Und plötzlich, wie er gekommen war, drehte der Tornado ab.
Ein Wagen war umgeworfen worden.
Zwei Pferde hatten sich losgerissen. Der gestürzte Baum hatte eine Deichsel zertrümmert – aber kein Mensch war zu Schaden gekommen.
Nur Jack Donegan lag reglos zwischen den Pferden und den Wagen.
Wyatt wischte sich den Staub aus dem Gesicht, hob den Betäubten auf und lehnte ihn sitzend an ein Wagenrad.
Da öffnete der Verbrecher die Augen. Als er den Marshal vor sich sah, preßte er die Lippen zusammen und sprang auf. Noch taumelnd warf er sich ihm entgegen. »Du verdammter Hund – du – ich werde dich – ich bringe dich um – du sollst krepieren, sofort, sofort –!« Er klammerte seine schweren Hände wie Schraubstöcke um den Hals des Gegners.
Wyatt hob beide Hände, faltete sie zusammen und ließ sie mit den Kanten auf Donegans Unterarme niedersausen.
Der Bandit ließ augenblicklich los und taumelte zurück.
Wyatt packte seine Hände und schlang den Lederriemen wieder darum.
Mit entsetzten Augen hatten die Leute in der Wagenburg den Vorgang beobachtet. Noch saß ihnen der kaum überstandene Schrecken des Tornados in den Gliedern, und nun das?
Einer der Männer trat an Wyatt heran. »He, Mister – was soll denn das? Was ist mit dem Mann?«
Nun mußte Wyatt erklären.
»Nehmen Sie ihn und ziehen Sie weiter! Wir wollen keinen Mörder bei uns haben!« sagte der Holzfällertyp hart.
*
Wieder einmal verbrachten sie eine Nacht in den Bergen.
Wyatt fesselte Hände und Füße seines Gefangenen, um nun keinerlei Gefahr mehr ausgesetzt zu sein.
Drei Tage ging es durch die Big Horn Mountains, dann hielt Wyatt auf die Ebene zu. Am Abend dieses Tages erfuhr er im Sheriff Office der Stadt Klondyke, daß es nur noch fünfundvierzig Meilen bis Sheridan wären.
*
Am nächsten Morgen ging es weiter.
Jack Donegan hatte gehört, daß sie heute noch nach Sheridan kommen würden. Sein Verbrecherhirn arbeitet unausgesetzt an einem Gedanken. Schon seit den frühen Morgenstunden. Er durfte nicht nach Sheridan kommen. Er wollte nicht hängen…
In der Nacht hatte er in der Zelle des Sheriff Office eine Nadel gefunden; die drückte der Unmensch während einer Rast nach dem Absteigen mit einem raschen unbemerkten Griff über den rechten Hinterhuf des Falben.
Das Tier stieg hoch auf und wieherte schmerzvoll.
Donegan wich erschrocken zurück. »He! Was ist mit dem Klepper?«
Wyatt suchte das Tier zu beruhigen.
Im Weiterreiten begann der Falbe zu lahmen.
Wyatt stieg ab und untersuchte den Fuß.
Seine Hände glitten tastend über das Unterbein. Und plötzlich fühlte er den Nadelkopf. Er zog die Nadel heraus, ließ den Huf los und wandte sich nach Donegan um. Langsam kam er auf ihn zu.
Der Bandit hockte grinsend am Boden. Er hatte die Hände für die Rast hier losgebunden bekommen.
Breitbeinig blieb der Marshal vor ihm stehen. Kalt ruhten seine Augen auf dem Verbrecher. »Stehen Sie auf!«
Donegan feixte. »Hör zu, Wyatt Earp! Es hat sich ausbefohlen! Wenn du mich heute noch nach Sheridan bringen willst, mußt du mich hintragen. Ich stehe nicht mehr auf.«
»Steh auf!« Es klang wie Metall, das aufeinanderrieb.
