Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jodocus Temme
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027238149
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seine Pferde als gewöhnliche Mietpferde, den Postillion als Kutscher.

      Zu dem Postillion setzte sich Bernhard auf den Bock.

      Weder die Frau Mahler noch der Bursche kannten die Gegend zwischen Großbeeren und Köpenick.

      Der Bursche fragte den Postillion darüber aus.

      »Nach Köpenick werden Sie heute wohl nicht mehr kommen«, sagte der Postillion.

      »Es liegt uns am Ende nicht viel daran. Aber warum wäre es nicht möglich?«

      »Wir kommen vor zehn Uhr in der Nacht nicht an. In so später Zeit wird kein Wagen mehr über den Strom gesetzt und eine Brücke ist nicht da.«

      »Könnten wir diesseits des Stroms ein Unterkommen finden?«

      »Eine halbe Stunde von Köpenick, im Bärenkruge.«

      »Kann man da gut logieren?«

      »Es übernachten oft Herrschaften da.«

      »Fahren Sie uns vorläufig dahin. Wir können dann ja weitersehen.«

      Bernhard teilte der Frau Mahler mit, was er mit dem Postillion gesprochen hatte. Sie war einverstanden.

      Sie erreichten den Bärenkrug.

      Die Frau war immer stiller geworden.

      »Ich spiele Komödie mit ihm!« Der Gedanke beschäftigte sie, wollte sie nicht verlassen. »Komödie mit meinem Mann! Um ihn wiederzugewinnen! Um sein und mein Glück zu begründen! Der Domherr sagte es ja. Er hatte kein Bedenken, er auf seinem Standpunkte nicht. Aber er sah mit dem Verstande. Ich sehe mit dem Herzen. Ich soll meinen Mann betrügen? Durch einen Betrug, durch neuen Verrat sein Herz wiedergewinnen, das ich durch den schwersten Verrat betrogen habe? Es ist nicht möglich! — Fänden wir den Herrn von Aschen hier! Er wird da sein. Er ist meines Mannes Freund. Der Domherr wird ihn gebeten haben, mir seinen Beistand zu leihen. Er muss das Weitere allein übernehmen Ich ziehe mich zurück. Ich darf keinen Teil mehr daran haben. Mein Mann darf mich nicht sehen. Er darf mich nie wiedersehen.«

      Mit dem Entschlusse stieg sie an dem Bärenkruge aus.

      Aber Gisbert von Aschen war nicht da.

      Musste sie nun doch ihrem Gatten entgegentreten? Nur sie konnte ihn befreien.

      Zu dem Zwiespalt in ihrem Innern gesellte sich dann der Unmut, von dem Freunde ihres Gatten verlassen zu sein. Dass der Domherr mit ihr die weite Reise hätte zurückmachen sollen, daran hatte sie freilich nicht gedacht.

      Dass aber Gisbert jetzt fehlte, dass man sie, die schwache Frau, das schwere gefährliche Wagnis der Befreiung allein unternehmen ließ, zu ihrem Beistande allein auf einen Diener angewiesen, das war ein Unrecht, eine Rücksichtslosigkeit, die auf einmal sie doppelt kränkte, mit Bitterkeit erfüllte.

      Das war in ihrer Lage natürlich und allerdings am Ende gut. Es weckte den Widerspruch, einen gewissen Trotz in ihr.

      »Ich werde meine Pflicht allein erfüllen. Ja, ich, das schwache Weib, auf das allein sie sie gewälzt haben.«

      Ein anderer Gedanke kam ihr dann wohl.

      »Es gehört noch zu der Komödie, die ich mit meinem Manne spielen soll. Darum darf auch der junge Freiherr nicht da, sein. Aber er hätte mir seine Nähe kundgeben können. Und wenn nun eine Hilfe nötig wird, die ich nicht leisten, die auch Bernhard nicht bringen kann? Indes mein Mann muss gerettet werden! Ich werde ihn retten.«

      Sie überlegte mit Bernhard, was weiter zu tun sei.

      Der gewandte Bursche hatte sich durch den Postillion über den Weg vom Bärenkruge bis zur Spree bei Köpenick unterrichten lassen.

