ISLAND RED. Matt Serafini. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Matt Serafini
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958353718
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plötzlich die Stimme seiner Mutter, die ihn daran erinnerte, dass es schon Sünde war, an so etwas nur zu denken. Du fährst dann schnurstracks in die Hölle, genauso wie dein Vater, Manny.

      Wenn das mal nicht der Inbegriff des katholischen Schuldbegriffs war … Manuel sorgte sich nicht um sich selbst, sondern er befürchtete viel eher, dass die Erfüllung seines unwahrscheinlichen Traums, dass er Marie und Samson eines Tages wiedersehen würde, mit der Gefahr einhergehe, eine Todsünde begehen zu müssen.

      Darum schaute er zu Garcia auf und nickte erneut hinter dem Rauchschleier, der zwischen ihnen beiden waberte, und präsentierte einen Ausdruck von Zuversicht, um sich bereit zu zeigen, einmal mehr zu El Rastreador zu werden.

      »Du sollst jemanden für mich ausfindig machen, aber wir päppeln dich zuerst mal wieder auf, dann erkläre ich dir alles weitere.«

      ***

      »Reginald, ich habe dich doch darum gebeten, in der Küche aufzuräumen, während ich weg bin.«

      Reggie rief die Übersichtsseite des Xbox-Menüs auf, um auf die Uhr schauen zu können. Es war schon fast Mittag. Er hatte den ganzen Morgen lang Fallout 4 gespielt – verständlicherweise für alle, die den Titel kannten, doch seine Mom würde sich mit dieser Entschuldigung bestimmt nicht zufriedengeben. Eher würde sie die Konsole bei eBay verhökern, als seine Faulheit zu unterstützen.

      Er stürzte so hastig aus seinem Zimmer, dass die Wand im Flur, die voller Fotos hing, leise rappelte. »Hab die Zeit vergessen, Ma. Bin schon dabei.«

      »Als wir das letzte Mal versucht haben, originalgetreue mexikanische Tacos zu Hause zu machen«, sagte sie, »stank es sogar in meinem Schlafzimmer nach fettigem Schweinefleisch.« Sie stand mitten in der Küche, zog ihre Jacke aus und legte sie über die Rückenlehne des Stuhls, dann griff sie zu einem Fleckenstift, der auf dem Tisch lag, zog den Verschluss ab und begann, damit über einen Kaffeespritzer am Kragen ihrer Bluse zu rubbeln.

      »Für heute schon fertig mit der Arbeit?«

      »Ja, Gott sei Dank. Aber ich muss um zwei wieder im Büro sein, um mich mit einem neuen Kunden zu treffen. Ich bin nur kurz nach Hause gekommen, um Hallo zu sagen.«

      »Du brauchst nicht ständig nach mir zu schauen, Ma, ich bin schließlich schon dreizehn.«

      »Außerdem habe ich mit mir selbst gewettet und wollte sehen, ob die Küche mittlerweile sauber ist.«

      Reggie riss die Alufolie vom Backblech und zerknüllte sie, wobei er darauf achtete, dass nichts von dem ausgehärteten, aber trotzdem immer noch schmierigen Schweinefett herausquoll. »Und hast du gewonnen?«

      »Nö, ich habe deinetwegen zwanzig Mäuse verloren, aber wie wäre es, wenn du das heute Abend wiedergutmachen würdest? Wir gehen ins Fire&Ice essen und sehen uns hinterher noch Big Trouble in Little China im Brattle an, was meinst du?«

      Mongolisches Grillfutter oder John Carpenter abzulehnen stand ihm zwar nicht zu, doch in diesem Fall hatte er weder das eine noch das andere verdient. Er erkannte Moms Masche sofort. Dad hatte ihn regelrecht mit solchen Filmen erzogen. Seine Mutter hingegen fand immer Ausflüchte, um von der Couch aufzustehen, bevor sie Das Ende – Assault on Precinct 13 oder Die Klapperschlange einlegten, obwohl sie sich jetzt Mühe gab.

      Das nicht gutzuheißen war schwierig.

      Mom verschwand nun in ihrem Zimmer, während Reggie zu Ende sauber machte. Als die Arbeitsflächen aufgeräumt und abgewischt waren, stank der Mülleimer nach den gesammelten und verdorbenen Essensresten einer ganzen Woche. Er hievte den Sack deshalb aus dem Edelstahlbehälter und zurrte ihn gerade zusammen, als das Telefon läutete.

      Seine Mutter öffnete ihre Tür und trat in den Spalt. »Pfui, trag das sofort raus!« Sie ging zum Telefon und nahm den Anruf entgegen.

