ISLAND RED. Matt Serafini. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Matt Serafini
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958353718
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sich bedroht fühlte. Am besten blieb er einfach, wo er war, und zeigte sich eindeutig unterwürfig.

      Er hatte sich vorgestellt, das Ganze würde anders ausgehen. In der vorangegangenen Nacht war er sich nach seinem Entschluss zur Flucht sicher gewesen, dass es vorbei war. Das hätte er sich zumindest gewünscht.

      Die ernüchternden Kopfschmerzen hinter seinen Augen standen jenen in seinem geprellten Brustkorb und zerkratzten Gesicht in nichts nach. Die Zigarre schmeckte ein wenig fade, aber eigentlich hatte er die ätzenden Dinger noch nie gemocht. Zumindest half diese ihm aber dabei, wieder klar denken zu können. Mit jedem Atemzug beruhigte sich sein Gehirn weiter, sodass einer vernünftigen Einstellung nichts mehr im Wege stand.

      Rückblickend war seine Entscheidung dämlich gewesen, keine Frage, aber zu jenem Zeitpunkt hatte er sich nicht weiter darum gekümmert und jetzt tat er es auch nur, weil Garcia vor ihm stand und Manuel zwang, die Enttäuschung wettzumachen, von der sein Blick zeugte.

      Scheiße, dachte er wieder, da ihm nichts anderes einfiel.

      Am besagten Abend war er im Skylight 31 gewesen, Garcias Nachtklub in der 23. Straße. Dort hatten alle den großen Sieg gefeiert, die laut irgendeiner Liste, für die sich die zahlende Kundschaft keinen Deut interessierte, fünfte Auszeichnung zu »Miamis bestem Nachtlokal« in Folge. Cristal-Champagner war auf den VIP-Lounges in Strömen geflossen, während leichte Mädchen auf Bühnen im Neonlicht mit ihren Ärschen gewackelt und Typen sie aus den Augenwinkeln begafft hatten.

      Normalerweise betreute Manuel die auftretenden Talente im Klub. Er buchte sie aber nicht, sondern hofierte sie lediglich, sobald sie eintrafen. Manchmal erforderte das auch die Erfüllung abseitiger Wünsche, etwa ein Paar Schlangenleder-Mokassins in Größe 14 aufzutreiben oder dafür zu sorgen, dass man ihre Hotelsuiten mit so vielen Prostituierten und Koks-Beuteln ausstattete, wie Garcia zu spendieren bereit war.

      Vor Urzeiten hatte er mal als Schläger Nummer eins seines Bosses fungiert und die besondere Gabe besessen, diejenigen aufzuspüren, die versteckt bleiben wollten – solche mit Spielschulden, so hoch wie der Mount Whitney oder niedere maricónes, die Garcias Nachschublinien überfallen und geglaubt hatten, sie könnten sich in den Everglades verbergen, bis eines Tages Gras über ihre Aktionen gewachsen war. Der Mann hatte allerdings ein Gedächtnis wie ein Elefant, weshalb Manuel nicht erwartete, dass er irgendetwas vergessen würde. Er war es nur leid gewesen, ein Versager zu sein, der jemand anderem auf der Tasche lag.

      Warum, das wusste er nicht. Vielleicht stellte der Lebenswandel eine Gewohnheit dar, die sich nur schwer ablegen ließ. Was auch immer jedoch die Ursache gewesen war … an diesem Abend hatte er beschlossen, dass es ihm scheißegal war.

      Das Lokaltalent, irgendein bahnbrechender DJ namens Muto, Buto oder sonst wie, war höchstens zweiundzwanzig gewesen, hatte enge Jeans getragen und seinen flächigen Kinnbart wie einen Regenbogen gefärbt. Er war zu Manuel gekommen, um dreizehnjährige Fotzen zu verlangen – wie bei einer Bestellung bei McDrive.

      Damit hatte er in Manuel einen Schalter umgelegt, sodass dessen Anstand unter einem Wutanfall verloren gegangen war. Im Allgemeinen kratzten ihn solche Ansprüche nicht. »Heroin gefällig? Sechs Huren? Kein Ding, alles Geschäftskosten.«

      Sex mit Minderjährigen hingegen markierte aber eindeutig eine Grenze, die niemand überschreiten durfte.

      Muto, Buto oder sonst wie, hatte Manuels Empörung überhaupt nicht nachvollziehen können, sondern seine Stirn gerunzelt, als existiere das Wort Nein gar nicht. Ein Typ, der zweihundert Tage im Jahr in Hotelzimmern übernachtete, war der Annahme gewesen, sich wie ein Monarch aufführen zu können.

      »Williges Fleisch ist williges Fleisch, Bruder, und mit dreizehn ist kein Mädchen unsicher, wenn es darum geht, was es will oder nicht.« Als Friedensangebot hatte Muto, Buto oder sonst wie, sogar vorgeschlagen, sich die Mädchen zu zweit zu teilen, weil er davon überzeugt gewesen war, Manuel müsse nur von der verbotenen Frucht kosten, um auf den Geschmack zu kommen und sie dann nie mehr missen zu wollen.