      Der Weg gehe durch flaches, ödes Heideland; eine Viertelstunde lang komme man noch durch einzelnes Fichtengebüsch, dann sei kein Baum und kein Strauch mehr zu sehen.

      »Wir fahren noch die Viertelstunde weit«, entschied sich die Frau. »Wir lassen dann den Wagen zwischen den Fichten halten und gehen zu Fuße weiter. So kann der Postillion nicht ahnen, wohin wir wollen, und der Rückweg zum Wagen wird später nicht zu beschwerlich.«

      »Die Madame«, sagte Bernhard zu dem Postillion, »muss heute Abend noch weiter. Können wir nicht über den Strom, so kommt ihr jemand entgegen, den sie notwendig sprechen muss.«

      Der Postillion fütterte seine Pferde, spannte wieder an. Sie fuhren weiter.

      Es war um halb elf Uhr in der Nacht. Die Heide war unbewohnt, die Nacht dunkel, der Himmel mit schwarzen Wolken bedeckt, aus denen es regnete; manchmal erhob sich der Wind, den Regen vor sich hertreibend.

      Für das Unternehmen der Frau hätte das alles nicht günstiger sein können.

      Umso größer war ihr Schreck, als sie das Ende der Fichten erreicht hatten.

      Eine dunkle Gestalt stand dort am Wege, unbeweglich; sie erwartete den Wagen.

      »Ich habe den Teufel an die Wand gemalt«, sagte sich Bernhard.

      Aber der Bursche fasste sich.

      »Halten Sie, Kutscher!« sprang er aus dem Wagen.

      Er ging entschlossen auf die dunkle Gestalt zu.

      Ein Mann trat ihm entgegen.

      »Sind wir hier auf dem rechten Wege nach der Köpenicker Fähre?« fragte ihn der Bursche.

      »Wer sitzt in dem Wagen?« erwiderte der Mensch.

      »Oho, sind Sie Gendarm?«

      »Nein, aber ich kenne den Herrn Domherrn von Aschen.«

      »Und was will der Herr Domherr von der Herrschaft im Wagen?«

      »Wenn es die Frau Mahler ist, so habe ich eine Bestellung an sie.«

      »So, so, warten Sie hier einen Augenblick.«

      Der Bursche kehrte zum Wagen zurück.

      »Wollen Sie aussteigen, Madame. Der Mann, den Sie erwarten, ist da.«

      Er sprach es laut, damit der Postillion es höre.

      Die Frau stieg aus und ging mit dem Burschen zu dem Fremden.

      »Sie suchen die Frau Mahler?« fragte sie ihn.

      »Ja, Madame, und ich zweifle nicht, dass Madame es sind.«

      »Was wollen Sie von mir?«

      »Ich bin der Kammerdiener des Freiherrn Gisbert von Aschen. Der Herr Baron wollte persönlich hier erscheinen. Er musste heute Morgen plötzlich verreisen in einer sehr dringenden Angelegenheit. Er bittet, Madame wolle ihn entschuldigen. Ich soll mich vollständig zu Ihren Befehlen stellen. Der Herr Baron hat mir keine schriftliche Legitimation mitgegeben. In dieser Dunkelheit würde Madame sie nicht lesen können.«

      »Sie sollen mich führen?« fragte die Frau Mahler.

      »Zu dem Nachen, der am Ufer wartet.«

      Die Frau hatte keinen Grund, dem Manne nicht zu vertrauen.

      »Gehen wir«, sagte sie.

      Bernhard sprang zu dem Postillion zurück.

      »Warten Sie hier. Wir sind in einer Viertelstunde wieder da.«

      Die Frau Mahler, der Kammerdiener Gisberts und Bernhard gingen weiter in die Heide und Finsternis hinein.

      Sie hatten schon nach zehn Minuten das Ufer der Spree erreicht.

      Niemand war ihnen begegnet.

      Der Fluss lag still vor ihnen. Das träge Wasser der Spree rauscht nicht. Sein Plätschern verhallte in dem Regen.

      Auch jenseits des Wassers war alles still.

      Die Finsternis der Nacht ließ auch für das Auge nichts erkennen. Das Schloss und die Bäume des Parks mussten sich an dem andern Ufer erheben; an den dunklen Wolken zeichnete sich nichts ab.

      Der Bediente hatte seine beiden