      Den Müll hinauszubringen war echt ätzend, weil es bedeutete, ihn zwei Treppenläufe hinuntertragen zu müssen, wo er in die Gemeinschaftstonnen in der Gasse kam. Mom musste darauf gebrannt haben, sich dieser Pflicht zu entledigen, denn sie hatte sie abgegeben, sobald Reggie zehn Jahre alt geworden war. Seit den vergangenen drei Jahren versuchte er nun, es auf erträgliche Weise zu erledigen, glaubte aber so langsam, dass dies einfach nicht möglich war. Wartete man zu lange, waren die Säcke prall gefüllte Brocken, die sich kaum noch nach unten wuchten ließen, und falls einer unterwegs platzte, was bereits passiert war, konnte man seinen freien Abend komplett abschreiben, um Bananenschalen und Hähnchenknochen einzusammeln, während man den Nachbarn im Weg hockte und angestarrt wurde, als habe man Atommüll verstreut.

      Handelte er hingegen vorbeugend und trug den Sack hinunter, wenn er nur halb voll war, rügte ihn seine Mom, dass er die Dinger verschwenden würde. Dieses Spiel ließ sich offenbar einfach nicht gewinnen.

      Nachdem Reggie den Sack in einer Tonne deponiert hatte, putzte er sich die Hände an seiner Jeans ab, weil irgendetwas Fetttriefendes doch noch an seine Finger geraten war. Als er in das Gebäude zurückkehrte, beschloss er, den Aufzug zu nehmen. Er drückte auf den Knopf mit der Eins und trat in die Kabine.

      Gerade als die Tür zuging, wurde jene des Hausflurs geöffnet, und Becky St. George kam herein. Sie ging langsam an den Briefkästen vorbei, während Reggie der Schmuckstein ihres Bauchnabelpiercings ins Auge sprang. Er wollte jedoch nicht auf diesen Trick hereinfallen, vor allem, weil sie ihm gerade zum ersten Mal überhaupt ins Gesicht schaute. Sie war nur ein Jahr älter, aber bereits absolut anbetungswürdig. Die Uniform der katholischen Schule schien ihre Schönheit noch zusätzlich hervorzuheben, wobei sie eher an Britney Spears als an Rocknonne Sister Janet erinnerte. Außerdem lächelte sie ihn beim Näherkommen an.

      In den sechs Monaten, seit sie hier wohnte, hatte sie ihm nicht einmal die Uhrzeit genannt.

      Reggie streckte eine Hand aus, damit die Aufzugtür offenblieb.

      Becky trat ein und schaute ihn weiter lächelnd an. »Die Drei, bitte.«

      Ihn juckte es in den Fingern Ich weiß zu sagen, doch er widerstand der Versuchung. Dass sie ihn überhaupt in diesem Maß zur Kenntnis nahm, ließ sein Herz höher schlagen, aber so verlockend es auch sein mochte, er widerstand der Versuchung, einen Plausch vom Zaun zu brechen. Stattdessen plante er seinen Angriff, nachdem er den Knopf betätigt hatte.

      Die kleine Drei leuchtete gelb auf und der Aufzug fuhr nach einem kurzen Ruckeln los. Im Nu öffnete sich die Tür im ersten Stock.

      Becky schaute Reggie verwundert an. »Wohnst du nicht im Ersten?«

      »Doch«, antwortete er, »aber ich wollte zum Dach hinauf, um nach Eichhörnchen zu suchen.«

      »Hä?«

      Was redest du denn da nur für dummes Zeug? »Gestern Nacht habe ich gedacht, welche in den Wänden zu hören, und würde deshalb gern nachschauen, ob es da oben Spuren von ihnen gibt … Kothaufen, Eicheln und so weiter.«

      »Igitt, wirklich? In den Wänden? Ruf doch einfach Mr. Albert an, der kümmert sich doch um so etwas, das ist schließlich seine Aufgabe. Das sollte nicht unser Problem sein.«

      »Ich will mich eben vergewissern, bevor ich ihm sage, dass es echt ein Problem gibt.«

      Ein erneutes Klingeln ertönte, als sie den dritten Stock erreichten. Becky stieg aus, drehte sich aber noch einmal um, als sie über die Schwelle trat. »Mich kribbelt es schon, wenn ich mir nur vorstelle, dass die Viecher durch die Wände kriechen … gib mir einfach Bescheid, falls ich ein paar Rattenfallen aufstellen muss.«

      »Ich glaube nicht, dass man Eichhörnchen so leicht töten kann.«

      »Egal, ich will auf keinen Fall das Risiko eingehen, Tollwut zu kriegen.«

      »Ich heiße übrigens Re…« Die Aufzugtür schloss sich nicht wieder, solange er keinen weiteren Knopf drückte. Seufzend wählte er wieder die Eins und fuhr zurück auf die Etage, wo sein Appartement lag.

      Eichhörnchen? Darüber laberst du bei deinem allerersten Wortwechsel mit Becky St. George? Eichhörnchen? Jetzt denkt sie bestimmt,