      Letzten Endes hatte Manuel den Feuerlöscher hinter der Theke genommen und dem Kerl mit dem unteren Ring an der Flasche – der aus massivem Metall bestand – die Fresse eingeschlagen. Die Zähne des Kinderfickers waren wie Konfetti durch die VIP-Lounge geflogen und sein Unterkiefer hatte geblutet, schwärzer als Schokoladensirup. In diesem Moment war Manuel fest entschlossen gewesen, ihn umzubringen, und mit dem Feuerlöscher hoch über seinem Kopf ausholend auf ihn losgegangen, wobei er sich vorgestellt hatte, das Gehirn des DJs werde wie Kartoffelbrei aussehen, wenn er es ihm aus dem Schädel geprügelt hatte.

      Leider waren die Sicherheitskräfte irgendwann dazwischengefunkt. Alle im Skylight 31 kannten Manuel als vierzigjährigen Einzelgänger aus Überzeugung. »Er und Garcia kennen sich schon ewig«, hieß es, und aus genau diesem Grund hatte man ihn auch einfach nur aus der Schicht entlassen, anstatt ihn zur Schnecke zu machen. »Geh nach draußen«, war ihr Rat gewesen. »Frische Luft schnappen.« Sie hatten größere Sorgen gehabt, dem Päderasten die Zähne wieder zurück in das blutende Maul zu fummeln.

      Manuel war daraufhin hinausgegangen und hatte ein halbes Päckchen Marlboro geraucht, während ihm der Ernst hinter seiner Tat allmählich bewusst geworden war … ein schlechtes Gewissen wie nach dem Wichsen zu einem wirklich abartigen Film.

      Die Sache war allerdings die, er hatte gewusst, wie die Geschichte ausgehen würde, oder zumindest geglaubt, es zu wissen. All die Jahre an Garcias Seite ließen sich mit dem Geist der zukünftigen Weihnacht von Dickens vergleichen.

      Er hatte gesehen, was geschah, wenn man zu lange blieb, und deshalb beschlossen, sich auszuklinken. Dummerweise war zu viel Zeit vergangen, um sich darüber klar zu werden. Er hatte auf der Straße überlegt, wie er verschwinden könne, als auch schon Tavo und Quino auf den Plan getreten waren.

      »Manuel, lass uns 'ne Spritztour machen.«

      »Pass auf«, sagte nun Garcia und lächelte warmherzig, ja vielleicht sogar mitleidig, aber nur eine Sekunde lang. »Ich gebe dir den Laufpass, cabrón. Mir bleibt leider nichts anderes übrig. Du hast mich 'ne Stange Geld und einen noch größeren Teil meines guten Rufs gekostet, also muss ich leider gewisse Dinge mit dir anstellen, die dir gar nicht gefallen werden.«

      Er nahm den ringförmigen Zigarrenschneider und stülpte ihn nun über einen von Manuels Mittelfingern. Ein kurzer Ruck, dann war der Finger ab … die Klinge hatte den Knochen mühelos durchtrennt.

      Manuel biss so fest auf die Cohiba, dass sie zerbrach.

      »Den schick ich dem DJ, damit er weiß, dass du auch dein Fett wegbekommen hast«, meinte Garcia. »Lektion gelernt?«

      Das hatte Manuel. Er fing an zu weinen, und jede Träne brannte, sobald sie in eine der Schnittwunden in seinem Gesicht floss. Das war jedoch nichts im Vergleich zu dem stark blutenden Stumpf an seiner linken Hand, wo nun der Mittelfinger fehlte.

      Er wollte brüllen, doch dann fiel ihm ein, dass er Garcia noch eine Antwort schuldete, und nickte rasch.

      »Gut. Jetzt kommen wir zu dem Punkt, wo du die Wahl hast … Entweder lassen wir dich hier an einer beschissenen Raststätte in der Nähe der Everglades zurück, und du verschwindest aus Florida – für immer – oder du erledigst noch einen letzten Auftrag für mich und verdienst dir ein bisschen was dazu. Danach verziehst du dich trotzdem auf ewig von hier, allerdings mit genügend Geld, dass du nie als Begrüßungskasper bei Home Depot anheuern musst, um deine Miete bezahlen zu können.«

      Manuel spuckte nun Zigarrentabak über den Boden, bevor er sich die Cohiba zurück in den Mund steckte, um den Rest zu rauchen. Die Spitze glühte orange, und weiter daran zu ziehen trug dazu bei, dass er ein klareres Bild von seiner Situation bekam. Garcia hatte seit jeher ein Händchen für so etwas gehabt. Er wollte nicht, dass sein Schützling voreilige Entscheidungen traf. Gegenseitiger Respekt zeichnete den Umgang der beiden während ihrer gemeinsamen Zeit aus.

      »Was für einen Auftrag?«, fragte Manuel nach einer Weile.

      »Du willst es im Ernst machen?«, erwiderte Garcia lachend. »Das ist prima, Manuel. Freut mich wirklich. Ich brauche nämlich El Rastreador