Aber der Bandit blieb stur. Er rührte sich nicht. Auf seinem groben Gesicht stand ein breites hämisches Grinsen. »Wenn du mich schlagen willst, bitte. Ich schlage mich nicht mehr mit dir. Es hat keinen Zweck. Schlagen und schießen kannst du besser. Du kannst mich ja verprügeln, vielleicht paßt das ja zu einem Marshal, hehehehe!«
Wyatt preßte die Zähne aufeinander. »Steh auf, Donegan!«
»Ich denke nicht daran.«
Wyatt packte ihn am Wams und zerrte ihn auf die Beine. »Vorwärts!«
Der Bandit ließ sich fallen.
Wyatt schleppte ihn zu seinem Pferd.
Donegan rührte kein Glied. Er ließ sich über den Boden zerren.
Als der Marshal ihn losließ, rutschte Donegan wieder auf die Erde. »Hehehe! Du kannst mich ja schlagen, Earp. Totschlagen, meinetwegen. Dann haben sie in Sheridan eine Menge Arbeit gespart. Hehehehe!«
Wyatt blickte den Mann finster an. Am liebsten hätte er ihn windelweich geprügelt. Aber das durfte er nicht.
Und der andere wußte, daß er es nicht tun würde.
»Wir kommen heute nicht mehr nach Sheridan, Marshal…«
*
Nein, sie kamen nicht mehr nach Sheridan.
Jack Donegan schien das Mittel gefunden zu haben. Er rührte sich nicht vom Fleck.
Die ganze Nacht über saß Wyatt vor seinem Sattel auf der Decke und behielt den Mann scharf im Auge. Er hatte es nicht mehr über sich gebracht, ihn in der letzten Nacht wieder zu fesseln. Und es sollte die letzte Nacht sein, das schwor sich der Marshal.
Als die Morgenkühle in seine Glieder drang, stand Wyatt auf. Er packte Donegan an der Schulter, zog ihn hoch, griff mit der immer noch schmerzenden Linken unter die Beine des anderen und warf ihn über den Rücken des Braunen. Den Sattel Donegans ließ er liegen.
Er band Hände und Füße des Verbrechers locker zusammen. So konnte der Mann nicht vom Pferd rutschen.
Wyatt nahm den Zügel des Falben und führte die beiden Tiere in den grauenden Morgen hinein nach Norden.
Als Donegan merkte, daß er überrumpelt worden war, brüllte er auf vor Wut, warf sich hin und her und suchte dem Pferd das Fortkommen zu erschweren.
Aber diesmal scheiterte der Mörder Donegan an der Härte des Missouriers.
Der Mann, der da vorn zwischen den beiden Pferden ging, hielt an diesem Tage nicht einmal inne. Er fühlte die Füße kaum noch, als er am Abend am Rande einer Stadt vor einem Baum stehenblieb, an dem ein großes Schild mit der Aufschrift Sheridan befestigt war.
Mit schmerzenden Gliedern und dumpfem Schädel trottete Wyatt Earp am Abend des 17. Juni auf staksigen Beinen in den Straßen von Sheridan ein.
Es war schon dunkel.
Trotzdem war die Mainstreet noch belebt.
Die Lichter, die aus den Fenstern fielen, beleuchteten den merkwürdigen Treck, der da in die Stadt einzog.
Das Sheriff Office lag mitten in der Stadt.
Wyatt band den Mann los. Absichtlich hatte er ihn nicht zu stramm gefesselt gehabt. Trotzdem tat Donegan jetzt, als sei er ohne Besinnung.
Männer, die neben dem Treck hergegangen waren, benachrichtigten den Sheriff.
Der kleine, krummbeinige Arthur Barley setzte seinen Hut auf und kam auf die Straße. Der Lichtschein fiel aus seiner Tür auf die Stufen.
Unten auf der Erde lag der Gefangene.
Wyatt bückte sich. »Stehen Sie auf, Donegan!«
Der Bandit rührte sich nicht.
Der Sheriff kam heran. »Was ist mit ihm –?« Er sah auf Donegan und blickte dann Wyatt fragend an.
»Ich habe ihn hierhergebracht. Er heißt…«
In diesem Augenblick sprang Donegan mit katzenhafter Behendigkeit