, der jüngste Sohn des Ranchers, hielt Wache. Er löste sich darin mit seinen beiden Brüdern Pit und Charly ab.
Der Rancher war noch auf. Er saß in stummen Nachdenken vor seinem Tisch und blickte in die blakende Kerosinlampe. Als er die Schritte der Männer auf der Veranda hörte, stand er auf, riß eine alte Kentucky-Rifle von der Wand und ging zur Tür.
Er war ein riesiger Mann, dieser Deutsche. Hoch, eckig und stark. Die vielen Jahre, die er hier in diesem rauhen Land durchgestanden hatte, waren nicht wild genug gewesen, diesen knorrigen Mann zu beugen. Vor mehr als dreißig Jahren war er mit seiner Frau hierhergekommen. Er hatte das Land nach dem Heimstättengesetz von 1845 abgesteckt und erworben. Kurz bevor Bill Cumberland kam und das Land drüben im Südosten absteckte. Weites, hügeliges Weideland, auf dem viele tausend Rinder Platz hatten. Cumberland hatte dreimal soviel Acres abgesteckt. Der unersättliche Mann hatte damals seine drei Cowboys wochenlang unterwegs gehabt, um eine riesige Fläche abstecken zu lassen. Hartmann hatte sich nicht darum geschert. Dreißig Jahre lang nicht. Die Indianer hatten ihm fast zwei Jahrzehnte zu schaffen gemacht. Und ein Jahr nach dem großen Krieg hatte er sogar mit zweien seiner Söhne einen Ritt zur Cumberland-Ranch gemacht, weil er von einem Händler erfahren hatte, daß sich die Sioux dem Reich Big Bills genähert hatten. Sie kamen gerade richtig, um eine Horde Ogellalas aus der Flanke heraus anzugreifen, als sie zwischen den brennenden Ranchbauten hervor auf die Bewohner der Ranch eindrangen, die sich in dem Bunkhaus verschanzt hatten. Er war nie ein dankbarer Mann gewesen, der große Bill Cumberland. Und auch damals hatte es eben gereicht, dem Nachbarn kurz die Hand zu reichen.
Das alles war längst, längst vergessen. Big Bill war wirklich ein großer Mann geworden. Ihm gehörte eine gewaltige Ecke von Kansas, er hatte mehr Rinder als alle Ranches zwischen Wichita und Dodge zusammen, er war der König der Weide – und er wollte das auch wissen.
Nun genügten seine Weiden nicht mehr, nun mußte er die Nachbarn wegdrücken. Eine Reihe kleiner Ranchers hatte den Druck Cumberlands nachgegeben und ihr Land für einen Spottpreis an ihn verkauft. Walker und Hunter hatten dieses Ansinnen brüsk abgelehnt. Aber Big Bill gab nicht nach. Er drangsalierte die Small-Rancher, wo er nur konnte.
Pit Hartmann, Hunter und Walker besprachen sich bis in den grauenden Morgen hinein. Dann ritten die drei Rancher los.
Der Alte verhielt vor einem kleinen Hügel hinter dem Ranchhaus das Pferd und nahm den Hut von seinem grauen Kopf. Nachdenklich blickte er auf das Grab seiner Frau. Sie war bei dem letzten Angriff der Indianer ums Leben gekommen. Vor zehn Jahren. Und immer noch mußte er reiten, um seine Weide zu verteidigen. Es schien in diesem rauhen Land keinen Frieden geben zu wollen.
*
Sie ritten nach Florence, und als sie staubbedeckt auf schweißnassen Tieren vor dem Saloon Jeff Collin’s ankamen, wurden sie mit finsteren Blicken von den Bürgern Florences betrachtet.